1542/AB XXIV. GP
Eingelangt am 26.05.2009
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BM für Gesundheit
Anfragebeantwortung

Alois Stöger diplômé
Bundesminister
Fam*Herr*
Frau
Präsidentin des Nationalrates
Maga. Barbara Prammer
Parlament
1017 Wien
Wien, am . Mai 2009
GZ: BMG-11001/0081-I/5/2009
Sehr geehrte Frau Präsidentin!
Ich beantworte die an mich gerichtete schriftliche parlamentarische Anfrage Nr. 1527/J der Abgeordneten Gartelgruber, Mühlberghuber und weiterer Abgeordneter nach den mir vorliegenden Informationen wie folgt:
Frage 1:
Der Zugang zu psychologischer, psychotherapeutischer und psychiatrischer Hilfe steht grundsätzlich allen Kindern und Jugendlichen offen, die Bedarf nach diesen Hilfen haben. Im Österreichischen Strukturplan Gesundheit (ÖSG 2008) sind die Qualitätskriterien für den Bereich der Kinder- und Jugendpsychiatrischen Versorgung (KJP) festgeschrieben. Dabei wird darauf hingewiesen, dass die Grundlage der Planung eine breite interdisziplinäre Sicht des Themas ist, welche die Bereiche Krankenhäuser, extramurale Versorgung sowie auch den heilpädagogischen Bereich (Jugendwohlfahrt) und den Sozialbereich berücksichtigt. Dabei ist auf länderspezifische Gegebenheiten Rücksicht zu nehmen. Als Anforderungen an ein Versorgungssystem der KJP gelten die folgenden Strukturelemente:
· Krankenhausabteilungen für Kinder- und Jugendpsychiatrie
· Enge Kooperation mit Kinder- und Jugendabteilung, Erwachsenenpsychiatrie (Altersgrenzen)
· Konsiliar- und Liaisondienste der KJP
· Teilstationäre Einheiten der KJP: Dislozierte Tageskliniken im Krankenhaus oder dislozierte Tageskliniken außerhalb des Krankenhauses
· Ambulante und mobile Einheiten der KJP zur wohnortnahen (Nach)Betreuung
· Ambulant versorgungswirksame Fachärztinnen und Fachärzte für KJP (niedergelassen und in Einrichtungen)
· Dezentrale, gemeindenahe, interdisziplinäre Netzwerke
Frage 2:
Grundsätzlich ist die Behandlung von Kindern und Jugendlichen mit psychischen Erkrankungen ein multimodaler Ansatz, der sich aus der Interdependenz von psychischen, physiologischen und sozialen Faktoren ergibt. Der Stellenwert des sozialen Feldes - Kindergarten, Schule, Familie, Freunde, Beruf - erfordert ein multiprofessionelles und interdisziplinäres Vorgehen. In diesem Sinn wurden auch die Qualitätskriterien für die Kinder- und Jugendpsychiatrische Versorgung im ÖSG 2008 definiert.
Die psychotherapeutische Behandlung ist in vielen Fällen nicht nur eine Alternative zur psychopharmakologischen Behandlung, sondern sie ist, da in der Psychotherapie grundlegend an der Problemanalyse, Problembewältigung und Verbesserung der Entwicklungsbedingungen eines Kindes gearbeitet wird, auch aus ethischen Gesichtspunkten besonders zu erwähnen.
In manchen Fällen ist die psychopharmakologische Behandlung jedoch unverzichtbar und kann die psychotherapeutische Parallelbehandlung die medikamentöse Behandlung abkürzen. Alle Kinder und Jugendliche, die mit Psychopharmaka behandelt werden, sollten verpflichtend sowohl einer kinderpsychiatrischen als auch einer psychotherapeutischen Abklärung zugeführt werden. Dies garantiert, dass die medikamentöse Behandlung entsprechend abgesichert erfolgt.
Zusätzlich zur psychotherapeutischen, psychologischen und psychiatrischen Behandlung in freier Praxis sind in erster Linie spezialisierte Einrichtungen vorhanden.
Diese Institutionen sind mehrheitlich auf die Beratung und Behandlung von Kindern und Jugendlichen im Kontext ihrer Familien wie folgt spezialisiert:
· Einrichtungen der Schulpsychologie,
· Einrichtungen des Kinderschutzes,
· Angebote der Drogenberatung und -prävention sowie
· Abteilungen und Ambulanzen der Kinder- und Jugendpsychiatrie.
