1792/AB XXIV. GP
Eingelangt am 22.06.2009
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BM für Finanzen
Anfragebeantwortung
Frau Präsidentin
des Nationalrates
Mag. Barbara Prammer Wien, am Juni 2009
Parlament
1017 Wien GZ: BMF-310205/0086-I/4/2009
Sehr geehrte Frau Präsidentin!
Auf die schriftliche parlamentarische Anfrage Nr. 1791/J vom 22. April 2009 der Abgeordneten Mag. Dr. Martin Graf, Kolleginnen und Kollegen, beehre ich mich, Folgendes mitzuteilen:
Grundsätzlich ist festzuhalten, dass die Oesterreichische Nationalbank weisungsfrei ist und der Bundesminister für Finanzen daher keine rechtliche Möglichkeit hat, in die Geschäftspolitik der OeNB einzugreifen. Soweit die vorliegenden Fragen daher von der Oesterreichischen Nationalbank und ihren Organen zu verantwortende Entscheidungen ansprechen, werden somit keine in die Zuständigkeit des Bundesministeriums für Finanzen fallenden Angelegenheiten im Sinne des § 90 GOG angesprochen.
Darüber hinaus ist aus rechtlicher Sicht folgende Klarstellung zur Einleitung der Anfrage vorzunehmen: Das Zitat des Art. 44 der Satzung des Europäischen Systems der Zentralbanken (ESZB) ist unrichtig. Art. 44 bezieht sich nämlich auf bestimmte vorübergehende Aufgaben der EZB, die dieser als institutioneller Nachfolgerin des Europäischen Währungsinstituts zukommen, und ist für die Frage der Behandlung allenfalls entstehender EZB-Verluste nicht relevant. Gemeint sein dürfte vielmehr die Bestimmung des Art. 33 der ESZB-Satzung.
Art. 33.1 sieht bezüglich der Verteilung der Nettogewinne der EZB folgende Vorgangsweise vor:
a) Ein vom EZB-Rat zu bestimmender Betrag, der 20% des Nettogewinns nicht überschreiten darf, wird dem allgemeinen Reservefonds bis zu einer Obergrenze von 100% des Kapitals der EZB zugeführt.
b) der verbleibende Nettogewinn wird an die Anteilseigner der EZB entsprechend ihren eingezahlten Anteilen ausgeschüttet.
Art. 33.2 beinhaltet folgende Regelung:
Falls die EZB einen Verlust erwirtschaftet, kann der Fehlbetrag aus dem allgemeinen Reservefonds der EZB und erforderlichenfalls nach einem entsprechenden Beschluss des EZB-Rates aus den monetären Einkünften des betreffenden Geschäftsjahres im Verhältnis und bis in Höhe der Beiträge gezahlt werden, die nach Artikel 32.5 an die nationalen Zentralbanken verteilt werden.
Zu 1.:
Dem Bundesministerium für Finanzen liegen keine Informationen vor, wonach die OeNB Zahlungen in den allgemeinen Reservefonds der EZB geleistet hätte.
Zu 2.:
Damit das Eurosystem (EZB und nationale Zentralbanken in der WWU) die ihm übertragenen geldpolitischen Aufgaben im Rahmen der WWU erfüllen kann, hat die OeNB, so wie alle anderen Zentralbanken in der Wirtschafts- und Währungsunion, gemäß Art. 30 der ESZB-Satzung einmalig Anfang Jänner 1999 Währungsreserven im Euro-Gegenwert von € 1.180 Mio. (entsprechend ihrem damals gültigen gezeichneten EZB-Kapitalanteil von 2,3594%), die sich zu 85% aus Fremdwährungsbeständen und zu 15% aus Goldbeständen zusammensetzten, an die EZB übertragen. Im Zuge des Transfers von Währungsreserven an die EZB hat die OeNB in gleicher Höhe in ihrer Bilanz eine verzinste Euro-Forderung aus der Übertragung von Währungsreserven gegen die EZB eingestellt.
Zu 3.:
Im Rahmen der Übertragung der Währungsreserven an die EZB gemäß Art. 30 der ESZB-Satzung wurden einmalig Anfang Jänner 1999 (siehe auch Antwort zu Frage 2) Goldbestände der OeNB in Höhe von rund 22 Tonnen Gold an die EZB übertragen. Auch für diesen Transfer von Währungsreserven an die EZB hat die OeNB in entsprechender Höhe eine verzinste Euro-Forderung aus der Übertragung von Währungsreserven gegen die EZB eingestellt.
Zu 4., 5., 7. und 10.:
Da die EZB selbst keine Refinanzierungsgeschäfte durchführt, sind ihr auch keine Verluste aus Refinanzierungsgeschäften erwachsen und somit auch keine Zahlungen der OeNB an die EZB zur Abdeckung von Verlusten aus Refinanzierungsgeschäften erfolgt. Die nationalen Zentralbanken des Eurosystems sind für die Durchführung der gemeinsamen einheitlichen Geldpolitik des Eurosystems verantwortlich.
