2132/AB XXIV. GP

Eingelangt am 17.07.2009
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BM für Gesundheit

Anfragebeantwortung

 

 

Frau

Präsidentin des Nationalrates

Maga. Barbara Prammer

Parlament

1017 Wien

Alois Stöger diplô

Bundesminister

 

 

Wien, am       16. Juli 2009

GZ: BMG-11001/0191-I/5/2009

 

 

 

Sehr geehrte Frau Präsidentin!

 

Ich beantworte die an mich gerichtete schriftliche parlamentarische Anfrage Nr. 2257/J der Abgeordneten Dr. Karlsböck und weiterer Abgeordneter nach den mir vorliegenden Informationen wie folgt:

 

Frage 1:

Aufgrund einer vertraulichen Behördenmeldung aus Deutschland hat das BMG noch vor dem medialen Bekanntwerden des Nachweises der Droge Kokain (0,4 µg/l) im Erfrischungsgetränk „Red Bull Simply Cola“ Probenziehungen des Produktes in Österreich veranlasst. Die AGES hat rasch eine entsprechende Nachweismethode etabliert. Da derartige Analysen nicht zum Routinebetrieb der Lebensmittelaufsicht zählen, waren Validierungsarbeiten der Messmethoden nötig. Ende Mai wurden dann 12 Messungen an zwei Produktionschargen des Erfrischungsgetränks "Red Bull Simply Cola“ durchgeführt. Dabei wurden sehr geringe Spuren von Kokain gefunden (Menge an der Nachweisgrenze von 0,05 µg/l). Die Ergebnisse der AGES lagen weit unter dem in Deutschland festgestellten Wert von 0,4 µg Kokain pro Liter. Bei Messwerten unter der Bestimmungsgrenze einer Methode kann die Substanz zwar nachgewiesen, nicht aber mengenmäßig bestimmt werden. Dies trifft auf die erwähnten Messungen der AGES zu. Das von der AGES angewendete Nachweisverfahren gehört zu den empfindlichsten Methoden in der derzeitigen Spurenanalytik.

Die von der AGES festgestellten Spuren an Kokain würden voraussetzen, dass mindestens 2 Millionen Dosen des Getränkes getrunken werden müssten, um eine kokainähnliche Wirkung zu verspüren. Auch auf das Abbauprodukt von Kokain - BEC - wurde untersucht. Hier wurden Werte zwischen 0,3 – 0,7 µg/l Getränk gemessen. Folgeproben lieferten ein negatives Ergebnis für Kokain, allerdings positive Ergebnisse für BEC.

 

Frage 2:

Es ist mir nicht bekannt, warum diese Untersuchung vom nordrhein-westfälischen Landesinstitut für Gesundheit und Arbeit (LIGA) durchgeführt wurden. Das Untersuchungergebnis ist meinen Informationen zufolge das Resultat von nur einer Probe. Es kann nur vermutet werden, dass auf Grund der Zutatenliste, die nur Inhaltstoffe 100 Prozent natürlicher Herkunft ausweist, diese Aussage überprüft werden sollte. Es sind unter anderem "natürliche Aromen aus Pflanzenextrakten (0,37%)", darunter auch aus dem Cocablatt, deklariert. Extrakte aus Cocablättern sind zum Lebensmitteleinsatz nur dann zulässig, wenn sie „decocainiert“ sind und wenn im jeweiligen Land nach der internationalen Suchtmittelkonvention eine entsprechende Ausnahmeverordnung zur Verwendung in Lebensmitteln gemacht wurde. Dies trifft für Deutschland nicht zu.

 

In Österreich wurde die entsprechende Ausnahmebestimmung als Teil einer Novelle zur Suchtgiftverordnung am 16. Juni 2009 erlassen. Nach dem „Vorbild“ von Hanf und Mohn wurde eine Änderung der Suchtgiftverordnung beschlossen, die den Einsatz von „decocainierten“ Cocablatt-Extrakten in Lebensmitteln in Österreich zulässt. Es ist davon auszugehen, dass beim Einsatz solcher Aromen (die neben Erfrischungsgetränken u.a. auch bei Süßwaren eingesetzt werden) – entsprechend empfindliche Nachweismethoden vorausgesetzt – Restmengen von Cocablatt-Alkaloiden jedenfalls nachweisbar sind. Ein entsprechend niedriger Grenzwert für technologisch unvermeidbare Restmengen von Kokain und anderen Alkaloiden des Cocablattes wurde in der genannten Ausnahmebestimmung normiert. Dieser Grenzwert ist derart niedrig gehalten, dass auch durch einen enormen Konsum entsprechender Lebensmittel weder gesundheitsgefährdende noch suchtmachende Wirkungen auftreten. Auch ist durch die niedrige Grenzmenge sichergestellt, dass ein Extrahieren der Alkaloide und somit ein Rückgewinnen von Suchtmitteln aus entsprechenden Lebensmitteln de facto ausgeschlossen werden kann. Es wären für die Gewinnung einer „üblichen“ Suchtmittelmenge entsprechende Extraktionsapparaturen nötig und eine enorme Menge der jeweiligen Lebensmittel (z.B. mindestens 2 Millionen Dosen bei Red Bull Simply Cola).


