1842/AB XXIV. GP
Eingelangt am 23.06.2009
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BM für Justiz
Anfragebeantwortung

DIE
BUNDESMINISTERIN
FÜR
JUSTIZ
BMJ-Pr7000/0131-Pr 1/2009
An die
Frau Präsidentin des Nationalrates
W i e n
zur Zahl 1815/J-NR/2009
Die Abgeordneten zum Nationalrat Mag. Johann Maier und GenossInnen haben an mich eine schriftliche Anfrage betreffend „Doping – Angeordnete und genehmigte Ermittlungen nach dem ADBG – Ermittlungsergebnisse 2008“ gerichtet.
Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:
Zu 1 bis 5:
Es wurde mir über einen Fall aus Oberösterreich wegen § 84a Abs. 1 Z 3 Arzneimittelgesetz berichtet, in dem eine in der Frage 1 genannte Anordnung der Staatsanwaltschaft erlassen wurde. In einem weiteren Fall aus Oberösterreich wurde laut mir vorliegenden Berichten eine Bewilligung nach § 117 Z 2 StPO erteilt. Gegen zwei Beschuldigte wurde Strafantrag erhoben.
Ich ersuche um Verständnis, dass ich Fragen zu Ergebnissen von Ermittlungsverfahren, die gemäß § 12 StPO nicht öffentlich sind, nicht beantworten kann, weil dadurch Rechte der Verfahrensbeteiligten verletzt werden könnten und - soweit laufende Verfahren betroffen sind - der Ermittlungserfolg gefährdet sein könnte.
Zu 6:
Die Voraussetzungen der verdeckten Ermittlung bzw. des Scheinkaufs ergeben sich aus den §§ 131 und 132 StPO. Eine verdeckte Ermittlung gemäß § 131 Abs. 2 StPO wäre demnach für die Aufklärung des Verdachts einer Straftat nach § 22a Abs. 4 oder 5 Anti-Doping-Bundesgesetz 2007 zulässig, wobei allerdings hinzuzufügen ist, dass die Bestimmung des § 22a Abs. 5 mangels Erlassung der in Abs. 7 dieses Gesetzes erwähnten Grenzmengenverordnung nicht anwendbar ist.
Die Durchführung eines Scheingeschäftes im Sinne von § 132 StPO wäre dann zulässig, wenn die Sicherstellung von in der Verbotsliste genannten Substanzen, die von der Einziehung bedroht sind, anderenfalls wesentlich erschwert wäre (siehe dazu auch die Definition in § 129 Z 3 StPO).
Zu 7, 9 und 11:
Aus Sicht des Bundesministeriums für Justiz kann ein Informationsaustausch derzeit lediglich im Wege der Akteneinsicht erfolgen, über die von den zuständigen Staatsanwaltschaften oder Gerichten zu entscheiden ist. Ein Informationsaustausch zwischen BMJ und NADA bedürfte einer besonderen gesetzlichen Grundlage.
Unabhängig davon, dass die NADA grundsätzlich keine Opfer- oder sonstigen Beteiligtenrechte in Strafverfahren wegen Verstößen gegen das Anti-Doping-Bundesgesetz 2007 nach den Bestimmungen der §§ 65 Z 1 lit. c und 67 StPO wahrnehmen kann (siehe dazu OLG Wien vom 24.4.2009, 20 Bs 141/09w) und ihr gegenüber auch keine Verpflichtung zur Amtshilfe besteht, kann sie (bzw. die bei ihr eingerichtete Rechtskommission) ihr Begehren auf Akteneinsicht auf ein rechtliches Interesse im Sinne des § 77 Abs. 1 StPO stützen. Nach dieser Bestimmung haben die Staatsanwaltschaften und Gerichte im Fall eines begründeten rechtlichen Interesses Einsicht in die ihnen vorliegenden Ergebnisse eines Ermittlungs- oder Hauptverfahrens zu gewähren, soweit diesem Interesse nicht überwiegende öffentliche oder private Interessen entgegenstehen.
In Verfahren wegen § 22a des Anti-Doping-Bundesgesetzes 2007 (bzw. der am 9.8. 2008 außer Kraft getretenen Strafbestimmung des § 84a iVm § 5a des Arzneimittelgesetzes) und in Verfahren wegen Straftaten im Zusammenhang mit Verstößen gegen das Anti-Doping-Bundesgesetz (etwa wegen §§ 146 ff. StGB) gründet sich das rechtliche Interesse auf die gesetzliche Übertragung von Kontroll- und Disziplinaraufgaben an die NADA (siehe oben; § 4 Anti-Doping Bundesgesetz 2007). Im Fall des Verdachts gegen Sportler, zu Zwecken des Dopings im Sport verbotene Wirkstoffe oder verbotene Methoden (siehe dazu § 22a Abs. 1 Z 1 und 2, Abs. 2 Anti-Doping-Bundesgesetz 2007) in Verkehr gesetzt oder besessen bzw. angewandt zu haben und einer hinreichenden Konkretisierung im Antrag, aus welchen Gründen solche Verdachtsmomente durch Informationen aus einem Ermittlungsverfahren bestärkt oder entkräftet werden können, wird ein begründetes rechtliches Interesse der NADA zur Akteneinsicht, um die Einleitung von Kontrolle- und Disziplinarverfahren prüfen und solche effektiv durchführen zu können, nicht zu bestreiten sein.
