1779/AB XXIV. GP
Eingelangt am 19.06.2009
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BM für Justiz
Anfragebeantwortung

DIE BUNDESMINISTERIN
FÜR
JUSTIZ
BMJ-Pr7000/0129-Pr 1/2009
An die
Frau Präsidentin des Nationalrates
W i e n
zur Zahl 1784/J-NR/2009
Der Abgeordnete zum Nationalrat Heinz-Christian Strache und weitere Abgeordnete haben an mich eine schriftliche Anfrage betreffend „Anzahl der Aufsichtsratsmandate des Herrn Dr. Christian Konrad“ gerichtet.
Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:
Allgemein zu 1 bis 17:
Die Frage, wie viele Aufsichtsratsmandate eine Person zulässigerweise ausüben kann, wurde im Rahmen der Vorbereitung des Gesellschaftsrechts-änderungsgesetzes 2005 – GesRÄG 2005, BGBl. I Nr. 59, ausführlich diskutiert. Ausgangspunkt für dieses Gesetzgebungsvorhaben war eine Entschließung des Nationalrats vom 29. Jänner 2004, E 39-NR/XX. GP, in der der Bundesminister für Justiz ersucht wurde, zur Stärkung des Vertrauens in die österreichische Wirtschaft Maßnahmen zur weiteren Verbesserung der Corporate Governance, zur Verbesserung der Qualität der Abschlussprüfung, zur Bekämpfung des Insiderhandels und zur Sicherung der Verlässlichkeit von Finanzinformationen im Rahmen einer Begutachtung zu prüfen und dem Nationalrat einen entsprechenden Gesetzesentwurf zuzuleiten.
Nach intensiver rechtspolitischer Diskussion im Begutachtungsverfahren wurde unter anderem § 86 AktG mit dem GesRÄG 2005 folgendermaßen geändert:
Durch eine durchgängige doppelte Anrechnung von Mandaten als Aufsichtsratsvorsitzender wurde eine deutliche Verminderung der kumulierbaren Aufsichtsratsmandate erreicht. Beibehalten wurde das sogenannte Konzernprivileg, wonach zehn weitere Aufsichtsratsmandate auf die allgemeine Höchstzahl von zehn Mandaten nicht angerechnet werden, wenn es sich um Mandate in konzernmäßig verbundenen Unternehmen handelt. In diesen Fällen dient die Aufsichtsratstätigkeit der Konzernsteuerung.
Diese mit dem GesRÄG 2005 bewirkte maßvolle Reduzierung der Aufsichtsratsmandate wird durch den Österreichischen Corporate Governance Kodex ergänzt.
So verlangt Regel 55, dass der Vorsitzende des Aufsichtsrats nicht der ehemalige Vorstandsvorsitzende ist, sofern nicht ein Zeitraum von zwei Jahren zwischen diesen beiden Funktionen liegt.
Nach Regel 57 dürfen Aufsichtsratsmitglieder, die dem Vorstand einer börsenotierten Gesellschaft angehören, insgesamt nicht mehr als vier Aufsichtsratsmandate in konzernexternen Aktiengesellschaften wahrnehmen; auch hier zählt ein Vorsitz doppelt.
Diese Regelungen des Corporate Governance Kodex sind zwar nicht durchsetzbar, börsenotierte Gesellschaften, die davon abweichen wollen, müssen dies aber begründen. Seit dem Unternehmensrechts-Änderungsgesetz 2008, BGBl. I Nr. 70/2008, müssen börsenotierte Gesellschaften den Corporate Governance-Bericht auch dem Firmenbuchgericht vorlegen.
Die in § 86 AktG gesetzlich geregelten Mandatsbegrenzungen können allerdings gravierende rechtliche Konsequenzen haben:
So wäre die Bestellung zum Aufsichtsratsmitglied nach herrschender Lehre unwirksam, sofern dadurch die gesetzlich festgelegte Höchstanzahl überschritten wird. Die Gesellschaften wie die Aufsichtsratsmitglieder werden daher auch aus eigenem Interesse dafür Sorge tragen, dass es nicht zu solchen ungültigen Bestellungen kommt, die die Wirksamkeit von Aufsichtratsbeschlüssen gefährden und jedenfalls den Vergütungsanspruch des Aufsichtsrats beseitigen würden.
Im Übrigen muss es letztlich den Aktionären bzw. den Gesellschaftern einer GmbH überlassen bleiben, geeignete Aufsichtsräte zu wählen. Auch in diesem Sinn hat das GesRÄG 2005 für mehr Transparenz gesorgt. Nach § 87 Abs. 1a AktG haben die zur Wahl vorgeschlagenen Personen der Hauptversammlung ihre fachliche Qualifikation, ihre beruflichen oder vergleichbaren Funktionen sowie alle Umstände darzulegen, die die Besorgnis einer Befangenheit begründen könnten. Diese Bestimmung soll durch das geplante Aktienrechts-Änderungsgesetz bei börsenotierten Gesellschaften insofern weiter ausgebaut werden, als diese Erklärung des Aufsichtsratskandidaten schon am fünften Werktag vor der Hauptversammlung auf der Internetseite der Gesellschaft zugänglich sein muss. Die Aktionäre können sich dann rechtzeitig vor der Hauptversammlung ein gutes Bild über die zur Wahl vorgeschlagenen Kandidaten machen. Überraschungskandidaten in der Hauptversammlung werden nicht mehr möglich sein.
Zu 1, 2, 12, 17:
Das Firmenbuch bietet die Möglichkeit, eine Personenabfrage durchzuführen. So kann auch eruiert werden, welche Organfunktionen einzelne Personen in Unternehmen, die im Firmenbuch eingetragen sind, ausüben.
Zu 3:
Dies entzieht sich der Kenntnis des Bundesministeriums für Justiz.
Zu 10, 13, 14:
Die gesellschaftsrechtlichen Konsequenzen einer Überschreitung der zulässigen Mandatszahl wurden bereits dargestellt; nach § 86 Abs. 6 AktG wäre eine überschießende Bestellung nach herrschender Lehre unwirksam. Seit dem GesRÄG 2005 stellt auch die Überkreuzverflechtung gemäß § 86 Abs. 2 Z 3 AktG ein Bestellungsverbot dar.
Zu 4 bis 8:
Dem Bundesministerium für Justiz ist nicht bekannt, welche konkreten Fälle angesprochen werden. Ob eventuelle Sorgfaltspflichtverletzungen zu Schadenersatzansprüchen führen, wäre im Einzelfall von den Gerichten zu beurteilen.
Zu 9, 15 und 16:
Wie bereits dargestellt, wurden die Kriterien für eine Begrenzung der Mandatszahl im Gesetzgebungsverfahren für das GesRÄG 2005 ausführlich diskutiert. Eine noch stärkere Differenzierung – zB. nach der Größe der Gesellschaft oder nach dem Hauptberuf des Aufsichtsratsmitglieds – wurde nicht befürwortet.
Zu 11:
Wie schon dargestellt, sind Mandate innerhalb eines Konzerns anders zu werten als Mandate in verschiedenen, voneinander unabhängigen Unternehmen. Diese Wertung hat schließlich auch im GesRÄG 2005 in § 86 Abs. 3 AktG (Konzernprivileg) ihren Niederschlag gefunden.
. Juni 2009
(Mag. Claudia Bandion-Ortner)