Frage 3:

Getrocknete Cocablätter enthalten bis zu 1 Prozent Kokain. Damit sie als Aromastoff in Lebensmitteln verwendet werden dürfen, muss ihnen das Kokain durch ein technologisches Abreicherungsverfahren entzogen werden. Zusätzlich muss im Land des Einsatzes eine entsprechende Ausnahmebestimmung nach der UN-Suchtmittelkonvention gelten, damit decocainierter Extrakt in Lebensmitteln legal eingesetzt werden darf. Wird Cocablatt-Extrakt entsprechend den amerikanischen Spezifikationen behandelt, gilt er nach FDA-Standard (amerikanische Food and Drug Administration) als entcocainiert und als verkehrsfähig zum Einsatz in Lebensmitteln. Das Abreicherungsverfahren wurde von der FDA zugelassen. Zur Überprüfung der Alkaloidfreiheit der Chargen wurde die in der Lebensmittel-Routineanalytik übliche GC-MS Methode angewandt.

Bei den aktuellen Untersuchungen in der BRD wurde nun erstmals die LC/MS Triplequad Technik angewandt und im zitierten Produkt Kokain in einer Restmenge um 0,4 ppb nachgewiesen. Mit dieser LC/MS Methode liegt man um 10- bis 100-fach empfindlicher als bei der bisher üblichen GC-MS Technik.

Durch Etablierung einer eigenen Messmethode und Verwendung hochempfindlicher Messgeräte konnte von der AGES nachgewiesen werden, dass trotz des international als verlässlich in der Entfernung von Alkaloiden aus Cocablättern geltenden Abreicherungsverfahrens und der guten Herstellungspraxis in der Gewinnung des Extraktes offenbar immer eine technisch unvermeidbare Alkaloid-Restmenge enthalten bleibt.

Frage 4:

Dieses und ähnliche Lebensmittel werden regelmäßig einer amtlichen Beprobung unterzogen. Dabei wurde allerdings bisher nicht auf Kokain oder Cocablattalkaloide untersucht. Wird Cocablatt-Extrakt entsprechend den amerikanischen Spezifikationen behandelt, so ist der so decocainierte Cocablatt-Extrakt grundsätzlich als sicher zum Einsatz in Lebensmitteln anzusehen. Der Extrakt von decocainiertem Cocablatt wird sowohl in Erfrischungsgetränken als auch in anderen Lebensmitteln (Süßwaren, etc.) zur Geschmacksgebung verwendet.

 

Frage 5:

Es ist davon auszugehen, dass Kokain und andere Cocablattalkaloide in Aromen, die aus Cocablattextrakten hergestellt werden und in diesem und anderen Erfrischungsgetränken sowie anderen Lebensmitteln eingesetzt werden können, in geringen Spuren enthalten sind, da eine komplette Aufreinigung auch mit dem besten Verfahren bei Produkten „natürlichen“ Ursprungs technologisch nicht möglich ist. Diese Spuren sind weder gesundheitsschädlich noch physiologisch „wirksam“. Das bestätigt das Ergebnis der AGES-Untersuchung und auch die Stellungnahme des deutschen Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR).

 

Selbst die höhere in Deutschland festgestellte Menge an Alkaloiden in Red Bull Simply Cola ist so gering, dass keine pharmakologische Wirkung gegeben ist. Es müssten selbst von empfindlichen Personen mehrere hundert Tausend Liter des Getränkes auf einmal konsumiert werden, damit eine suchtmittelähnliche Wirkung eintritt. Es bestand daher beim Konsum des Produkts weder eine Gesundheitsgefährdung, noch eine Suchtgefahr. Dies gilt insbesondere auch unter Zugrundelegung der von der AGES gemessenen Restmengen.

 

Durch den aktuellen Nachweis von Alkaloid-Spuren ergab sich jedoch eine rechtliche Abgrenzungsproblematik zwischen Lebensmittelrecht und Suchtmittelgesetz unabhängig von einer Gesundheitsgefahr. Mit der Novelle zur Suchtgiftverordnung BGBl Nr. 173/2009 sind jene Lebensmittel, die solche Extrakte als Aromen enthalten, in Österreich verkehrsfähig.

