1753/AB XXIV. GP
Eingelangt am 19.06.2009
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BM für Inneres
Anfragebeantwortung
Frau
Präsidentin des Nationalrates
Mag. Barbara Prammer
Parlament
1017 Wien
Die Abgeordneten zum Nationalrat Lichtenecker, Korun, Freundinnen und Freunde haben am 21. April 2009 unter der Zahl 1716/J an mich eine schriftliche parlamentarische Anfrage betreffend „Schubhaftverhängung über eine Familie mit drei minderjährigen Kindern“ gerichtet.
Diese Anfrage beantworte ich nach den mir vorliegenden Informationen wie folgt:
Zu Frage 1:
Die Beantwortung dieser Frage ist aus Gründen der Amtsverschwiegenheit und unter Zugrundelegung datenschutzrechtlicher Erwägungen nicht zulässig.
Zu Frage 2:
Kinder unter 14 Jahren werden nicht in Schubhaft genommen.
Die Anzahl der gegenüber Minderjährigen ab dem 14. Lebensjahr verhängten Schubhaften stellt sich für den Zeitraum 2000 bis April 2009 wie folgt dar:

Zu den Fragen 3 und 5:
Eine Aussage über die tatsächliche Verweildauer eines Fremden in Schubhaft ist derzeit nicht möglich. Es wurde mittlerweile bereits eine elektronische Anhaltedatei eingerichtet, die künftig derartige Auswertungen ermöglichen wird.
Zu Frage 4:
Derartige Statistiken werden nicht geführt.
Zu Frage 6:
Sollte es auf Grund der Gesamtumstände – gerade auch unter Berücksichtigung des Kindeswohls – von Vorteil sein, wird es Kindern fallweise ermöglicht, auch dann bei ihren Eltern zu bleiben, wenn gegen diese die Schubhaft verhängt wurde. In der Praxis wird diese Vorgangsweise nur mit Einverständnis der Eltern, bei Vorliegen einer familiengerechten Unterbringungsmöglichkeit und bei absehbar kurzer Schubhaftdauer gewählt.
Sollte die Abwägung ergeben, dass eine Trennung von Mutter und Kind unumgänglich ist, wird getrachtet, das Kind bei anderen Erziehungsberechtigten unterzubringen. Sollte auch das nicht möglich sein, wird die Jugendwohlfahrtsbehörde eingeschaltet.
Zu den Fragen 7 und 8:
Meinungen und Einschätzungen sind nicht Gegenstand des parlamentarischen Interpellationsrechts gemäß Art. 52 B-VG.
Zu Frage 9:
Neben den für alle Schubhäftlinge im Zusammenhang mit einem Freiheitsentzug zu beachtenden Grundrechten, enthält Art. 37 Kinderrechtskonvention (KRK) für Minderjährige weitergehende Fürsorgeverpflichtungen des Staates und Rechte des Minderjährigen im Zusammenhang mit seiner Anhaltung. Art. 37 KRK enthält jedoch kein absolutes Verbot eines Freiheitsentzuges. Die Anhaltung in Schubhaft darf allerdings nur als letztes Mittel verfügt werden.
Dieses ultima-ratio-Prinzip wurde mit eigenen Regelungen für Minderjährige in den §§ 77 und 79 FPG umgesetzt. Weitere Sonderbestimmungen für Minderjährige sind in § 12 FPG enthalten.
Zu den Anhaltebedingungen sieht die KRK vor, dass Minderjährige getrennt von Erwachsenen anzuhalten sind, sofern nicht etwas anderes dem Kindeswohl dienlich wäre, wie insbesondere die gemeinsame Unterbringung mit den Eltern. Diese Verpflichtung wird durch § 79 Abs 2 FPG und § 4 AnhO verwirklicht.
Erlassmäßig ist angeordnet, dass Minderjährige unter 14 Jahren nicht in Schubhaft genommen werden dürfen.
