2138/AB XXIV. GP
Eingelangt am 17.07.2009
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BM für Justiz
Anfragebeantwortung

DIE BUNDESMINISTERIN
FÜR
JUSTIZ
BMJ-Pr7000/0144-Pr 1/2009
An die
Frau Präsidentin des Nationalrates
W i e n
zur Zahl 2088/J-NR/2009
Die Abgeordneten zum Nationalrat Mag. Albert Steinhauser, Freundinnen und Freunde haben an mich eine schriftliche Anfrage betreffend „Rechtsschutz im Strafvollzug“ gerichtet.
Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:
Ich schicke voraus, dass in den Berichten der Vollzugskommissionen zahlreiche Anliegen enthalten sind, die in die Zuständigkeit der Gerichte fallen (wie z.B. Unzufriedenheit mit der verhängten Freiheitsstrafe, Wunsch nach bedingter Entlassung) oder der Vollzugsdirektion (z.B. Vollzugsortsänderungen) und dort gesondert behandelt wurden. Zahlreiche von den Insassen geäußerte Anliegen können vor Ort durch Gespräche aufgeklärt werden (etwa wenn ein neu zugegangener Insasse noch keine ausreichenden Kenntnisse über den genauen Tagesablauf hatte) bzw. in der Sache erledigt werden (etwa Ansuchen um Ausgang).
Mit der Behandlung durch das Personal, das bei den Kommissionen einen engagierten Eindruck erweckte, waren die befragten Insassen faktisch durchwegs zufrieden, einige Justizanstalten wurden von den Vollzugskommissionen besonders lobend erwähnt (etwa Krems, Sonnberg, Korneuburg). In nahezu jedem Bericht wurde das Problem des (allgemein bekannten) Personalmangels angesprochen. Verstöße gegen gesetzliche Bestimmungen wurden nicht festgestellt.
Zu 1:
Nach den mir vorliegenden Statistiken wurden in den österreichischen Justizanstalten im Jahr 2006 insgesamt 463, im Jahr 2007 insgesamt 479 und im Jahr 2008 insgesamt 378 Beschwerden nach § 120 StVG erhoben.
Zu 2:
Nach den mir vorliegenden Statistiken wurden in den österreichischen Justizanstalten im Jahr 2006 insgesamt 252, im Jahr 2007 insgesamt 228 und im Jahr 2008 insgesamt 188 Beschwerden nach § 122 StVG erhoben.
Zu 3:
Die Vollzugskammern bei den Oberlandesgerichten Wien, Linz, Graz, und Innsbruck haben im Jahr 2006 in insgesamt 517 Fällen, im Jahr 2007 in insgesamt 652 Fällen und im Jahr 2008 in insgesamt 330 Fällen über nach § 120 StVG erhobene Beschwerden entschieden.
Zu 4:
Die Vollzugskammern bei den Oberlandesgerichten Wien, Linz, Graz, und Innsbruck haben im Jahr 2006 in insgesamt 15 Fällen, im Jahr 2007 in insgesamt 25 Fällen und im Jahr 2008 in insgesamt 20 Fällen über nach § 122 StVG erhobene Beschwerden entschieden.
Zu 5 bis 7:
Ich darf hiezu auf die der Anfragebeantwortung angeschlossene Tabelle verweisen.
Zu 8:
Weder im Jahr 2006, noch im Jahr 2007 noch im Jahr 2008 hat ein Anstaltsleiter einer solchen Beschwerde stattgegeben. Darüber hinaus darf ich auf die angeschlossene Tabelle verweisen.
Zu 9 und 10:
Diese Frage kann hinsichtlich der Vollzugskammern beim Oberlandesgericht Wien nicht beantwortet werden, weil darüber keine Aufzeichnungen geführt werden. Die Vollzugskammern bei den Oberlandesgerichten Linz, Graz und Innsbruck haben 2006 in insgesamt 32 Verfahren, 2007 in insgesamt 21 Verfahren und 2008 in insgesamt 20 Verfahren wegen Ordnungswidrigkeiten entschieden. Dabei haben sie 2006 in insgesamt 4 Fällen, 2007 in insgesamt 6 Fällen und 2008 in insgesamt 5 Fällen Beschwerden wegen Ordnungswidrigkeiten stattgegeben.
zu 11:
Für das Kalenderjahr 2007 wurden insbesondere folgende Probleme angesprochen, und zwar:
· von der Vollzugskommission beim Landesgericht für Strafsachen Graz:
Mangelnde Beschäftigungsmöglichkeiten (aufgrund von Personalengpässen); Verständigungsprobleme wegen des hohen Anteils an ausländischen Insassen; (bau- und belagsbedingt) beengte räumliche Verhältnisse.