Im Einzelfall ist eine Interessensabwägung vorzunehmen. Bei dieser Abwägung wird zwischen den Rechten des Beschuldigten und der des Dopings belasteten Athleten sowie einer möglichen Gefährdung des Ermittlungszwecks einerseits und den übertragenen Verpflichtungen der NADA andererseits abzuwägen sein.
Im Hinblick auf die Rechte und Pflichten von Athleten, nämlich unter anderem keine verbotenen Substanzen in ihr Körpergewebe oder in ihre Körperflüssigkeit gelangen zu lassen und keine verbotenen Methoden anzuwenden, bei den Dopingkontrollen gemäß den gültigen internationalen Standard mitzuwirken, die jeweils geltenden Meldepflichtbestimmungen zu erfüllen und kein „vorbelastetes“ Betreuungspersonal einzusetzen, scheint im Fall eines hinreichend konkreten Verdachts eines Verstoßes gegen diese Pflichten im Regelfall jedoch kein überwiegendes privates Interesse des betroffenen Athleten an der Geheimhaltung gegenüber der NADA zu bestehen, zumal gemäß § 4 Abs. 5 Anti-Doping-Bundesgesetz 2007 auch die Organe sowie die Mitarbeiter der Unabhängigen Dopingkontrolleinrichtung und Mitglieder des Kontrollteams (§ 11 Abs. 2 leg. cit.) zur Verschwiegenheit über ihre Tätigkeit verpflichtet sind. Schutzwürdige Interessen des Betroffenen werden insbesondere dann nicht anzunehmen sein, wenn ein Geständnis des unerlaubten Dopings vorliegt. Der mögliche Verlust von Sponsorverträgen und die Gefahr der Beeinträchtigung des weiteren beruflichen Fortkommens können für sich genommen die Verweigerung der Akteneinsicht nicht begründen, weil ja die NADA bzw. die bei ihr eingerichtete Rechtskommission allfällige Maßnahmen und Sanktionen nur nach Durchführung eines Verfahrens anordnen darf, in dem der betroffene Athlet rechtliches Gehör und entsprechende Mitwirkungs- bzw. Verteidigungsrechte hat.
Ein Erlass, in dem diese Rechtsansicht ausgeführt wird, wird in den nächsten Tagen allen Staatsanwaltschaften und Gerichten übermittelt werden.
(Auch) die Kooperation mit den in Frage 11 angeführten weiteren Stellen erfolgt grundsätzlich im Rahmen des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens, also in erster Linie über Zusammenarbeit mit dem Bundeskriminalamt; nach Berichterstattung durch die Kriminalpolizei ergehen Aufträge und Anordnungen der Staatsanwaltschaft und es werden Vernehmungen von Beschuldigten und Zeugen teils getrennt, teils gemeinsam durchgeführt. Vom Bundesministerium für Gesundheit (AGES) wurden Proben überprüft. Die NADA Austria GmbH hat wiederholt Informationen und Ergebnisse von Dopingtests an die zuständige Staatsanwaltschaft übermittelt. Eine Änderung bei der Zusammenarbeit zwischen den genannten Institutionen für das Jahr 2009 steht nicht zur Diskussion.
Zu 8 und 12:
Der Straftatbestand in § 22a ADBG ist grundsätzlich ausreichend, wie auch die laufenden Ermittlungsverfahren belegen.
Sinnvoll wäre es allerdings, wenn anstatt auf das UNESCO-Übereinkommen (BGBl III Nr. 108/2007) auf das Europarats-Übereinkommen (BGBl. Nr. 451/1991) verwiesen würde, weil nur zu letzterem regelmäßig die aktuelle Verbotsliste im Bundesgesetzblatt kundgemacht wird (zuletzt Verbotsliste 2009 in BGBl. III Nr. 3/2009).
Nicht erforderlich scheint es, die Werbung für Dopingprodukte gesondert unter Strafe zu stellen. Einerseits wäre dies grundsätzlich überschießend; andererseits würde damit gerade mit Blick auf das Internet wenig gewonnen, weil die Erfahrung zeigt, dass im Internet veröffentlichte Inhalte selbst soweit bereits eine Strafbarkeit besteht (zB Kinderpornografie, NS-Propaganda, …) in der Praxis kaum erfolgversprechend verfolgt werden können, weil praktische Hürden kaum überwunden werden können (Verantwortliche unbekannt oder im Ausland, Provider im Ausland, Provider wird häufig gewechselt, …).
Das Anbieten von Wirkstoffen könnte als versuchtes Inverkehrsetzen (§ 22a ADBG in Verbindung mit § 15 StGB) beurteilt werden, wenn die in § 15 Abs. 2 StGB angeführten Voraussetzungen erfüllt sind.
Zu 10:
Ich möchte in dieser Frage den zuständigen Bundesminister für Landesverteidigung und Sport nicht präjudizieren; nach den mir vorliegenden Informationen nützt die NADA schon derzeit das jedermann zustehende Anzeigerecht gemäß § 80 Abs. 1 StPO, sodass die Verankerung einer Anzeigepflicht wohl nur klarstellende Wirkung hätte.
Zu 13 und 14:
Wie bereits in der Beantwortung der Anfrage 844/J-NR/2009 (zu Fragen 53 und 54) ausgeführt, fällt die Beurteilung des WADA-Codes nicht in meinen Zuständigkeitsbereich.
Zu 15:
Soweit mir berichtet wurde, sind den Anklagebehörden keine von der Frage 15 erfassten Todesfälle bekannt geworden.
. Juni 2009
(Mag. Claudia Bandion-Ortner)