217/AB XXIV. GP

Eingelangt am 15.01.2009
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BM  für Wirtschaft und Arbeit

Anfragebeantwortung

 

Präsidentin des Nationalrates

Mag. Barbara PRAMMER

 

Parlament

1017 Wien

 

 

                                                                                                                           Wien, am 14.01.2009

 

                                                                                                                           Geschäftszahl:

                                                                                            BMWA-10.101/0236-IK/1a/2008

 

 

In Beantwortung der schriftlichen parlamentarischen Anfrage Nr. 220/J betreffend „Novellierung der Systemnutzungstarif-Verordnung“, welche die Abgeordneten Mag. Christiane Brunner, Kolleginnen und Kollegen am 20. November 2008 an meinen Amtsvorgänger gerichtet haben, wird einleitend festgehalten, dass die Energie-Control Kommission eine Kollegialbehörde richterlichen Einschlags gemäß Artikel 133 Z 4 B-VG ist, der der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit weder Weisungen erteilen, noch konkrete Vorgaben zu aktuellen Tätigkeiten machen oder deren Entscheidungen beeinflussen kann.

 

Die Ausgestaltung der Systemnutzungstarife bzw. der Tarifstruktur bei der Neufestsetzung mit 1.1.2009 liegt daher ausschließlich im Gestaltungsbereich der Energie-Control Kommission, die bei dieser Festsetzung die relevanten gesetzlichen Bestimmungen, vor allem die des § 25 ElWOG, anzuwenden hat.

 

Im Lichte dessen stelle ich zu den einzelnen Punkten unter Verwendung mir von der
Energie-Control GmbH zur Verfügung gestellter Informationen fest:

 

Antwort zu den Punkten 1 bis 4 der Anfrage:

 

Es wurde auf Basis des § 3 Abs 3 Z 1 lit c E-RBG keine Verordnung erlassen. Die Energie-Control Kommission ist bei der Erlassung der Verordnung zur Bestimmung der Systemnutzungstarife an den – wie vom Verfassungsgerichtshof bereits ausgesprochen – hinreichend determinierten § 25 Abs 2 ElWOG gebunden. Es bedarf daher keiner zusätzlichen Vorgaben für die Tarifbestimmung.

 

Auf Basis des § 25 ElWOG wurde die Verordnung der Energie-Control Kommission, mit der die Tarife für die Systemnutzung bestimmt werden (Systemnutzungstarife-Verordnung 2006, SNT-VO 2006) mit 1.1.2006 in Kraft gesetzt. Im Rahmen der SNT-VO 2006 wurden Grundsätze für die Ermittlung und die Zuordnung der Kosten, die Kriterien für die Tarifbestimmung sowie die Tarife für die Netznutzung zu entrichtenden Entgelte bestimmt. Diese Grundsätze, zu denen auch die Anreizregulierung zählt, stehen nach wie vor in Geltung. Auf die SNT-VO 2006 aufbauend sind jährlich Novellen der SNT-VO 2006 mit 1.1. durchzuführen, welche der Anreizregulierung entsprechen. Die Anreizregulierung beruht auf einem langfristigen stabilen Regulierungsansatz für das natürliche Monopol Stromnetz. In diesem Zusammenhang werden die folgenden Ziele verfolgt:

 

·        Förderung effizienten Verhaltens der regulierten Unternehmen im Sinne eines volkswirtschaftlichen Optimums

·        Schutz der Konsumenten

·        Sicherstellung der wirtschaftlichen Geschäftsgrundlage und Planungssicherheit der regulierten Unternehmen

·        Versorgungssicherheit

·        Ausgewogene Behandlung der regulierten Unternehmen

·        Minimierung der direkten Regulierungskosten

·        Transparenz des Systems

·        Sicherstellung der allgemeinen Akzeptanz und Stabilität des Regulierungssystems durch alle betroffenen Interessensgruppen (Kunden, Arbeitnehmer, Eigentümer etc.)

·        Rechtliche Stabilität.

 

Die gesetzliche Vorgabe hat sich – abgesehen von einem hier nicht maßgeblichen Teilbereich, nämlich § 25 Abs 6 Z 2 ElWOG, der aufgrund einer verfassungsgerichtlichen Aufhebung zu sanieren war – nicht geändert. Auch die bereits erwähnten Grundsätze der Anreizregulierung haben keine Änderung erfahren.

 

 

Antwort zu Punkt 5 der Anfrage:

 

In der E-Control - Studie „Dezentrale Erzeugung in Österreich“ aus dem Jahr 2005 wurden die Einsatzoptionen und Potenziale der dezentralen Elektrizitätserzeugung in Österreich analysiert. Die Detailanalyse der ökonomischen Aspekte wurde im Auftrag der E-Control von der Firma CONSENTEC Consulting für Energiewirtschaft und -technik GmbH vorgenommen. Die netztechnischen Aspekte wurden von der TU Graz detailliert behandelt. Über die Homepage der E-Control sind die Studie[1], sowie die beiden ökonomischen[2] und netztechnischen[3] Analysen abrufbar.