Frage 3:
Die Berufsgruppen der Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten sowie der Psychologinnen und Psychologen sind für die Behandlung aller Altersgruppen und Problemlagen ausgebildet.
Die Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie bzw. die klinisch-psychologische Behandlung von Kindern und Jugendlichen wird als integraler Bestandteil der psychotherapeutischen bzw. klinisch-psychologischen Grundkompetenz angesehen, die durch berufliche Erfahrungen und postgraduelle Qualifizierungsmaßnahmen gesichert und vertieft wird. Eine ausschließliche Spezialisierung auf die Behandlung von Kindern und Jugendlichen ist primär im institutionellen Setting und weniger bis gar nicht in freier Praxis anzutreffen.
Eine Gegenüberstellung der Anzahl der Psychotherapeutinnen und Psychtherapeuten sowie Psychologinnen und Psychologen einerseits und des Umfangs der jungen Bevölkerungsgruppe andererseits ergibt daher keinen Sinn.
In Bezug auf die Gesamtbevölkerung ist die regionale Verteilung wie folgt:
Tabelle 1: Einwohner pro Psychotherapeutin/Psychotherapeut bzw. klinischer Psychologin / klinischem Psychologen
|
Bundesland |
Einwohner pro Psychotherapeutin/-therapeut |
Einwohner pro klinischer Psychologin/klinischem Psychologen |
|
Burgenland |
3.235 |
3.091 |
|
Kärnten |
1.797 |
1.561 |
|
Niederösterreich |
2.481 |
2.706 |
|
Oberösterreich |
2.227 |
2.428 |
|
Salzburg |
888 |
903 |
|
Steiermark |
1.839 |
1.703 |
|
Tirol |
1.310 |
1.272 |
|
Vorarlberg |
1.301 |
2.229 |
|
Wien |
613 |
904 |
|
Österreich |
1.286 |
1.518 |
Quelle: BMG 2008
In Institutionen, die auf die Beratung, Betreuung und Behandlung von Kinder, Jugend-lichen und Familien mit psychosozialen Problemstellungen spezialisiert sind, arbeiten rund 1.100 Psychotherapeutinnen und -therapeuten. Das sind nach der Anzahl der berufsberechtigten Personen im jeweiligen Bundesland im Durchschnitt folgende Prozent:
12 (Burgenland), 18 (Kärnten), 21 (Niederösterreich), 20 (Oberösterreich), 15 (Salzburg), 25 (Steiermark), 15 (Tirol), 19 (Vorarlberg), 19 (Wien), 19 (Österreich).
Der Großteil dieser Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten ist zudem auch in Klinischer Psychologie ausgebildet (GÖG/ÖBIG 2007: Kinder- und Jugendlichen-psychotherapie und Gerontopsychotherapie).
Die Anzahl der Fachärztinnen und -ärzte für KJP (Kinder- und Jugendpsychiatrie) und der mit Additivfach KJNP (Kinder- und Jugendneuropsychiatrie) bezogen auf die Bevölkerungsgruppe bis zum vollendeten 19. Lebensjahr ist in der folgenden Tabelle ersichtlich.
Tabelle 2: Einwohner pro Fachärztin/Facharzt für KJP sowie Fachärztin/Facharzt mit Additivfach KJNP
|
Bundesland |
Einwohner ≤ 19 pro Fachärztin/-arzt KJP sowie Fachärztin/ -arzt mit Additivfach KJNP |
|
Burgenland |
13.813 |
|
Kärnten |
6.245 |
|
Niederösterreich |
23.260 |
|
Oberösterreich |
24.984 |
|
Salzburg |
11.918 |
|
Steiermark |
20.661 |
|
Tirol |
20.015 |
|
Vorarlberg |
17.889 |
|
Wien |
6.668 |
|
Österreich |
13.267 |
Quelle: GÖG/ÖBIG eigene Berechnungen 2009
Frage 4:
Mit der Verabschiedung des Gesundheitsförderungsgesetztes (GfG), BGBl. I Nr. 51/1998, und der Aufgabenzuweisung an den Fonds Gesundes Österreich, der seit 1. August 2006 ein Geschäftsbereich der Gesundheit Österreich GmbH ist, hat Österreich 1998 eine gesetzliche Grundlage für eine stärkere Verankerung von Gesundheitsförderung und Prävention im Gesundheitsbereich geschaffen, die auch international als vorbildlich gilt. Das Gesundheitsförderungsgesetz, das sich inhaltlich an der Ottawa-Charta orientiert, legt auch den Budgetrahmen von 7,25 Millionen Euro aus öffentlichen Mittel fest, die jährlich für die Umsetzung von Gesundheits-förderungs-Aktivitäten zur Verfügung stehen.
