223/AB XXIV. GP
Eingelangt am 16.01.2009
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möglich.
BM für Unterricht, Kunst und Kultur
Anfragebeantwortung
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Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur
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Frau Präsidentin des Nationalrates Mag. Barbara Prammer Parlament 1017 Wien
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Geschäftszahl: |
BMUKK-10.000/0242-III/4a/2008 |
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Wien, 13. Jänner 2009
Die schriftliche parlamentarische Anfrage Nr. 213/J-NR/2008 betreffend Gewalt an Österreichs Schulen, die die Abg. Mag. Dr. Martin Graf, Kolleginnen und Kollegen am 20. November 2008 an mich richteten, wird wie folgt beantwortet:
Zu Fragen 1 bis 3:
Die Studie ist mir bekannt und eine Bestätigung für mich, die seit November 2007 erfolgreich laufende Initiative „Weiße Feder – Gemeinsam gegen Gewalt“ an unseren Schulen weiter fortzusetzen. Die von mir initiierte Generalstrategie gegen Gewalt an Schulen umfasst unter anderem
- Qualifizierung der Lehrerinnen und Lehrer,
- Stärkung der Schulpartnerschaft zur Forcierung von Verhaltensvereinbarungen an allen Schulen,
- Einsatz von Präventionsprogrammen,
- Einbeziehung von externen Expertinnen und Experten zur Unterstützung der Schulen,
- Einbeziehung des Kulturbereiches zur Gewaltprävention,
- Aufstockung der Schulpsychologie um 20%.
Zu Fragen 4 und 5:
Zur Frage nach einem etwaigen Zusammenhang zwischen Gewaltbereitschaft und der Zuwanderung bzw. des Migrationshintergrundes verweise ich auf das Ergebnis der Studie „Bullying und Victimisierung in multikulturellen Schulklassen“ der Universität Wien.
In dieser Studie wurden deutschsprachige Jugendliche, türkischsprachige Jugendliche, Jugendliche mit Sprachen aus dem ehemaligen Jugoslawien und Jugendliche mit sonstigen Muttersprachen hinsichtlich Gewalthandlungen untersucht. Die entscheidende Frage war, ob sich diese vier Gruppen hinsichtlich Bullying signifikant unterscheiden. Die Ergebnisse zeigen, dass sich zwischen den vier Gruppen keine Unterschiede bei physischem Bullying ergeben. Außerdem zeigte sich, dass Schülerinnen und Schüler mit deutscher Muttersprache ihre Mitschülerinnen und -schüler sowohl häufiger ausgrenzen als auch häufiger verbal beleidigen als Schülerinnen und Schüler mit türkischer und „bosnisch/serbisch/kroatischer“ Muttersprache.
Zu dieser Thematik stellt Strohmeier weiters fest, dass die kulturelle Zugehörigkeit der Kinder bei aggressivem Verhalten (in der untersuchten Gruppe der 5. bis 8. Schulstufe) eine eher untergeordnete Rolle spielt und es kaum Unterschiede im aggressiven Verhalten zwischen Kindern und Jugendlichen mit unterschiedlichen Muttersprachen gibt (Strohmeier, D. (2007): Soziale Beziehungen in multikulturellen Schulklassen: Wo liegen die Chancen, wo die Risken? In: Erziehung und Unterricht 9–10, S. 796–809).
Weiters liegen mir die Studienergebnisse der WHO/HBSC 2002 und 2006 vor. Eine auffällige Häufung von einschlägigen Vorkommnissen an bestimmten Schultypen ist aus dieser Studie nicht ablesbar.
Zu Fragen 6 bis 15:
Wie bereits im Zuge der Beantwortung der Parlamentarischen Anfrage Nr. 3318/J-NR/2008 (3202/AB XXIII. GP) festgehalten, steht im Hinblick auf die gegebene Dezentralisierung im Schulwesen und im Zusammenhang mit den Zuständigkeiten bei Schulen und Schulbehörden weder eine entsprechende Datenbasis zu den angesprochenen Themenfeldern zur Verfügung, noch bestehen einheitliche statistische Verfahren im Schulbereich.