 

Bei der Betrachtung der Netzverluste und deren Veränderung durch dezentrale Erzeugungsanlagen ist danach zu unterscheiden, ob die Einspeisung in einen bestehenden Netzabzweig mit bestehenden Verbrauchern erfolgt, oder ob eine eigene „dezentrale“ Anschlussleitung zwischen Transformator und dezentraler Anlage errichtet wird. Eine eigene Anschlussleitung führt zu erhöhten Verlusten, weil der Effekt der Stromkompensation entfällt. Es sind dabei zwei Grenzfälle zu betrachten.

 

Im Grenzfall 1 sind die dezentrale(n) Erzeugungsanlage(n) am Ende eines Netzstrangs angeschlossen, der sonst keine oder nur sehr wenige Lastanschlüsse versorgt. In dem betroffenen Netzstrang kommt es zu einer Zunahme der Leistungsflüsse in der Größenordnung der installierten Leistung der Erzeugungsanlage und damit zu einer Zunahme der Netzverluste.

 

Im Grenzfall 2 sind die dezentralen Erzeugungsanlage(n) günstig in den Netzsträngen verteilt, sodass die lokale Erzeugungsleistung exakt den lokalen Lastanforderungen entspricht und somit zu einer Verlustreduktion führt.

 

Der Zubau von dezentraler Erzeugung kann daher abhängig von der Netzkonstella-tion sowohl zu einer Zunahme als auch zu einer Reduktion der Netzverluste führen. Tendenziell wird von der Netzverlustreduktion ausgegangen, wenn die Verteilung der dezentralen Erzeugungsanlagen günstig – d.h. nahe dem Grenzfall 2 – erfolgt.

 

 

Antwort zu Punkt 6 der Anfrage:

 

Die Systemnutzungstarife sind – in Übereinstimmung mit den Vorgaben der Strom-BinnenmarktRL 2003/54/EG sowie § 25 ElWOG – kostenorientiert zu bestimmen. Erzeugungsanlagen beanspruchen das Netz, weshalb eine Kostentragung grundsätzlich sachlich gerechtfertigt ist.

 

Die in der Frage erwähnten Regelungen über das Unbundling betreffen die Trennung der Netzaktivitäten von den übrigen Märkten, insbesondere Erzeugung, Handel und Lieferung. Damit sollen Diskriminierungen von Netzbetreibern (insbesondere zugunsten von im Konzern verbundenen Unternehmen) verhindert werden. Sie haben alle Kunden (Entnehmer und Erzeuger) gleich zu behandeln und den diskriminierungsfreien Netzzugang zu gewährleisten. Dies schließt freilich nicht die Verpflichtung von Erzeugern aus, ihren Kostenbeitrag für die Inanspruchnahme des Netzes zu leisten. Solange dem bereits erwähnten Prinzip der Kostenorientierung Rechnung getragen wird, ist eine Belastung der Erzeuger zulässig und widerspricht auch nicht den gemeinschaftsrechtlichen oder innerstaatlichen Unbundlingvorgaben. § 25 Abs 4 ElWOG sieht vor, dass die Energie-Control Kommission jedenfalls Systemnutzungstarife für Entnehmer und Einspeiser von elektrischer Energie zu bestimmen hat.

 


Antwort zu den Punkten 7 bis 9 der Anfrage:

 

Die Kosten für Netzverluste betragen jährlich rund € 200 Mio., welche bisher ausschließlich durch die Entnehmer zu tragen sind.

 

Der Begutachtungsentwurf sah vor, dass auch Einspeiser ab 1 MW einen Teil dieser Netzverluste zahlen sollen. Der zu entrichtende Betrag belief sich auf rund € 50 Mio., also rund 25% der Netzverlustkosten, die ab dem Jahr 2009 auch von Einspeisern zu bezahlen gewesen wären.

 

Im Rahmen der Begutachtung des Verordnungsentwurfes wurde massive Kritik an der Belastung von Einspeisern im Bereich Kleinwasserkraft sowie sonstiger Ökostrom geäußert. Die Energie-Control Kommission trägt diesen Bedenken Rechnung und sieht nun vor, dass Erzeuger mit einer Engpassleistung von bis zu 5 MW für der Entrichtung des Netzverlustentgelts sowie künftig auch des Systemdienstleistungsentgelts befreit sind. Letzteres entspricht einer wiederholt geäußerten Forderung der Kleinkraftwerksbetreiber und stellt gegenüber der derzeit noch in Kraft stehenden Verordnung eine erhebliche Besserstellung dieser Gruppe von Erzeugern dar. Für ein Kleinwasserkraftwerk mit einer Leistung von 4 MW bedeutet die Entlastung des Systemdienstleistungsentgeltes eine Kostenersparnis von mehr als € 20.000 pro Jahr.

 

Das Systemdienstleistungsentgelt ist damit künftig zur Gänze durch Erzeuger mit einer Engpassleistung von größer als 5 MW zu tragen.

