2212/AB XXIV. GP

Eingelangt am 24.07.2009
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BM für Jusitz

Anfragebeantwortung

 

 

 

DIE  BUNDESMINISTERIN
           FÜR  JUSTIZ

BMJ-Pr7000/0153-Pr 1/2009

 

An die

                                      Frau Präsidentin des Nationalrates

                                                                                                                           W i e n

 

zur Zahl 2176/J-NR/2009

 

Die Abgeordneten zum Nationalrat Mag. Albert Steinhauser, Freundinnen und Freunde haben an mich eine schriftliche Anfrage betreffend „Rechtsambulanz“ gerichtet.

Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:

Zu 1 und 2:

Eingangs möchte ich klarstellen, dass nicht das gesamte Projekt „Rechtsambulanz“ eingestellt bzw. beendet wurde, sondern lediglich einem Teilbereich, nämlich dem zuletzt eingebrachten Projektteil "Verfahrensreflexion 2009", die Bewilligung versagt wurde.

Die Bewilligung von Projekten im Strafvollzug richtet sich nach den gesetzlichen, personellen und sicherheitsrelevanten Vorgaben unter Wahrung der Persönlichkeitsrechte der Insassen. Die Zwecke des Strafvollzuges und die damit im Zusammenhang stehenden Maßnahmen sind gesetzlich verankert, wobei der professionellen Förderung, Ausbildung und Resozialisierung der Gefangenen ein hoher Stellenwert zukommt. Die hiefür zuständigen Rechtsschutzeinrichtungen leisten hier ebenso wie die Strafvollzugsbediensteten einen wesentlichen Beitrag.

Bei der Nachbesprechung von Urteilen durch noch in Ausbildung befindliche Jurist/Innen sehe ich dagegen nur in eingeschränktem Ausmaß einen Beitrag zu den gesetzlichen Vollzugszwecken. Offenbar wurden bei einigen der am Projekt beteiligten Insassen überzogene Erwartungen (in Richtung rechtliche Überprüfung des Strafverfahrens und dessen allfällige Wiederaufnahme) geschürt, die nicht erfüllt werden konnten. Generell ist die Gefahr einer Verunsicherung von Insassen nicht zu übersehen, kann doch von Studenten keineswegs verlangt werden, mit sämtlichen Aspekten des Straf- und Strafprozessrechtes vertraut zu sein.

Zu 3:

Meiner Ansicht nach dient der wissenschaftliche Diskurs mit Fachjuristen der Ausbildung von JuristInnen besser als die Nachbesprechung von Urteilen mit Strafgefangenen. Zur Erlangung wichtiger praktischer Erfahrung und zur Vertiefung und Erprobung der Rechtskenntnisse besteht nach Abschluss des rechtswissenschaftlichen Diplomstudiums für jeden Absolventen die Möglichkeit eines Rechtspraktikums in der Justiz.

Zu 4:

Die Justizanstalt Graz-Karlau war in den Jahren 2006 und 2007 in das Projekt „Rechtsambulanz im Strafvollzug“ eingebunden. Bereits 2005 fand zur Implementierung des Projektes eine ausführliche Vorbesprechung in der Justizanstalt statt. An dieser Besprechung nahmen die Projektverantwortlichen der Karl-Franzens-Universität Graz, ein Vertreter des Bundesministeriums für Justiz, der damalige Leiter des ehemaligen Fortbildungszentrums Strafvollzug sowie weitere acht Mitglieder des Leitungsteams der Justizanstalt Graz-Karlau teil. Darüber hinaus wurden im November und Dezember 2005 Vorbesprechungen und Führungen mit drei Studentengruppen mit insgesamt 26 Teilnehmer/Innen durch die Justizanstalt durchgeführt. Aus den noch zur Verfügung stehenden Aufzeichnungen der Justizanstalt ergeben sich für das Jahr 2006 zumindest sechs weitere Termine, an denen die Justizanstalt Graz-Karlau von Student/Innen, Professore/Innen bzw. anderen Mitarbeiter/Innen aufgesucht wurde. Vor Projektabschluss und Beendigung des Sommersemesters 2006 wurden in der Karl-Franzens-Universität die Arbeitsergebnisse der Studentengruppen präsentiert, wobei an der anschließenden Fachdiskussion nahezu das gesamte Leitungsteam der Justizanstalt Graz-Karlau teilgenommen hat.

