2043/AB XXIV. GP

Eingelangt am 10.07.2009
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

BM für Gesundheit

Anfragebeantwortung

 

Frau

Präsidentin des Nationalrates

Maga. Barbara Prammer

Parlament

1017 Wien

Alois Stöger diplô

Bundesminister

 

 

Wien, am 8. Juli 2009

GZ: BMG-11001/0153-I/5/2009

 

 

 

Sehr geehrte Frau Präsidentin!

 

Ich beantworte die an mich gerichtete schriftliche parlamentarische Anfrage Nr. 2055/J der Abgeordneten Dr. Karlsböck und weiterer Abgeordneter nach den mir vorliegenden Informationen wie folgt:

 

Zunächst ist allgemein der in der Präambel der gegenständlichen Anfrage aufgestellten Behauptung, bei den Selbstbehalten gebe es für sozial Schwächere keine Befreiung und auch eine soziale Staffelung bezüglich der Höhe der Selbstbehalte sei nicht vorgesehen, Folgendes entgegen zu halten:

 

Im Falle der sozialen Schutzbedürftigkeit von Versicherten gibt es eine Reihe von Nachsichts- und Befreiungsmöglichkeiten. Von der Entrichtung der Rezeptgebühr etwa sind bestimmte Personengruppen (z.B. BezieherInnen einer Ausgleichszulage) schon kraft Gesetzes ausgenommen. Darüber hinaus besteht auch die Möglichkeit der Befreiung von der Verpflichtung zur Entrichtung der Rezeptgebühr auf Antrag, wenn bestimmte Einkommensgrenzen nicht überschritten werden. Schließlich ist seit dem 1.1.2008 Rezeptgebühr innerhalb eines Jahres nur mehr bis zur Obergrenze von 2% des Jahresnettoeinkommens zu entrichten.

 

Die Befreiung von der Bezahlung der Rezeptgebühr (mit Ausnahme jener wegen Erreichung der 2%-Einkommensgrenze) bewirkt auch einen Entfall von Selbstbehalten bei Heilbehelfen und Hilfsmitteln sowie bei Transportkosten.

 

Die Zuzahlungen bei Kur- und Erholungsaufenthalten sind nach den Einkommensverhältnissen gestaffelt und entfallen ebenfalls bei Befreiung von der Rezeptgebühr. Diese Befreiungsmöglichkeiten gelten auch bei Rehabilitationsaufenthalten.

 

Zu guter Letzt können auch Zuwendungen aus den Mitteln der bei den Versicherungsträgern eingerichteten Unterstützungsfonds nach den vom Vorstand des jeweiligen Versicherungsträgers erlassenen Richtlinien gewährt werden. Es handelt sich hiebei um freiwillige Leistungen des Trägers, welche in Fällen besonderer sozialer Schutzbedürftigkeit, insbesondere in Berücksichtigung der Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse der betroffenen Personen erbracht werden. Damit hat der Gesetzgeber der Selbstverwaltung ein Instrument in die Hand gegeben, um - abseits strenger gesetzlicher Determinierung - im Einzelfall (etwa im Fall der Zahnbehandlung, der Kieferregulierung oder des Zahnersatzes, zur Abdeckung des Selbstbehaltes bei Anstaltspflege, bei der Finanzierung von  Hilfsmitteln oder zur Übernahme des Kostenanteils bei Krankentransporten) helfend eingreifen zu können.

 

Die eingangs zitierte Behauptung der anfragenden Abgeordneten ist daher unzutreffend.