Das Gesundheitsförderungsgesetz umfasst zum Einen Maßnahmen und Initiativen zur Erhaltung, Förderung und Verbesserung der Gesundheit der Bevölkerung und zum Anderen die Aufklärung und Information über vermeidbare Krankheiten und über seelische, geistige und soziale Faktoren, die Gesundheit beeinflussen.
Am 1. August 2006 wurde über die Errichtung der Gesundheit Österreich GmbH die Gesundheit Österreich GmbH als nationales Forschungs- und Planungsinstitut für das Gesundheitswesen und als nationale Kompetenzstelle für Gesundheitsförderung eingerichtet. Der Geschäftsbereich FGÖ ist die nationale Kompetenzstelle für Gesundheitsförderung und Prävention und fördert nicht nur praxisorientierte und wissenschaftliche Projekte, sondern entwickelt auch Aktivitäten und Kampagnen, um gesunde Lebensweisen und gesunde Lebenswelten für möglichst viele Österreicherinnen und Österreicher erreichbar zu machen.
Aus dem gesetzlichen Auftrag leiten sich sechs Handlungsfelder ab – eines davon sind Kinder und Jugendliche –, für die der Fonds Gesundes Österreich zuständig ist.
Auch im siebenjährigen Forschungsprogramm zu Gesundheitsförderung und Prävention des Ludwig Boltzmann Institute Health Promotion Research ist eine Programmlinie der jungen Bevölkerungsgruppe gewidmet.
In diesem Zusammenhang ist auf die Tätigkeit von Schulärzten und Schulärztinnen hinzuweisen, die einen wesentlichen Beitrag zur allgemeinen Gesundheitsvorsorge von Kindern und Jugendlichen, unabhängig von ihrer sozialen Herkunft, leisten. Sie sind erste Anlaufstelle in medizinischen Fragen und leiten Betreuungen in die Wege, wenn Kinder in der Schule auffallen, sei es durch Gewalt, Rückzug, Magersucht, sie fungieren als Vertrauensperson und Bindeglied zwischen Elternhaus und Schule. Sie leisten ärztlichen Beistand in Krisensituationen (bei Sucht, Suizidgefährdung sowie Gewaltprävention etc). Diese Interventionen sind aber je nach Schulstandorten und Schultypen unterschiedlich.
Weiters ist der Einsatz von Schulpsychologen und Schulpsychologinnen, die kompetent Kinder, Eltern und Lehrer bei der schulischen Arbeit unterstützen und begleiten, eine wesentliche Maßnahme. Diese Opferbetreuung verhindert, dass es bei Gewalterfahrungen zu Folgeschäden kommt. Als weitere Maßnahme kann das Elterncoaching genannt werden. Berufliche, gesundheitliche oder finanzielle Probleme der Eltern können das Gefühl der Unzulänglichkeit und Unsicherheit der Eltern verstärken und Krisen, Erziehungsprobleme und Verhaltensauffälligkeiten der Kinder zur Folge haben
Frage 5:
Der Fonds Gesundes Österreich setzt sich zum Ziel, gesundheitliche Ungleichheit zu verringern und allgemeine Chancengleichheit in Bezug auf Gesundheit zu erreichen. Das heißt, dass Fragen des „sozialen Status“ im Brennpunkt der wissenschaftlichen Auseinandersetzung stehen und handlungsleitend für die Aktivitäten und Projekte des Fonds sind.
Dabei ist Gesundheitsförderung und Primärprävention im Setting Schule ein prioritärer Bereich des Fonds Gesundes Österreich. Zielgruppen sind dabei generell nicht nur Schülerinnen und Schüler aus allen sozialen Schichten sondern auch Eltern und Lehrerinnen und Lehrer.