Soweit anlässlich der zitierten Anfrage vom 17. Jänner 2008 im Zusammenhang mit den Fragen nach den schulunterrichtsrechtlichen Instrumentarien (Androhung des Ausschlusses, Suspendierung, Ausschluss) von den Schulbehörden Informationen zu „Gewalt“ bereit gestellt werden konnten (vgl. dazu die Angaben hinsichtlich des weiterführenden Schulwesens bezüglich des Jahres 2007 in 3202/AB XXIII. GP), würde die Beantwortung der nunmehr vorliegenden Fragestellungen eine unmittelbare Befassung aller Schulen des Regelschulwesen (5.877 Schulen mit 1.187.937 Schülerinnen und Schülern sowie 121.756 Lehrkräften) erforderlich machen. Zudem stellen sich die im Rahmen der gegenständlichen Anfrage verwendeten Begriffe tatsächlich vielschichtiger dar, als dies mit der einfachen Frage nach „Wo haben Sie Gewalt erfahren?“ oder „Besteht ein Migrationshintergrund?“ beantwortbar wäre; maW. hängt es sehr stark von der Definition ab, was subjektiv darunter verstanden wird. Ich verweise diesbezüglich auch auf die Beantwortung der Fragen 1 bis 5.
Vor diesem Hintergrund ist es daher unmöglich, genaue Angaben von den Schulen bzw. den Schulbehörden des Bundes zu erhalten und diese exakt im Rahmen einer zahlenorientierten Abfrage abbildbar zu machen sowie in einen seriösen systematischen Zusammenhang zu bringen. Eine exakte und lückenlose Beantwortung ohne massiven Erhebungsaufwand ist daher nicht möglich.
Es wird jedoch in diesem Zusammenhang die Polizeiliche Kriminalstatistik Österreichs und die dort getroffene Begrifflichkeit von „Gewalt“ im Sinne der Erfassung der Anzeigen von strafrechtlich relevanten Tatbeständen und ermittelten Tatverdächtigen nach Alterskategorien und Personengruppen, wie etwa Fremde und Schüler, verwiesen. Jedoch auch aus dieser Statistik lässt sich weder der „Tatort“ ableiten, noch ein Bezug zum Ausgang eines allfälligen strafgerichtlichen Verfahrens unter Bedachtnahme auf die gegebene Strafmündigkeit herstellen.
Zu Frage 16:
Hierzu verweise ich nochmals auf meine Initiative „Weiße Feder – Gemeinsam gegen Gewalt“ und insbesondere auf das „5-Punkte-Programm gegen Gewalt“, das im Rahmen der Generalstrategie verabschiedet wurde. Die fünf Punkte lauten im Einzelnen:
1. Qualifizierungsoffensive in der LehrerInnenbildung:
Ab dem Studienjahr 2009/2010 wird es für alle angehenden Pflichtschullehrerinnen und -lehrer ein verpflichtendes Ausbildungsmodul zur Stärkung sozialer Kompetenzen geben. So werden die Pädagoginnen und Pädagogen befähigt, den Schülerinnen und Schülern soziale Kompetenzen zu vermitteln, professionell mit Konflikten umzugehen und zur Gewaltprävention beizutragen.
Darüber hinaus sind Gewaltprävention und soziales Lernen Schwerpunkte in der Lehrkräftefortbildung 2009. An allen Pädagogischen Hochschulen sind in einem Train the Trainer-Programm Multiplikatorinnen und Multiplikatoren ausgebildet worden. 2009 steht in Folge an allen Pädagogischen Hochschulen ein umfangreiches Fortbildungsangebot (Hochschullehrgänge zB. für Peer Mediation oder ein Referentinnen- und Referentenpool für schulinterne Veranstaltungen) zur Verfügung.
2. Mehr SchulpsychologInnen:
Schulpsychologinnen und Schulpsychologen leisten nicht nur in Krisenfällen wertvolle Beratungs- und wichtige Vernetzungsarbeit. Eine Aufstockung der Schulpsychologinnen und Schulpsychologen ist Teil des Regierungsprogramms. Eine Aufstockung der Schulpsychologinnen und Schulpsychologen um 20% auf 180 Planstellen wird bereits 2009 durchgeführt.