Zu 6.:
Etwaige Verluste der EZB werden in den veröffentlichten Jahresabschlüssen der EZB in der Gewinn- und Verlustrechnung (GuV) unter der Position 2.1 Realisierte Gewinne (Verluste) aus Finanzgeschäften ausgewiesen. Wertberichtigungen der EZB sind in GuV Position 2.2 Abschreibungen auf Finanzanlagen und -positionen ersichtlich.
Zu 8.:
Nur im Jahre 1999 wurden von der OeNB rund € 7 Mio., bedingt durch Anlaufverluste des Eurosystems, an die EZB geleistet.
Zu 9.:
Dem Bundesministerium für Finanzen liegen keine Informationen dafür vor, wonach die OeNB Verluste aus Refinanzierungsgeschäften hätte.
Zu 11. bis 14.:
Da die EZB selbst keine Offenmarkt- und Kreditgeschäfte durchführt, sind ihr auch keine Verluste aus Offenmarkt- und Kreditgeschäften erwachsen.
Die „Durchführung der Geldpolitik im Eurowährungsgebiet“ umfasst das allgemeine Regelwerk für die geldpolitischen Instrumente und Verfahren des Eurosystems. Siehe: http://www.ecb.int/pub/pdf/other/gendoc2008de.pdf
Die Durchführung von Spekulationsgeschäften ist darin nicht vorgesehen, weshalb der OeNB aus solchen Geschäften keine Verluste erwachsen sind.
Im Herbst 2008 ist es im Zuge von geldpolitischen Operationen zu einigen Fällen einer Nichterfüllung durch Geschäftspartner anderer nationaler Zentralbanken des Eurosystems gekommen. Die daraufhin eingeleitete Sicherheitenverwertung gestaltet sich im Hinblick auf die derzeitigen außergewöhnlichen Marktbedingungen schwierig.
Da letztendlich eintretende Ausfälle für das Eurosystem unter den nationalen Zentralbanken des Eurosystems im Verhältnis zu den jeweiligen Anteilen dieser Zentralbanken am Kapital der EZB aufgeteilt werden würden, hat der EZB-Rat beschlossen, dass die nationalen Zentralbanken für das Jahr 2008 eine Rückstellung in entsprechender Höhe zu bilden haben. Von der insgesamt zu bildenden Rückstellung in Höhe von € 5,7 Mrd. entfallen auf die OeNB rund € 166 Mio.. Nähere Details finden sich in der Pressemitteilung der EZB: http://www.ecb.int/press/pr/date/2009/html/pr090305_2.en.html.
Zu 15. und 16.:
Von der so genannten „Nachschusspflicht“ („further calls“ in Bezug auf Kapital oder Währungsreserven gemäß Artikel 28.1 und 30.1 der ESZB-Satzung) der OeNB an die EZB wurde bisher nie Gebrauch gemacht.
Zu 17. und 18.:
Da die EZB selbst keine Refinanzierungsgeschäfte durchführt, sind ihr auch keine Verluste aus Refinanzierungsgeschäften erwachsen und daher besteht keinerlei Zusammenhang zu den Mitteln der Nationalstiftung für Forschung, Technologie und Entwicklung (FTE-Nationalstiftung).
Es erfolgte keine Streichung der Mittel an die FTE-Nationalstiftung. Die erwirtschafteten Erträge für das Geschäftsjahr 2008 aus den gesetzlich gewidmeten Mitteln der FTE-Nationalstiftung werden gemäß Beschluss der Generalversammlung ausgezahlt, welche am 26. Mai 2009 getagt hat.
Zu 19. und 20.:
Über die Zahl der bei der EZB derzeit beschäftigten Österreicherinnen und Österreicher kann die OeNB keine Angaben machen, da die EZB in ihrer Personalpolitik völlig autonom und der OeNB gegenüber weder auskunfts- noch berichtspflichtig ist. Die EZB ist bei Personalaufnahmen auch nicht auf Personal aus dem Stand der nationalen Zentralbanken der ESZB beschränkt. Sie kann Dienstnehmerinnen und Dienstnehmer mit österreichischer Staatsbürgerschaft direkt und ohne Involvierung der OeNB rekrutieren, was in der Vergangenheit schon mehrfach praktiziert wurde.
Ferner veröffentlicht die EZB, soweit dem Bundesministerium für Finanzen bekannt, auch keine Angaben über die Staatsangehörigkeit ihrer Beschäftigten.
Zu 21. und 22.:
Dem Bundesministerium für Finanzen liegen keine Informationen vor, die über die im Geschäftsbericht der EZB veröffentlichen Informationen hinausgehen.
Mit freundlichen Grüßen