201/AB XXIV. GP
Eingelangt am 09.01.2009
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BM für Finanzen
Anfragebeantwortung
Frau Präsidentin
des Nationalrates
Mag. Barbara Prammer Wien, am Jänner 2009
Parlament
1017 Wien GZ: BMF-310205/0149-I/4/2008
Sehr geehrte Frau Präsidentin!
Auf die an meinen Amtsvorgänger gerichtete schriftliche parlamentarische Anfrage Nr.132/J vom 11. November 2008 der Abgeordneten Dr. Gabriele Moser, Kolleginnen und Kollegen, betreffend Entwicklung des Flugverkehrs und Verkauf der AUA, beehre ich mich Folgendes mitzuteilen:
Vorerst wird darauf hingewiesen, dass sich die vorliegende Anfrage überwiegend auf Angelegenheiten bezieht, die nicht Gegenstand der Vollziehung durch das Bundesministerium für Finanzen sind. Vom Bundesministerium für Finanzen werden ausschließlich die Rechte der Republik Österreich als Alleineigentümerin der Österreichische Industrieholding AG (ÖIAG) in der Hauptversammlung wahrgenommen. Dabei hat das Bundesministerium für Finanzen nach der bestehenden Gesetzeslage keine Möglichkeit, Entscheidungen von Organen der ÖIAG bzw. der Austrian Airlines AG (AUA) als einer zu 41,56 % im Eigentum der ÖIAG stehenden Gesellschaft zu beeinflussen.
Die vorliegenden Fragen betreffen überwiegend Entscheidungen von Organen der ÖIAG bzw. der AUA und somit keine in die Zuständigkeit des Bundesministeriums für Finanzen fallenden Gegenstände der Vollziehung, insbesondere auch keine Angelegenheiten der Verwaltung des Bundes als Träger von Privatrechten, und sind somit von dem im § 90 GOG 1975 determinierten Fragerecht nicht erfasst.
Zu 1. bis 5:
Die Bestellung zum Bundesminister für Finanzen erfolgte am 2. Dezember 2008. Allein aus diesem Umstand ergibt sich, dass mir das Gutachten des Beratungsbüros Roland Berger nicht bekannt war.
Zu 6. bis 8.:
Bei diesen Fragen handelt es sich um Angelegenheiten, die nicht in den Vollziehungsbereich des Bundesministeriums für Finanzen fallen. Zu den Fragen 7. und 8. wird auf die Beantwortung der Anfrage Nr. 131/J durch die Frau Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie verwiesen.
Zu 9. und 10.:
Die AUA hat in den vergangenen Jahren aktiv an der Fortführung des Unternehmens gearbeitet. Das positive Jahresergebnis 2007 war ein Zeichen dafür, dass es auch in einem schwierigen Umfeld möglich ist, positive Zahlen zu schreiben. Allerdings hat sich das Umfeld bereits in den ersten Monaten des Jahres 2008 erneut deutlich verschlechtert. Vor allem der hohe Kerosinpreis war für eine Airline in der Größe der AUA kaum zu verkraften. Hinzu kam bereits in den ersten Monaten des Jahres 2008 eine weltweite Konjunkturverlangsamung, die zu einem geringeren Wachstum des Reiseverkehrs insgesamt führte. Da bereits zum damaligen Zeitpunkt keine Verbesserung des Umfelds in Sicht war, bestand dringender Handlungsbedarf, um die Zukunft von AUA abzusichern. Nach eingehender Analyse ist der Aufsichtsrat der ÖIAG zu dem Schluss gelangt, dass AUA ihre Stärken – insbesondere die erfolgreiche Position in Osteuropa sowie im nahen und mittleren Osten – nur gemeinsam mit einem strategischen Partner weiter ausbauen kann, während im zuletzt deutlich verschlechterten Branchenumfeld die Variante einer Stand-Alone-Lösung mit einem drastischen Maßnahmenpaket verbunden wäre.