· von der Vollzugskommission beim Landesgericht Innsbruck:
Fehlender Pädagoge bei den jugendlichen Insassen; mangelnde Beschäftigungsmöglichkeiten; zu wenig Plätze in der Freigängerabteilung; Ermöglichung von Deutschkursen.
· von der Vollzugskommission beim Landesgericht Klagenfurt:
Lange Einschlusszeit; Schwierigkeiten bei Telefonaten durch Untersuchungshäftlinge.
· von der Vollzugskommission beim Landesgericht St. Pölten (Niederösterreich-Nord):
Gravierende Probleme bei der Kostenübernahme von bedingt entlassenen Untergebrachten durch das Land Niederösterreich (Ablehnung); fehlende Frauenabteilung in der Justizanstalt St. Pölten und damit einhergehende vermehrte Personalbindung in der Ausweich-Justizanstalt Krems; lange Dauer der Beantwortung von Ansuchen der Häftlinge durch die Anstaltsleitung; die Speisen sind zum Zeitpunkt der Ausgabe meist nicht mehr warm; Aufstockung einer halben Planstelle im psychologischen Dienst.
· von der Vollzugskommission beim Landesgericht St. Pölten (Niederösterreich-Süd):
Die Kritik betrifft die Justizanstalt Hirtenberg, wo u.a. zwei Beamte (wegen ihres Umganges, ihrer schlechten Erreichbarkeit, der Nichteinhaltung von Zusagen) beanstandet und die Handhabung des Ausgangs sowie die mangelnden Arbeitsmöglichkeiten bemängelt wurden. Von der Vollzugskommission wurde angeregt, bei einem Umbau der Justizanstalt Eisenstadt eine Frauenabteilung zu schaffen, um die Justizanstalt Wr. Neustadt diesbezüglich zu entlasten.
· von der Vollzugskommission beim Landesgericht für Strafsachen Wien:
Sicherheits- und Platzmängel bei den psychisch kranken Insassen; fehlende Kapazitäten im ärztlichen/sozialen Betreuungsdienst (Justizanstalt Josefstadt); Renovierungsbedürftigkeit der Außenstelle Münchendorf (Justizanstalt Favoriten).
· von der Vollzugskommission beim Landesgericht Linz:
Unterkontingentierung an Toilettenpapier, Ausstattung der Erste-Hilfe-Kästen, Einhaltung von Rauchverboten, teilweises Fehlen von Feuerlöschern bzw. Hinweisschildern sowie fehlende Schutzeinrichtungen bei Maschinen in den Betrieben der Justizanstalt Suben.
· von der Vollzugskommission beim Landesgericht Feldkirch:
Verständigungsprobleme wegen des hohen Anteils an ausländischen Insassen; (bau- und belagsbedingt) beengte räumliche Verhältnisse; fehlende ausreichende Beschäftigung der Insassen.
Zu 12:
Folgende Konsequenzen wurden gezogen, und zwar im Bereich der:
· Vollzugskommission beim Landesgericht für Strafsachen Graz:
Zuweisung von Planstellen bzw. Zukauf von externen Betreuungsleistungen sowie – nach Maßgabe budgetärer Möglichkeiten – Umbauten bzw. Sanierungen. So etwa wurde bei der Justizanstalt Graz-Karlau die Verbesserung der Zufahrts- und Zugangsbereiche (Schleusen) sowie eine Adaptierung in Bereichen des Verwaltungstraktes in Angriff und in weiterer Folge zunächst die Errichtung eines Besuchergebäudes in Aussicht genommen. Die Situation wurde weiters durch eine (deutliche) Belagsreduktion entspannt. Hinsichtlich allfälliger Verständigungsprobleme werden derzeit vertrauenswürdige Insassen eingesetzt; künftig ist die Beiziehung von Dolmetschern angedacht.
· Vollzugskommission beim Landesgericht Innsbruck:
Es wurde ein Pädagoge beschäftigt und ein Deutschkurs wird eingeführt. Die teils nicht ausreichende Beschäftigung resultiert aus mangelnden Kapazitäten und einem Überbelag; bei den Freigängern ist ein Neubau mit 30 Plätzen angedacht.