 

Frage 6:

Von allen amtlichen Proben, die jährlich an der AGES einlangen (ca. 30.000 Proben), werden ungefähr 60% auf ihre Zusammensetzung untersucht.

 

Frage 7:

Eine Vorabkontrolle von Lebensmitteln oder Lebensmittelzutaten ist grundsätzlich nicht vorgesehen (Ausnahme: gentechnisch veränderte Lebensmittel und neuartige Lebensmittel – hier gilt ein EU-weites Zulassungsverfahren). In der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 ("General Food Law") wurde als zentrales Element die Verantwortung des Lebensmittelunternehmers für die Einhaltung aller lebensmittelrechtlichen Bestimmungen zur Gewährleistung der Sicherheit von Lebensmitteln festgeschrieben.

Daraus leitet sich jedoch keine Verpflichtung ab, ein Erzeugnis vor Inverkehrbringung durch die AGES oder andere registrierte Lebensmittelgutachter untersuchen zu lassen. Die Unternehmer haben im Rahmen der Eigenkontrolle dafür Sorge zu tragen, dass ihre Produkte den lebensmittelrechtlichen Anforderungen entsprechen und sicher sind. Die Überprüfung der Einhaltung der Vorgaben erfolgt durch die amtliche Lebensmittelkontrolle im „Routinebetrieb“ im Rahmen des jährlichen Proben- und Revisionsplans (in Zukunft: mehrjähriger integrierter Kontrollplan) bzw. im Verdachtsfall oder Problemfall durch angeordnete (Schwerpunkt)Aktionen.

 

Frage 8:

Ziel der amtlichen Lebensmittelkontrolle ist es, den bestmöglichen Schutz der Konsumenten vor unsicheren Lebensmitteln und vor Täuschung zu erreichen. So wird beispielsweise nach definierten Kontrollplänen überprüft, ob gesetzlich festgelegte Grenzwerte für bestimmte Schadstoffe eingehalten werden, oder ob unerwünschte Stoffe oder krankheitserregende Keime in Lebensmitteln enthalten sind.

Beanstandungen aufgrund des Nachweises bedenklicher Spurenelemente bzw. bedenklicher Mengen von Spurenelementen erfolgen nur sehr vereinzelt und bei speziellen Fragestellungen (z.B. Nahrungsergänzungsmittel).


Frage 9:

Von meinem Ressort wird ein jährlicher Proben- und Revisionsplan risikobasiert erlassen. Dieser legt fest, welche Waren untersucht werden und gibt die jeweiligen Stichprobenumfänge vor. Zusätzlich werden auch so genannte Schwerpunktaktionen geplant, d. h. bestimmte Warengruppen werden auf bestimmte Parameter gezielt untersucht. Darüber hinaus gibt es noch Probenpläne im Zuge von Überwachungsprogrammen, die von der Europäischen Union vorgegeben werden. Als Beispiel wäre das EU-weite Monitoring von Pestizidrückständen in Lebensmitteln zu nennen. Eine gezielte Probennahme wird regelmässig auch angeordnet, wenn über das RASFF (Rapid Alert System Food and Feed) Meldungen über unsichere Waren eingehen. Auch werden Proben („Verdachtsproben“) aufgrund von sich manchmal spontan ergebenden Verdachtsmomenten entnommen. Probennahmen aufgrund von Anzeigen sind selten.

 

Frage 10:

In den letzten 3 Jahren wurden bei keinem Lebensmittel Spuren von Kokain nachgewiesen.

 

Frage 11:

In der Novelle zur Suchtgiftverordnung  BGBl. Nr. 173/2009 wurde für den zur Aromatisierung von Lebensmittel zulässigen Cocablattextrakt ein Grenzwert für den Gehalt an Cocain, Ecgonin oder andere Ecgoninalkaloiden in Summe mit 1,25 ppm festgelegt.

 

Die Novelle zur SuchtgiftVerordnung lautet: „…als decocainiert gilt ein Extrakt, dessen Gehalt an Cocain, Ecgonin oder anderen Ecgonin-Alkaloiden in Summe 1,25 ppm oder 1,25 Milligramm pro Liter oder Kilogramm nicht übersteigt. Ausgenommen sind ferner die mit einem decocainierten Extrakt aromatisierten Lebensmittel, wenn der Gehalt an Cocain, Ecgonin oder anderen Ecgonin-Alkaloiden in Summe 1,25 ppm oder 1,25 Milligramm pro Liter oder Kilogramm des Lebensmittels nicht übersteigt“