Außerdem bilden die verstärkte Kooperation mit außerschulischen Partnern und die Umsetzung von Modellprojekten zum Einsatz von Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern sowie von Sozialmoderatorinnen und Sozialmoderatoren in den Schulen einen weiteren Schwerpunkt im Jahr 2009.
3. Ausbau von Programmen zur Gewaltprävention:
Erfolgreiche Gewaltpräventionsprogramme für die Schulen werden ausgebaut.
Volksschule: 600 Module des Gewaltpräventionsprogramms „Faustlos“ kommen derzeit in den österreichischen Volksschulen zum Einsatz. Für 2009 ist eine Aufstockung um weitere 600 Stück auf 1.200 „Faustlos-Koffer“ geplant.
Hauptschule und AHS-Unterstufe: Das soziale Kompetenztraining „WiSK“ (Wiener soziales Kompetenztraining), wird auf alle Bundesländer ausgeweitet. Es zielt auf 10- bis 16-Jährigen ab und ist ein ganzheitliches Schulkonzept, das auf die Einbindung der Schulpartner abzielt. Es wurde von Univ.-Prof. Dr. Dr. Christiane Spiel entwickelt und ermöglicht eine umfassende Auseinandersetzung mit dem Thema „Gewalt an der Schule“ mit dem Ziel, aggressives Verhalten deutlich zu reduzieren.
Berufsbildendes Schulwesen: Hinsichtlich der bestehenden Mediationsprojekte und der zur Thematik „Gewaltprävention“ gesetzten Maßnahmen wird exemplarisch auf den Bereich der Bildungsanstalten für Kindergartenpädagogik und der Bildungsanstalten für Sozialpädagogik verwiesen. Die Thematik „Gewaltprävention“ ist, auch aus der Bildungsaufgabe dieser für pädagogische Berufe qualifizierenden Schularten, im allgemeinen und speziellen Lehrplanteil aller fünfjährigen und Kolleg-Ausbildungsformen als solche grundgelegt. Dass – vor allem auch fächerübergreifend – zahlreiche Maßnahmen gesetzt werden und wurden kann anhand folgender Beispiele dokumentiert werden:
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2007 |
1) Projekt „Peaceexchange“ – Theaterworkshop zum Thema Konfliktlösung 2) Projekt „Gewalt in der Familie“ |
Bundes-Bildungsanstalt
für Kindergartenpädagogik |
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2007 |
Fortführung des schulautonom eingeführten Unterrichtsgegenstandes Mediation |
Bildungsanstalt für
Kindergartenpädagogik Schulstiftung der Erzdiözese Wien, Klostergasse 12 |
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2007 |
Implementierung von Peer-Mediation |
Bildungsanstalt für
Sozialpädagogik |
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2007 |
Einführung des schulautonomen Unterrichtsgegenstandes Mediation |
Bundes-Bildungsanstalt
für Kindergartenpädagogik |
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2007 |
Schulversuch: Interkulturelle Friedenserziehung als Prüfungsgegenstand der Reife- und Diplomprüfung |
Bundes-Bildungsanstalt
für Kindergartenpädagogik; |
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2007 |
Ausbildung von Schülern/Schülerinnen zu Peer-Mediatoren/Mediatorinnen |
Bildungsanstalt für
Kindergartenpädagogik 8600 B r u c k a.d. M u r |
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2007 |
Konfliktlösungsseminar für die Klassensprecher/innen |
Bildungsanstalt für
Kindergartenpädagogik |
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2007 |
Projekttage mit Themenschwerpunkt im Bereich Prävention sexueller Gewalt |
Bildungsanstalt für
Kindergartenpädagogik |
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2007 |
1) Fördermaßnahme: respektvoller Umgang miteinander 2) Angebot professioneller Mediation im Rahmen der Bezirksbetreuung (Kontakt über Vertrauenslehrer/innen) |
Bundes-Bildungsanstalt