 

Die Versicherungsanstalt für Eisenbahnen und Bergbau hat folgende Stellungnahme abgegeben:

 

Frage 1:

Behandlungsbeiträge

§ 18. (1) VAEB-Satzung 2009:
Bei Inanspruchnahme ärztlicher Hilfe ist ein Behandlungsbeitrag in folgender Höhe zu entrichten:

1.      bei Inanspruchnahme eines Arztes/einer Ärztin für Allgemeinmedizin, eines Vertragsfacharztes/einer Vertragsfachärztin oder einer Vertrags-Gruppenpraxis 14% des jeweiligen Vertragstarifes für die Grundleistung (Ordination, Krankenbesuch) ohne Berücksichtigung von Zuschlägen;

2.      bei Inanspruchnahme der ausführlichen therapeutischen Aussprache bei Vertragsärzten/Vertragsärztinnen oder Vertrags-Gruppenpraxen 14% des jeweiligen Vertragstarifes;

3.      bei Inanspruchnahme von psychotherapeutischen Leistungen bei berechtigten Vertragsärzten/Vertragsärztinnen oder Vertrags-Gruppenpraxen 14% des jeweiligen Vertragstarifes;

4.      bei Inanspruchnahme physikalischer Behandlungen bei Vertragsfachärzten/Vertragsfachärztinnen, Vertrags-Gruppenpraxen, bei freiberuflich tätigen Vertragsphysiotherapeuten/Vertragsphysiotherapeutinnen, in Vertragseinrichtungen (ausgenommen Ambulanzen in öffentlichen Krankenanstalten mit Pauschalabgeltung) oder in eigenen Einrichtungen 14% des jeweiligen Vertragstarifes, und zwar unbeschadet eines gemäß Z 1 zu entrichtenden Behandlungsbeitrages;

5.      bei Inanspruchnahme logopädisch-phoniatrisch-audiologischer, ergotherapeutischer Behandlung bei freiberuflich tätigen Vertragslogopäden/Vertragslogopädinnen, Vertragsergotherapeuten/Vertragsergotherapeutinnen und in Vertragseinrichtungen 14% des jeweiligen Vertragstarifes;

6.      bei Inanspruchnahme psychotherapeutischer und psychologisch-diagnostischer Behandlung bei freiberuflich tätigen Vertragspsychotherapeuten/Vertragspsychotherapeutinnen und klinischen Vertragspsychologen/Vertragspsychologinnen und in Vertragseinrichtungen 20% des jeweiligen Vertragstarifes;

7.      bei Inanspruchnahme eines psychosomatisch orientierten Diagnose- und Behandlungsgespräches bei berechtigten Vertragsärzten/Vertragsärtzinnen oder Vertrags-Gruppenpraxen 14% des jeweiligen Vertragstarifes;

8.      bei Inanspruchnahme eines bildgebenden Diagnoseverfahrens (z. B. Röntgen, Sonographie, Computertomographie, Magnetresonanztomographie) Laboruntersuchungen, sowie allen Sonderleistungen gemäß Abschnitt A. III bis A. VIII, A. IX (Positionsgruppe 35 und 37) sowie A. X und den Operationsleistungen gemäß Abschnitt B der Honorarordnung 14% des jeweiligen Vertragstarifes.


§ 22. (3) VAEB-Satzung 2009:
Für jede Inanspruchnahme eines Vertragszahnarztes/einer Vertragszahnärztin, eines Vertragsdentisten/einer Vertragsdentistin, einer Vertrags-Gruppenpraxis, einer Vertragseinrichtung oder einer eigenen Einrichtung ist für konservierende und chirurgische Zahnbehandlung ein Behandlungsbeitrag in der Höhe von 20% des jeweils geltenden Vertragstarifes zu entrichten.

§ 23. (4) VAEB-Satzung 2009:
Für Kieferregulierungen und Reparaturen ist ein Behandlungsbeitrag von 30% des jeweils geltenden Vertragstarifes zu entrichten.

§ 24. (1) VAEB-Satzung 2009:
Bei Inanspruchnahme eines abnehmbaren Zahnersatzes ist ein Behandlungsbeitrag wie folgt zu entrichten:

Für Kunststoffprothesen und deren Reparaturen                                                                   30%

Für Metallgerüstprothesen einschließlich fortgesetzter Klammer, Aufruhen, Zahnklammern und die erforderlichen Zähne sowie deren Reparaturen                                                        30%

Für Vollmetallkronen an Klammerzähnen und Verblendmetall-Keramikkronen bei Teilprothesen                    30%

der mit den Vertragszahnbehandlern/Vertragszahnbehandlerinnen (Vertragseinrichtungen, Vertrags-Gruppenpraxen) jeweils vereinbarten Tarife.