Mit Beschluss des Ministerrates vom 12. August 2008 wurde die ÖIAG ermächtigt, die AUA bei Erhaltung einer österreichischen Kernaktionärsstruktur von 25 % + 1 Aktie zu privatisieren. In der Folge wurde dieser Privatisierungsauftrag mit Ministerratsbeschluss vom 29. Oktober 2008 bis 31. Dezember 2008 verlängert. In Erfüllung des Privatisierungsauftrages der Bundesregierung hat die ÖIAG den Verkauf der von ihr gehaltenen Anteile von AUA an die Lufthansa am 5. Dezember 2008 finalisiert.
Da die AUA durch eine sehr hohe Verschuldung belastet ist und die Restrukturierung der AUA - insbesondere im Lichte der gegenwärtig negativen wirtschaftlichen Entwicklung - eine substantielle operative Herausforderung darstellt, verlangt Lufthansa für die Übernahme der AUA im Gegenzug einen Zuschuss in Höhe von 500 Millionen Euro zur Stärkung der Eigenkapitalbasis der AUA, wobei sich Lufthansa verpflichtet, diese Mittel zur Gänze der AUA zuzuführen.
Der geforderte Zuschuss durch die ÖIAG stellt gemäß Art. 88 Abs. 3 EG-Vertrag eine notifizierungspflichtige Beihilfe dar und muss vor seiner Leistung auf Grundlage der Restrukturierungsleitlinien der Europäischen Kommission von dieser genehmigt werden. Eine Genehmigung des Zuschusses kann nach ersten Gesprächen mit der Europäischen Kommission aus heutiger Sicht im ersten Halbjahr 2009 erwartet werden. Erst nach Erteilung dieser Genehmigung kann eine Übertragung der AUA-Anteile an Lufthansa erfolgen und Lufthansa Einfluss auf die operative Führung der AUA nehmen. Daher stellt die Erteilung der Genehmigung des Zuschusses für Lufthansa eine Bedingung für die Erfüllung des Vertrages dar.
Angesichts der angespannten Liquiditätssituation der AUA, welche die Dringlichkeit des Handlungsbedarfs hinsichtlich einer Neuorientierung unterstreicht, ist es für die Dauer des Beihilfeverfahrens und somit bis zur Übernahme durch Lufthansa erforderlich, der AUA eine Überbrückungsfinanzierung in Höhe von bis zu 200 Millionen Euro bereit zu stellen. Die Restrukturierungsleitlinien der Europäischen Kommission sehen vor, dass eine solche Überbrückungsfinanzierung für die AUA zu Marktkonditionen gewährt werden kann und von der AUA zurückzuzahlen ist, sobald die Genehmigung der Restrukturierungsbeihilfe erteilt wird.
Vor dem Hintergrund der anhaltend negativen Konjunkturaussichten und sowie der extremen Volatilität der Rohstoff- und Finanzmärkte musste die Ergebniserwartung der AUA im Laufe des Geschäftsjahres 2008 bereits mehrmals nach unten korrigiert werden. Ohne umfangreiche Restrukturierungsmaßnahmen bzw. ohne eine Übernahme durch einen strategischen Partner kann die AUA keinen werthaltigen Businessplan darstellen. Wenn ein Insolvenzszenario vermieden werden soll, wäre, auch unabhängig von einer Transaktion mit Lufthansa, die Leistung einer staatlichen Beihilfe dringend erforderlich.
Auf Basis der geltenden rechtlichen Bestimmungen ist die ÖIAG nicht in der Lage, einen Zuschuss zur Umsetzung eines Privatisierungsauftrages zu leisten. Weiters hat sich die Bundesregierung mit Ministerrats-Beschluss vom 29. Oktober 2008 vorbehalten, einen Zuschuss bis zu einer maximalen Höhe von 500 Millionen Euro noch zu genehmigen.