· Vollzugskommission beim Landesgericht Klagenfurt:
Es ist geplant, Bereiche des Wohngruppenvollzuges mit späten Einschlusszeiten zu schaffen. Hinsichtlich der Untersuchungshäftlinge ist zu sagen, dass u.a. oft keine für die Gesprächsüberwachung erforderlichen Dolmetscher verfügbar sind. Als Alternative bietet sich hier das Ausweichen auf den (leichter überwachbaren) Briefverkehr an, wobei hinsichtlich mittelloser Insassen die Kosten von der Justizanstalt getragen werden können.
· Vollzugskommission beim Landesgericht St. Pölten (Niederösterreich-Nord):
Es wurden in den letzten Jahren zahlreiche Vereinbarungen für die Betreuung und Behandlung von bedingt entlassenen Maßnahmepatienten mit verschiedenen Einrichtungen in ganz Österreich abgeschlossen. Ein weiterer Ausbau wird angestrebt. Es wurde in den letzten Jahren massiv darauf aufmerksam gemacht, dass die Bundesländer hinsichtlich einer (Mit)Finanzierung
– ungeachtet eines entsprechenden Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofs – nicht gesprächsbereit sind. Im Zuge des Zubaues und der Generalsanierung der Justizanstalt Krems wird ein neuer Bereich für die Unterbringung von 30 Frauen geschaffen. Hinsichtlich der langen Bearbeitungsdauer der Ansuchen erfolgte die Einführung eines Departementsystems (mit wöchentlicher Erledigung der Ansuchen vor Ort); zur Verbesserung der Ausgabetemperatur des Essens wurde die regelmäßige Kontrolle durch Führungskräfte und Oberaufsichten eingeführt (bei stichprobenartigen Prüfungen waren keine Auffälligkeiten zu verzeichnen). Schließlich wurde, der Anregung der Vollzugskommission folgend, die halbe Planstelle im psychologischen Dienst auf eine ganze Planstelle aufgestockt.
· Vollzugskommission beim Landesgericht St. Pölten (Niederösterreich-Süd):
Mit Vertretern der Justizanstalt Hirtenberg wurden seitens der Vollzugsdirektion persönliche Gespräche geführt. Unter anderem wurde mit dem Anstaltsleiter vereinbart, kurzfristig 25 Arbeitsplätze zu schaffen und die Beschäftigung generell zu heben. Hinsichtlich der Beschwerden gegen Beamte wurde eine bessere Kommunikation mit den Insassen vereinbart. Die Anliegen wegen Ausgang wurden bearbeitet und ihnen nach Möglichkeit entsprochen. Zur angeregten Frauenabteilung in Eisenstadt ist zu sagen, dass eine solche wegen ihrer teuren Infrastruktur und der geringen prognostizierten Auslastung (Durchschnitt 3-4 Insassen) nicht vertretbar und der personelle Aufwand nicht gerechtfertigt wäre.
· Vollzugskommission beim Landesgericht für Strafsachen Wien:
Die Mängel im Pavillon 23 des Otto Wagner Spitals werden im Zuge der grundlegenden Neukonzeption durch die Gemeinde Wien beseitigt werden. Im Bereich der ärztlichen Betreuung wurde der Auftrag erteilt, die fehlenden Kapazitäten durch Zukauf externer Leistungen auszugleichen. Zum Thema Sicherheit ist weiters auszuführen, dass ein Aspiranten-Kurs mit 25 Teilnehmern an der Strafvollzugsakademie eingerichtet wurde, dessen Absolventen später überwiegend in der Justizanstalt Josefstadt verwendet werden sollen. Zum renovierungsbedürftigen Zustand der Außenstelle Münchendorf ist zu sagen, dass kleinere erforderliche Sanierungen (z.B. die Neugestaltung der Insassenküche) im Budget 2008 eingeplant wurden; im Übrigen ist die Überarbeitung einer bereits geplanten Adaptierung bzw. Erweiterung erforderlich, weil sich auf der Liegenschaft in Münchendorf ein Großteil der Ökonomie der Justizanstalt Hirtenberg befindet, welche zwischenzeitig ebenfalls Erweiterungsbedarf hat.
· Vollzugskommission beim Landesgericht Linz:
Die Leitung der Justizanstalt Suben hat die zur Behebung entsprechenden Aufträge angeordnet.
· Vollzugskommission beim Landesgericht Feldkirch:
Hinsichtlich des Platz- und Beschäftigungsproblems wurde zunächst durch eine Verringerung des Insassenstandes Abhilfe geschaffen; weiters ist durch laufende Umstrukturierungen der Arbeitsbetriebe eine starke Erhöhung der Beschäftigungsquote zu erwarten. Schließlich wird die Justizanstalt Feldkirch in naher Zukunft durch einen Zubau maßgeblich erweitert werden.