Rezeptgebühren

Höhe der Rezeptgebühr                                                         €      4,90


Zuzahlungen bei Kur- und REHAB-Aufenthalten

Höhe der Zuzahlungen pro Verpflegstag:

a)      Maßnahmen der Rehabilitation                               €      7,00

b)     Maßnahmen der Festigung der Gesundheit und der
Gesundheitsvorsorge
monatliches Bruttoeinkommen bis € 1.353,78     €      7,00
monatliches Bruttoeinkommen über € 1.353,78
bis € 1.935,17                                                              €    12,38
monatliches Bruttoeinkommen über € 1.935,17  €    17,81


Selbstbehalte bei Heilbehelfen

Der Kostenanteil des Versicherten beträgt

a)      bei Heilbehelfen und Hilfsmitteln mindestens      €    26,80

b)     bei Sehbehelfen mindestens                                    €    80,40

 

Frage 2:
Behandlungsbeiträge                                                             € 17.631.031,21
Rezeptgebühren                                                                     € 17.028.396,26
Zuzahlungen bei Kur-Aufenthalten                                     €   1.377.545,38
Zuzahlungen bei REHAB-Aufenthalten                               €      282.677,80
Selbstbehalte bei Heilbehelfen (lt. FOKO für Leistungszeitraum 2008)                                                                                                                                                                                                                      €      807.950,30
Gesamtsumme                                                                       € 37.127.600,95


Frage 3:

Die VAEB hat gegenwärtig offene Forderungen für vorgeschriebene Selbstbehalte in Höhe von rund € 130.000,-.

Frage 4:

Die Einhebung der Krankenversicherungs-Kostenbeteiligungen der VAEB verursachte im Jahr 2008 direkte Kosten in Höhe von € 638.120,15.

Frage 5:

Hier ist insbesondere die Studie "Selbstbeteiligung - internationaler Vergleich und Implikationen für Österreich" des Österreichischen Institutes für Gesundheitswesen/ÖBIG aus dem Jahre 2003 zu erwähnen, die in ausführlicher Weise Selbstbehalte als Thema, als Instrument, als Finanzierungschance, Regulierungsform und Ähnliches abhandelt und dabei internationale Darstellungen mit einbezieht.

Betreffend die Aussage "Bei den Selbstbehalten gibt es für sozial Schwächere keine Befreiung, auch eine soziale Staffelung bezüglich der Höhe der Selbstbehalte ist nicht vorgesehen" weisen wir darauf hin, dass die Befreiung von der Entrichtung des Behandlungsbeitrages, der Rezeptgebühr und anderer Kostenbeteiligungen für Personen vorgesehen ist, bei denen die besondere soziale Schutzbedürftigkeit festgestellt wurde. Mittels dieser Befreiungen kann die VAEB die individuellen wirtschaftlichen Bedürfnisse der schutzwürdigen Anspruchsberechtigten konkret berücksichtigen.

Darüber hinaus refundiert die VAEB mehr als 1,1 Millionen Euro an Behandlungsbeiträgen und entlastet durch dieses innovative Projekt sozial Schwächere:

Bereits im Dezember 2007 hat der Vorstand der Versicherungsanstalt für Eisenbahnen und Bergbau beschlossen, dass Versicherte, die die Rezeptgebührenobergrenze überschreiten, nach Beschluss des Vorstandes für das abgelaufene Kalenderjahr einen Teil ihrer Behandlungsbeiträge rückerstattet bekommen. Damit sollen sozial Schwächere geschützt und eine neue soziale Gerechtigkeit bei den Behandlungsbeiträgen eingeführt werden.

Der VAEB-Vorstand hat am 6.5.2009 zum ersten Mal über die Rückerstattung von Behandlungsbeiträgen abgestimmt und das mit Erfolg für viele Versicherte. Insgesamt wird die VAEB ab 26. Mai 2009 eine Summe von 1,133.281,54 Euro an Behandlungsbeiträgen rückerstatten. Mehr als 10.000 Versicherte werden damit einen Teil ihrer Beträge gestaffelt nach Höhe der geleisteten Beiträge zurückerhalten.