Projekte in diesem Setting zielen speziell auf die Gruppe von Kindern und Jugendlichen mit hohem Armutsgefährdungspotenzial ab, wie z.B. das Gesundheitsvorsorgeprojekt „G´sund im Poly – g´sund in den Lehrberuf“. Zentrale Programmthemen waren Bewegung, Ernährung und mentale Fitness. Gearbeitet wurde hier sowohl mit den Schülerinnen und Schülern als auch mit deren Eltern und Lehrpersonen.
Aber auch außerhalb des Setting der Schule werden Maßnahmen gesetzt. Die Programme und Projekte werden zur Sicherstellung der Akzeptanz gemeinsam oder von den Kindern und Jugendlichen selbst entwickelt. Zielsetzung ist die Förderung der Entwicklung zu sozial kompetenten und eigenverantwortlichen Persönlichkeiten. Die zwei mehrjährigen Initiativen befassen sich mit der Gesundheitsförderung bei Kindern und Jugendlichen im städtischen und im ländlichen Raum.
Im vierjährigen Modellprojekt „Gehsteig“ werden Jugendliche im städtischen Lebensraum über ihre sozialen Netzwerke – Freundeskreis und "Szene" – angesprochen. Beauftragt ist damit pro mente Jugend Kärnten. Das auf eine Dauer von drei Jahren angelegte Modellprojekt „Jugendgesundheitsförderung auf dem Lande“ wird in zwei sehr gegensätzlichen steirischen Regionen umgesetzt. In den Gemeinden der Mur-Mürzfurche zwischen Kammern und Kindberg sowie im südlichen Grenzland zwischen Leibnitz und Bad Radkersburg. Beauftragt wurde Styria vitalis in Zusammenarbeit mit der ARGE Jugend gegen Gewalt und Rassismus.
Das Projekt „... und trotzdem gesund!“ zielt darauf ab, die Gesundheit von Jugendlichen und Familien, die armutsgefährdet sind, zu fördern. Dabei wurden 500 Familien im Rahmen einer individuellen Gesundheitsförderung erreicht, Schuldnerberatung angeboten und ein spezielles gesundheitliches Förderungsangebot für 100 Kinder aus armutsgefährdeten Familien realisiert. So wurden zum Beispiel die Konsequenzen aus Schul- und Kindergartenuntersuchungen gezogen und eine spezielle Motivation zu Vorsorgeuntersuchungen betrieben. Zusätzlich gibt es Gruppentage zum Thema Suchtprävention, Ernährung und Bewegung. An der Umsetzung sind etwa 60 Mitarbeiterinnen und -mitarbeiter von fünf Sozialeinrichtungen in Vorarlberg beteiligt.
Weitere, auch aber nicht ausschließlich auf die Zielgruppe der Kinder und Jugendlichen aus in Armut lebenden bzw. armutsgefährdeten Familien begrenzte, Projekte sind vor allem:
· die Suchtprävention im Bezirk Völkermarkt, mit dem Ziel die Präventionsaktivitäten auf struktureller Ebene (Gastronomie, Freizeitgestaltung, Jugendschutz, etc.) zu etablieren und die Erfahrungen aus dem Projekt auch für andere Regionen/ Bezirke darzustellen und nutzbar zu machen;
· „CEJNZ - Ein Dorf in Bewegung“ ein Projekt der Suchtprävention bzw. der Förderung eines maßvollen Umgangs mit Alkohol nach dem Ansatz der offenen Jugendarbeit;
· Gesundheitsförderung in Volksschulen mit Migrationshintergrund mit dem Ziel die Bewusstseinsbildung zum Thema Gesundheit – im Konkreten zur Ernährung, Bewegung und psychosozialen Gesundheit – bei den Kindern, Eltern und Lehrpersonen zu forcieren und fehlgeleitete Verhaltensweisen positiv zu beeinflussen sowie gesundheitsfördernde Verhältnisse in der Schule zu ermöglichen.
Frage 6:
Insgesamt flossen bisher mehr als 36 Millionen Euro in die Unterstützung von ca. 725 Projekten durch den FGÖ. Die Differenzierung der finanziellen Mitteln nach Art der wirtschaftlichen Situation der erfassten Zielgruppen ist nicht möglich.
Die Nachhaltigkeit der Projekte wird durch die Qualifikation der internen Akteure und Akteurinnen abgesichert.