Im Jahr 2007 wurde die Justizanstalt Graz-Karlau im Rahmen des Projektes „Rechtsambulanz im Strafvollzug“ zumindest an fünf Terminen von Studentengruppen aufgesucht. Die Projektbetreuung wurde im Sommersemester nahezu zur Gänze vom Leiter des Rechtsbüros übernommen, der hiebei einen nicht unwesentlichen Arbeitsaufwand zu erbringen hatte.

Im Jahr 2008 war die Justizanstalt Graz-Karlau nicht mehr in das Projekt eingebunden.

Die Justizanstalt Graz-Jakomini wurde in den Jahren 2006/2007 14 mal und in den Jahren 2008/2009 acht mal von Studierenden der Karl-Franzens-Universität aufgesucht.

Zu 5:

Aufgrund der knappen personellen Ressourcen mussten die im Rahmen der Projektabwicklung in der Justizanstalt Graz-Karlau notwendigen Personenkontrollen, die Termin- und Raumorganisation, Vorführungen der Insassen, Überwachungen, Sicherheitsvorkehrungen und Führungen durch die Dienst versehenden Beamten im Rahmen des „Normaldienstplanes“ miterledigt werden. Dadurch sind für die Bediensteten Mehrbelastungen, Organisationsänderungen und Aufgabenumverteilungen erforderlich geworden, um angesichts der zusätzlichen Aufgabenstellungen den „normalen“ Dienstbetrieb nicht zu beeinträchtigen. Darüber hinaus wurden durch die projektbedingte Rekrutierung der Insassen, die Einholung der Zustimmung der betroffenen Insassen, die Herstellung von Ablichtungen der jeweiligen Insassenurteile samt deren Anonymisierung Personalressourcen in spürbarem Ausmaß gebunden. Zudem war als ständiger Ansprechpartner für jede Studentengruppe ein leitender Bediensteter der Justizanstalt Graz-Karlau abgestellt. Die Koordination der einzelnen Besuchstermine erfolgte ebenfalls durch einen leitenden Bediensteten.

In der Justizanstalt Graz-Jakomini waren in der Projektabwicklung in den Jahren 2006/2007 zumindest 48 Bedienstete und in den Jahren 2008/2009 zumindest 38 Bedienstete tätig. Dieser Personalaufwand ging zu Lasten anderer Aufgaben der Anstalt.

Zu 6:

Es sind keine Zwischenfälle im Zusammenhang mit dem Projekt „Rechtsambulanz im Strafvollzug“ bekannt.

Zu 7:

Im Hinblick darauf, dass keine personellen Ressourcen für den Einsatz von zusätzlichem Personal zur Abwicklung des Projektes zur Verfügung standen, und folglich Bedienstete von ihren gesetzlich festgelegten Aufgaben teilweise abgezogen und zur Projektabwicklung abgestellt werden mussten, können die Mehrkosten kostenrechnerisch nicht dargestellt werden.

Zu 8:

Inhalt des unter Punkt 1 zitierten Projektteiles "Verfahrensreflexion 2009" ist es unter anderem, 15 Urteilsanalysen nach Einzelgesprächen mit den Verurteilen in einer Großgruppe zu präsentieren und zu diskutieren.

Dadurch erlangen Insassen Kenntnis vom genauen Urteilsinhalt ihrer Mithäftlinge, wodurch im Hinblick auf die Verschwiegenheitspflicht deren höchstpersönliche Rechte beeinträchtigt würden. Dazu kommt, dass eine Gruppendiskussion auch hinsichtlich der im Einzelfall betroffenen Tatopfer nicht unbedenklich ist.

Zu 9:

Die Touchscreens sind Serviceleistungen der Strafvollzugsverwaltung für die genannten Zielgruppen. Sie führen in Teilbereichen zu einer effizienteren Ressourcennutzung und sind nach wie vor vorhanden.

Zu 10 und 11:

Wie unter Punkt 1 ausgeführt, wurde lediglich einem Projektteil die Bewilligung versagt. Sofern ein zur Bewilligung eingereichtes Projekt mit den Grundsätzen des Strafvollzuges im Einklang steht und auf die knappen personellen Kapazitäten in den Justizanstalten Rücksicht genommen wird, steht einer Fortführung nichts entgegen.

 

. Juli 2009

 

(Mag. Claudia Bandion-Ortner)