für Kindergartenpädagogik Kolleg und Lehrgänge |
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2008 |
1) Workshop Kommunikation und Konfliktlösung 2) Praxiswoche Kommunikation und Sozialmanagement in Kooperation mit dem Österreichischen Institut für Frieden und Konfliktlösung |
Bundes-Bildungsanstalt
für Kindergartenpädagogik |
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2008 |
1) Weiterführung des schultypenübergreifenden Projektes „Peer-Mediation“ 2) Projektangebot „Mediation im Kindergarten“ |
Bildungsanstalt für Kindergartenpädagogik des Schulvereines der Kreuzschwestern Stockhofstraße 10 4020 L i n z |
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2008 |
Produktion einer achtminütigen DVD mit dem Thema Peer-Mediation/ Konfliktlösung – Präsentation bei Veranstaltungen zur Gewaltprävention in Salzburg und Graz, ausgezeichnet mit einem Annerkennungspreis |
Bundes-Bildungsanstalt
für Kindergartenpädagogik
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2008 |
Basisseminar “Prävention gegen sexualisierte Gewalt” in Kooperation mit dem Verein HAZISSA und einem Kinderarzt |
Bildungsanstalt für
Kindergartenpädagogik 8600 B r u c k a.d. M u r |
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2008 |
Weiterführung des Schulversuches „Interkulturelle Friedenserziehung als Prüfungsgegenstand der Reife- und Diplomprüfung“ |
Bundes-Bildungsanstalt
für Kindergartenpädagogik; |
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2008 |
Weiterführung des schulautonomen Unterrichtsgegenstandes Mediation |
Bundes-Bildungsanstalt
für Kindergartenpädagogik |
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2008 |
1) Weiterführung des Workshops Mediation 2) Weiterführung der Krisenintervention und Konfliktregelung nach Bedarf in den Klassen mit außerschulischen ExpertInnen |
Bundes-Bildungsanstalt
für Kindergartenpädagogik |
4. Verhaltensvereinbarungen:
Verhaltensvereinbarungen sind ein wirksames Instrument für ein gutes Schulklima und eine gelebte Schuldemokratie. Jede Schule soll Verhaltensvereinbarungen von Schülerinnen und Schülern, Lehrkräften und Eltern abschließen. Um die Schulen bei der Entwicklung von Verhaltensvereinbarungen zu unterstützen werden Best Practice-Modelle gesammelt und gemeinsam mit Unterrichtsmaterialien auf der Website www.weissefeder.at zur Verfügung gestellt. In Kooperation mit den Pädagogischen Hochschulen wird das Ressort für die Schulen ein Unterstützungsangebot für die Prozessbegleitung bei der Einführung von Verhaltensvereinbarung zur Verfügung stellen. Wichtig ist das Zusammenwirken von Schülerinnen und Schülern, Eltern sowie Lehrerinnen und Lehrern.
5. Jährliches Vernetzungsforum aller Partner und Institutionen:
Die Öffnung und Vernetzung der Schulen mit externen Partnern und Institutionen ist ein wesentlicher Schritt, um erfolgreiche Maßnahmen zur Gewaltprävention zu setzen. Ein wichtiger Beitrag dazu ist das in Zukunft jährlich stattfindende Vernetzungsforum aller Partner und Stakeholder-Gruppen.
Zu Fragen 17 bis 19:
Da zum Zeitpunkt der Anfrage die neue Bundesregierung noch nicht angelobt war, konnten auch keine entsprechenden Gespräche mit den nunmehr zuständigen Ressortleitungen für Inneres und für Jugend geführt werden. Mir ist eine optimale Zusammenarbeit mit den angesprochenen Bundesministerien im Sinne der Betroffenen selbstverständlich ein großes Anliegen, weshalb ich überall dort, wo dies wichtig und zielführend erscheint, die Kooperation mit den genannten Ressorts gezielt unterstützen und ausbauen werde.
Die Bundesministerin:
Dr. Claudia Schmied eh.