Befreiung der Kinder von Behandlungsbeiträgen:

Aufgrund von familienpolitischen und sozialpolitischen Überlegungen hat sich die VAEB schon im Jahr 1995 dazu entschlossen, Kinder von der Entrichtung von Behandlungsbeiträgen zu befreien. Voraussetzung ist, dass die/der Versicherte die monatliche Höchstbeitragsgrundlage im vorangegangenen Kalenderjahr nicht überschreitet.
Diese Befreiung wurde über die Jahre hinweg immer wieder verlängert und wird auch für Leistungen, die Kinder im Jahr 2009 in Anspruch nehmen, bestehen bleiben.

Eine weitere neue Leistung der VAEB ab dem Jahr 2009 ist das Projekt „Best Price Euro“:

Medikamente unterliegen einem Patentschutz, der zeitlich begrenzt ist. Nach Ablauf dieses Patentrechtes kommen qualitativ gleichwertige, aber kostengünstigere Nachfolgepräparate auf den Markt. Sie unterliegen mehrfach strengen Qualitätskontrollen.
Die Preisunterschiede zum Originalmedikament sind mitunter beachtlich und können dem Krankenversicherungssystem bei gleichbleibender Qualität in der Versorgung sparen helfen. Die/der Versicherte erhält als Anreiz dafür, dass sie/er durch Nachfragen bei der Ärztin/beim Arzt das Projekt unterstützt, je Packung einer qualitativ gleichwertigen, kostengünstigeren Verschreibung € 1,-- als Vergütung über den Behandlungsbeitrag.

Frage 6:

In allen Studien werden Selbstbehalte zumindest als Finanzierungssystem und  nur in Anhängigkeit mit der Höhe eingeschränkt als Steuerungsinstrument anerkannt. Durch die bei der VAEB sozial verträglichen  Selbstbehalte stellen wir den chancengleichen Zugang zum Sozialsystem sicher.

Frage 7:

keine Stellungnahme.“

Die Stellungnahme des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger ist der Beilage zu entnehmen.

 

Im Sinne der Frage 5 der gegenständlichen Anfrage ist meinem Ressort die Studie „Selbstbehalte“ der Kärntner Gebietskrankenkasse von Direktor Mag. Dr. Alfred Wurzer/Mag. Roswitha Robinig/Josef Rodler, 2004, bekannt. Als Ergebnis dieser Studie kann festgehalten werden, dass die Einführung eines weiteren Selbstbehaltes im Bereich der ärztlichen Hilfe (Arztbesuch) keine nennenswerte Ausgabenminderung bringen würde, aber für einzelne PatientInnen im Erkrankungsfall eine erhöhte Belastung darstellen würde.

 

Weiters wäre die Publikation von Jens Holst, „Kostenbeteiligung für Patienten – Reformansatz ohne Evidenz! Theoretische Betrachtungen und empirische Befunde aus Industrieländern. Überarbeitete und aktualisierte Fassung des WZB Discussion Papers SP I 2007 – 304, Juli 2008, zu nennen. In dieser kommt der Autor zu dem Schluss, dass sich Kostenbeteiligungen im Gesundheitsbereich langfristig negativ auswirken und die bedarfsgerechte Versorgung gefährden. PatientInnen würden eher auf notwendige Maßnahmen verzichten und ließen sich davon abhalten, rechtzeitig medizinische Hilfe in Anspruch zu nehmen.

 

Weiters wird auf die Beantwortung der gleichlautenden Anfrage, betreffend Selbstbehalte in der Oberösterreichischen Gebietskrankenkasse, Nr. 2053/J, verwiesen, welcher ein Überblick bzw. eine Zusammenfassung über diesbezügliche Studien beiliegt.

 

 

 

 

 

 

 

Anmerkung der Parlamentsdirektion:

 

Die vom Bundesministerium übermittelten Anlagen stehen nur als Image (siehe Anfragebeantwortung gescannt) zur Verfügung.