 

Der Kostenanteil der Erzeuger am oben angesprochenen Netzverlustentgelt beträgt rund € 40 bis € 45 Mio. p.a., abhängig von der tatsächlichen Erzeugung der betroffenen Kraftwerke im Jahr 2009.


Antwort zu den Punkten 10 und 11 der Anfrage:

 

In der seit 1.1.2009 geltenden SNT-VO ist nun vorgesehen, dass lediglich Erzeuger mit einer Engpassleistung von größer als 5 MW zur Bezahlung des Netzverlustentgelts sowie des Systemdienstleistungsentgelts verpflichtet sind. Damit sind Anlagen bis 5 MW Engpassleistung sogar gegenüber den bis 31.12.2009 stehenden Netztarifverordnungen besser gestellt, weil Systemdienstleistung bis dahin ab 1 MW Engpassleistung zu bezahlen war. Anlagen größer als 5 MW sind nun verpflichtet, einen moderaten Anteil der Kosten für das Netz zu tragen. Ein Vergleich der Erlössituation und der Kosten durch Netzverlustentgelte zeigt, dass im Bereich der Ökostromanlagen mit einer Engpassleistung von größer als 5 MW die Belastung auch in der Schwankungsbreite der Annahmen (zB. Benutzungsstunden pro Jahr, steuerliche Behandlung von Investitionen, angemessene Verzinsung des eingesetzten Kapitals, etc.) zur Ermittlung der Einspeisetarife liegt bzw. aufgrund der Entwicklung der Marktpreise, wenn Ökostromanlagen aus dem Förderregime ausgestiegen sind, jedenfalls kompensiert wird. Es ist somit davon auszugehen, dass diese Anlagen, die sich allein bereits aufgrund ihrer Größe und damit auch Kostenstruktur von den übrigen Erzeugungsanlagen unterscheiden, nicht in ihrer wirtschaftlichen Existenz gefährdet sind. Dies kann insofern belegt werden, da einzelne Windkraftbetreiber eine Umsatzrentabilität von 25 % für das Geschäftsjahr 2007 verzeichnen.

 

 

Antwort zu Punkt 12 der Anfrage:

 

Den durch die Energie-Control Kommission anerkannten Kosten der Netzbetreiber stehen Erlöse gegenüber, die von Netzbenutzern zu leisten sind. Tragen Erzeuger zu den Erlösen bei, so reduziert sich in diesem Umfang der von den übrigen Netzbenutzern zu leistende Beitrag. Insofern profitieren Entnehmer, damit auch Konsumenten, von geringeren Tarifen. Eine Weitergabe der zusätzlichen Erzeugungskosten ist nicht zu erwarten, weil die Preisbildung auf den Großhandelsmärkten börsebestimmt ist und keine marktbeherrschende Stellung der nationalen Erzeuger vorliegt.

 

 


Antwort zu Punkt 13 der Anfrage:

 

Bei einem Vergleich der Netzgebühren für Erzeuger ist eine gesamthafte Betrachtung anzustellen, weil einzelne Netztarifkomponenten nicht repräsentativ sind. Die vorgesehenen Tarife sehen lediglich eine marginale Belastung von Erzeugern durch das Netzverlustentgelt vor. Darüber hinaus spielen auch andere standortbezogene Kostenkomponenten eine maßgebliche Rolle bei der Standortentscheidung, sodass die bloße Belastung mit einem Netzverlustentgelt für sich keinen Standortnachteil darstellt.

 

Im Zusammenhang mit jenen Ökostromanlagenbetreibern, die einen Einspeisetarif gemäß Ökostromgesetz erhalten, kann von einer „Diskriminierung“ gegenüber Erzeugern aus anderen Staaten allein schon deswegen keine Rede sein, weil die Anlagen nicht im Wettbewerb stehen, sondern ihre Energie zu Gänze der Ökostromabwicklungsstelle gegen Bezahlung des Einspeisetarifs verkaufen. Beispielsweise liegt der Einspeisetarif für Biomassekraftwerke zwischen 5 MW und 10 MW gemäß BGBl. II Nr. 401/2006 und BGBl. II Nr. 59/2008 für das Jahr 2008  mit 13,29 Cent/kWh um mehr als 60 % über dem durchschnittlichen Marktpreis gem. § 20 Ökostromgesetz für das 4. Quartal 2008 von 81,78 €/MWh.



[1] http://www.e-control.at/portal/page/portal/ECONTROL_HOME/INTERN/ADMINISTRATION/DATEIEN/PUBLIKATIONEN/ STUDIEN/DEA_STUDIE_ECONTROL2005.PDF

[2] http://www.e-control.at/portal/page/portal/ECONTROL_HOME/INTERN/ADMINISTRATION/DATEIEN/ PUBLIKATIONEN/STUDIEN/ DEA_OEKO_ASPEKTE_CONSENTEC2004A.PDF

[3] http://www.e-control.at/portal/page/portal/ECONTROL_HOME/INTERN/ADMINISTRATION/DATEIEN/PUBLIKATIONEN/ STUDIEN/DEA_NETZASPEKTE_TUGRAZ_IFEA2004.PDF