Zu 13:
Für das Kalenderjahr 2008 sind die Berichte der Vollzugskommissionen noch in Bearbeitung; soweit vorhanden, wurden – abgesehen von zwischenzeitig obsoleten Bedenken im Zusammenhang mit der Euro 2008 – v.a. folgende Probleme angesprochen, und zwar:
· von der Vollzugskommission beim Landesgericht für Strafsachen Graz:
Grundsätzlich wie im Kalenderjahr 2007, jedoch mit der Feststellung von Entspannungen aufgrund verringerter Häftlingszahlen und bereits erfolgter bzw. begonnener Um- und Neubauten.
· Von der Vollzugskommission beim Landesgericht Innsbruck:
Empfehlung, den Ausbau der Freigängerplätze schnellstmöglich zu realisieren, Familienbesuche zu ermöglichen und Deutschkurse anzubieten.
· Von der Vollzugskommission beim Landesgericht für Strafsachen Wien:
Renovierungsbedürftigkeit der Außenstelle Münchendorf (Justizanstalt Favoriten).
·
Von der Vollzugskommission beim Landesgericht Eisenstadt:
Alter und verschlissener Zustand der Matratzen.
· Von der Vollzugskommission beim Landesgericht Linz:
Unterbesetzung im psychologischen Dienst; Fehlen einer Anti-Aggressionstherapie; vereinzelte Unsauberkeiten, defekte Geräte und Sicherheitsrisiken (z.B. herausgerissene Steckdose); schlecht temperiertes Essen in der Justizanstalt Ried.
Zu 14:
Folgende Konsequenzen wurden gezogen, und zwar im Bereich der
· Vollzugskommission beim Landesgericht für Strafsachen Graz:
Neue Veranlassungen waren nicht notwendig, zumal die Kritikpunkte bereits im Vorjahr behandelt wurden und schon teilweise Lösungen/Verbesserungen zugeführt werden konnten.
· Vollzugskommission beim Landesgericht Innsbruck:
Der Plan, ein um 19 Plätze erweitertes Freigängerhaus zu errichten, befindet sich (bereits) in der Begutachtungsphase. Im Bereich der Freigängerabteilung könnte aufgrund der frei gewordenen Kapazitäten in weiterer Folge ein Familien- und Langzeitbesuchsbereich errichtet werden. Zum angeregten Deutschkurs für fremdsprachige Insassen ist zu sagen, dass ein solcher seit September 2008 wöchentlich stattfindet.
· Vollzugskommission beim Landesgericht für Strafsachen Wien:
Abgesehen von kleineren, sofort machbaren Sanierungen wird, wie zum Bericht 2007 ausgeführt, die bereits geplante Adaptierung bzw. Erweiterung überarbeitet.
· Vollzugskommission beim Landesgericht Eisenstadt:
Eine entsprechende Beschaffung wird vorgenommen. Die Anstalt wird sonst als in gutem Zustand befindlich und kompetent geleitet beurteilt.
· Vollzugskommission beim Landesgericht Linz:
Der psychologische Dienst wurde um zwei Planstellen aufgestockt; die Anti-Aggressionstherapie findet zumeist bei FORAM (forensische Ambulanz) statt. Die übrigen Beanstandungen (Unsauberkeiten etc.) wurden vor Ort behoben. Zur Verpflegungssituation der Justizanstalt Ried ist zu sagen, dass das Essen in der Justizanstalt Suben zubereitet und ausgeliefert wird; hier wurde vereinbart, die Transportwagen so einzurichten, dass die Speisen bei der Ausgabe in der Justizanstalt Ried noch entsprechend temperiert sind.
Zu 15:
Es wurden an mich keine Beschwerden herangetragen.
Zu 16 bis 19:
Nach dem Regierungsprogramm für die XXIV. Gesetzgebungsperiode, Kapitel Justiz, E.7. (S 131), soll die Umsetzung des OPCAT umgehend (auch im Bereich der Justizanstalten) in Angriff genommen werden. Dazu kann auch eine grundlegende – funktionelle und institutionelle – Umgestaltung der Vollzugskommissionen notwendig werden.
Ich gehe allerdings davon aus, dass die Einleitung des Ratifikationsverfahrens ungeachtet der zitierten Formulierung weiterhin dem nach dem Bundesministeriengesetz zuständigen Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten obliegt.
. Juli 2009
(Mag. Claudia Bandion-Ortner)
Anmerkung der Parlamentsdirektion:
Die vom Bundesministerium übermittelten Anlagen stehen nur als Image (siehe Anfragebeantwortung gescannt) zur Verfügung.