Der Aufsichtsrat der ÖIAG hat die Transaktion mit der Lufthansa unter folgenden Bedingungen genehmigt:
- Die Leistung des Zuschusses kann erst nach Inkrafttreten einer gesetzlichen Regelung erfolgen, welche die ÖIAG zu unterstützenden Maßnahmen zur Standortsicherung von AUA in Höhe von 500 Millionen Euro durch einen entsprechenden Beschluss der Bundesregierung ermächtigt.
- Die Einräumung einer Überbrückungsfinanzierung oder einer ähnlichen Maßnahme zugunsten der AUA in Höhe von bis zu 200 Millionen Euro unter sinngemäßer Anwendung des § 9 Abs. 5 ÖIAG-Gesetz 2000, in dem die Förderung des Geschäftsbetriebs von Beteiligungsgesellschaften normiert ist, i.V.m. dem laufenden Privatisierungsauftrag, ist durch einen Beschluss der Hauptversammlung, der die zugrundeliegende Interpretation des Aufsichtsrates der ÖIAG bestätigt, bedingt.
Zur Unterstützung eines erfolgreichen Abschlusses des Privatisierungsprozesses im Interesse Österreichs soll der ÖIAG daher die Leistung eines Zuschusses in Höhe von 500 Millionen Euro unter Schaffung der hiefür erforderlichen Rechtsgrundlage sowie die Bereitstellung einer Überbrückungsfinanzierung für die AUA in Höhe von bis zu 200 Millionen Euro ermöglicht werden.
Der Ministerrat hat am 16. Dezember 2008 beschlossen,
- einen Zuschuss der ÖIAG in Höhe von 500 Millionen Euro zur Standortsicherung der Austrian Airlines AG entsprechend dem Akquisitionskonzept der Deutsche Lufthansa AG zu genehmigen;
-
der Einräumung einer Überbrückungsfinanzierung
oder einer ähnlichen Maßnahme zugunsten der AUA durch die ÖIAG
in Höhe von bis zu 200 Millionen Euro gemäß
§ 9 Abs. 5 ÖIAG-Gesetz 2000 durch Hauptversammlungsbeschluss
zuzustimmen;
- den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Bundesgesetz über die Übertragung von Bundesbeteiligungen in das Eigentum der ÖIAG geändert wird, dem Nationalrat zur verfassungsmäßigen Behandlung vorzulegen.
Die für die Zuschussleistung und die Einräumung einer Überbrückungsfinanzierung gemäß Art. 88 Abs. 3 EG-Vertrag erforderliche Notifizierung bei der Europäischen Kommission erfolgte anschließend an den Ministerratsbeschluss vom 16. Dezember 2008.
Der für die Einräumung einer Überbrückungsfinanzierung vorgesehene Beschluss der Hauptversammlung erfolgte am 17. Dezember 2008.
Das Bundesministerium für
Finanzen geht davon aus, dass neben der Schaffung der erforderlichen
Rechtsgrundlage aufgrund der vom Ministerrat bereits beschlossenen
Regierungsvorlage die Genehmigung durch die Europäische Kommission im
ersten
Halbjahr 2009 erteilt und damit der Verkaufsprozess erfolgreich abgeschlossen
wird.
Zu 11. bis 13.:
Gemäß § 75 AktG fällt der Abschluss von Vorstandsverträgen in die ausschließliche Zuständigkeit des Aufsichtsrates einer Gesellschaft und betrifft somit keinen in die Zuständigkeit des Bundesministeriums für Finanzen fallenden Gegenstand der Vollziehung.
Zu 14. und 15.:
Wie die ÖIAG versichert hat, wurde der Verkaufsprozess in einem offenen, transparenten und fairen Verfahren abgewickelt. Es liegen dem Bundesministerium für Finanzen keinerlei Anhaltspunkte vor, die Anlass zu irgendwelchen Maßnahmen gegen die genannten Unternehmensorgane geben würden.
Mit freundlichen Grüßen