Zu den Fragen 10 bis 13:
Wie in dem Erkenntnis des VfGH vom 17.6.2005, Zl. B 336/05-11 festgehalten, haben die Mitgliedstaaten kraft Gemeinschaftsrecht nicht nachzuprüfen, ob ein anderer Mitgliedstaat generell sicher ist, da eine entsprechende normative Vergewisserung durch die Verabschiedung der Dublin-II-VO erfolgt ist.
Eine Nachprüfung der grundrechtlichen Auswirkungen einer Überstellung ist im Einzelfall bei dementsprechendem Verdacht einer Verletzung von Art. 3 EMRK jedoch zulässig und geboten und nimmt Österreich nach entsprechendem Prüfergebnis im Einzelfall auch die Möglichkeit des Selbsteintrittsrechtes wahr.
Bei entsprechender Häufung von Fällen, bei denen in Folge der Ausübung des Selbsteintrittsrechts die gemeinschaftsrechtliche Zuständigkeit nicht effektuiert werden kann, kann allerdings eine Gefährdung des „effet utile“ Grundsatzes des Gemeinschaftsrechts entstehen und würde Österreich die Dublin-II-VO bei einer pauschalen Anwendung des Selbsteintrittsrechts rechtswidrig anwenden.
Hinsichtlich der Asyl- und Versorgungslage in Griechenland setzen sich sowohl das Bundesasylamt als auch der Asylgerichtshof intensiv mit ausreichend substantiierten, konkreten Vorbringen im Einzelfall auseinander, doch reicht die Vorlage einzelner, teilweise mittlerweile aufgrund der Bemühungen der griechischen Behörden überholten Berichte nicht aus, um die grundsätzliche europarechtlich gebotene Annahme der Sicherheit der EU-Mitgliedstaaten erschüttern zu können.
Anzumerken ist auch, dass der Asylgerichtshof bereits ab Juli 2008 mehrere Entscheidungen erlassen hat, in denen nach Einzelfallprüfung die Überstellung nach Griechenland für zulässig erachtet worden ist und diese Entscheidungen vom Verfassungsgerichtshof (im Wege der Ablehnung der Behandlung dagegen gerichteter Bescheidbeschwerden) bestätigt worden sind.
Es liegen auch keine höhergerichtlichen Entscheidungen von Gerichten anderer Mitgliedsstaaten vor, in denen Überstellungen nach Griechenland generell für unzulässig erklärt worden sind; im Gegenteil haben sowohl der englische Court of Appeal mit Urteil vom 14.05.2008 in der Rechtssache Nassari ([2008] EWCA Civ 464), als auch der schwedische Oberste Gerichtshof für Migrationssachen mit Urteil in der Rechtssache UM200397-08 (Oktober 2008) Überstellungen nach Griechenland in einzelnen Fällen für zulässig erklärt. Diese Linie findet ihre Bestätigung in der Unzulässigkeitsentscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 02.12.2008 in der Rechtssache 32733/08 (K.R.S. gegen das Vereinigte Königreich).
Insbesondere hat auch die Europäische Kommission ihre Klage gegen Griechenland im Zusammenhang mit der Umsetzung von Art. 16 der Dublin-II-VO vor dem Europäischen Gerichtshof zurückgezogen, und wurde daher das entsprechende Verfahren eingestellt.
Konkret ist zur Empfehlung des UNHCR schließlich anzumerken, dass sich diese auf die Lage von April 2008 bezieht und Griechenland, auch der angeführten Zurückziehung des EuGH zufolge, im Sommer 2008 Umsetzungsmaßnahmen in Hinblick auf die Aufnahme- und Verfahrensrichtlinie gesetzt und nun eine zweite Instanz in Asylangelegenheiten effektiv eingerichtet hat, in der auch UNHCR aktiv vertreten ist.
Zu Frage 14:
Derartige Verständigungen sind nicht vorgesehen.