2255/AB XXIV. GP

Eingelangt am 27.07.2009
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BM für Justiz

Anfragebeantwortung

 

 

DIE  BUNDESMINISTERIN
           FÜR  JUSTIZ

BMJ-Pr7000/0158-Pr 1/2009

 

An die

                                      Frau Präsidentin des Nationalrates

                                                                                                                           W i e n

 

zur Zahl 2238/J-NR/2009

 

Die Abgeordneten zum Nationalrat Mag. Johann Maier und GenossInnen haben an mich eine schriftliche Anfrage betreffend „Book Search – Urheberrechtsver­letzungen – Massive Kritik an Google“ gerichtet.

Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:

Zu 1:

Google hat im Rahmen seines „Bibliotheksprojektes“ im Jahr 2004 damit begonnen, die Bestände amerikanischer Bibliotheken zu digitalisieren, um sie für Online-Nutzungen bereit zu halten. Eine Zustimmung der betroffenen Rechteinhaber hielt Google für nicht erforderlich, weil es diese Nutzung als nach dem US-Urheberrecht zulässigen „Fair Use“ betrachtete. Bisher wurden so sieben Millionen Bücher digitalisiert; in der Endstufe sollen es fünfzehn Millionen sein. Angeblich sollen sich auch andere als US-amerikanische Bibliotheken am Projekt beteiligt haben. Davon dass sich auch österreichische Bibliotheken beteiligt hätten, ist dem Bundesministerium für Justiz nichts bekannt.

Die kritisierten Nutzungen dürften zum größten Teil in den USA vorgenommen worden sein, weshalb ihre Zulässigkeit nach dem international anerkannten Schutzlandprinzip nach US-amerikanischem Urheberrecht zu beurteilen ist. Ein bestimmtes Verhalten auf seine Übereinstimmung mit dem US-amerikanischen Recht zu prüfen, dazu sind die Gerichte der USA berufen.

Zu 2:

Europäisches Urheberrecht käme nach dem Schutzlandprinzip nur dann zur Anwendung, wenn Nutzungshandlungen in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union vorgenommen wurden.

Dies vorausgesetzt wäre eine solche massenhafte digitale Vervielfältigung nach ihrer Übereinstimmung mit der abschließenden Liste freier Werknutzungen nach Artikel 5 der Richtlinie zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft (2001/29/EG) zu beurteilen. Ich sehe keinen Ausnahmetatbestand in dieser Bestimmung, der eine massenhafte Digitalisierung, wie von Google vorgenommen, decken würde.

Zu 3:

Der „Google-Vergleich“ in den USA soll unter anderem dazu führen, dass Google auch die Online-Wiedergabe von Werken europäischer Rechtinhaber in den USA vornehmen kann. Dabei soll dieser Vergleich für alle betroffenen Rechteinhaber wirken, die dem Vergleich nicht binnen bestimmter Fristen widersprechen.

Der Umstand, dass aufgrund der Besonderheiten des US-amerikanischen Prozessrechts europäische Rechteinhaber genötigt sind, Erklärungen abzugeben, wenn sie das Recht nicht verlieren wollen, gegen bestimmte Nutzungen durch Google gerichtlich vorzugehen, erscheint mir vor dem Hintergrund des Grundsatzes der Formfreiheit des urheberrechtlichen Schutzes nach Artikel 5 Abs. 2 der Berner Übereinkunft zum Schutz von Werken der Literatur und Kunst nicht unproblematisch. Diese Bestimmung gilt gemäß Artikel 9 des WTO-TRIPs-Abkommens auch für die Vertragsstaaten der Welthandelsorganisation (WTO).


Ich würde es daher begrüßen, wenn die für die WTO zuständige Generaldirektion „Handel“ der Europäischen Kommission in Hinblick auf diese Umstände prüfte, ob die USA ihren Verpflichtungen nach dem TRIPs-Abkommen nachkommen.

Zu  4 und 5:

Soweit mir bekannt erfasst das Google-Bibliotheksprojekt alle Bücher, über die die beteiligten Bibliotheken verfügen, sohin auch Bücher österreichischer Rechteinhaber. Das österreichische Urheberrechtsgesetz wäre nur anwendbar, soweit Nutzungshandlungen in Österreich vorgenommen werden. Dabei würde es § 42 Abs. 7 UrhG österreichischen Bibliotheken erlauben, ihren Bibliotheksbestand für den eigenen Gebrauch zu digitalisieren; eine Digitalisierung zugunsten der Online-Plattform Google ließe diese Bestimmung meines Erachtens aber nicht zu.

Zu 6:

Das Google-Projekt bezieht sich auf „Bücher“, die sich im Besitz von Partnerbibliotheken befinden. Ich gehe daher nicht davon aus, dass davon auch Dokumente erfasst sind, die in den Anwendungsbereich des Informationsweiterverwendungsgesetzes fallen.

Zweck der sogenannten „PSI-Richtlinie“ 2003/98/EG ist es, den Zugang kommerzieller Nutzer zu solchen Informationen zu erleichtern. Allerdings erlauben  weder das Informationsweiterverwendungsgesetz noch die Richtlinie 2003/98/EG, die davon erfassten „Informationen“ einfach ohne Zustimmung zu digitalisieren. Soweit Immaterialgüterrechte an solchen „Informationen“ bestehen, liegt es in der Verantwortung des jeweils zuständigen Ressortleiters über die Geltendmachung dieser Rechte gegenüber Google zu entscheiden.

Zu 7:

Der Umstand, dass sich Google aufgrund des Vergleichs nicht um die Zustimmung europäischer Rechteinhaber zu kümmern braucht und diese auf Einsprüche verwiesen sind, bewirkt unzweifelhaft eine bedeutende Vereinfachung für die Rechteklärung, die dem Konkurrenzprojekt für eine europäische digitale Bibliothek „Europeana“ nicht zur Verfügung steht.


Zu 8:

Es darf wohl davon ausgegangen werden, dass auch „mit österreichischen Steuergeldern finanzierte wissenschaftliche Veröffentlichungen“ vom Google-Bibliotheksprojekt erfasst sind.

Das Urheberrechtsgesetz enthält keine Sonderbestimmungen zur Rechteinhaberschaft an solchen Werken. Wer die Verwertungsrechte an Werken von Universitätsangehörigen innehat, die im Rahmen dienstlicher Obliegenheiten geschaffen wurden, ist eine Frage des anzuwendenden Dienst(vertrags)rechts. Für Werke, die im Rahmen öffentlicher Auftragsforschung geschaffen werden, obliegt es der Gestaltung der Auftragsverträge, die Rechte an solchen Werken zu klären.

Das österreichische Urheberrecht kann – schon in Hinblick auf seinen örtlichen Geltungsbereich – nicht ausschließen, dass in den USA „mit österreichischen Steuergeldern finanzierte wissenschaftliche Veröffentlichungen“ genutzt werden.

Zu 9:

Meines Wissens hat sich die Europäische Kommission noch nicht offiziell zum Google-Buch-Projekt geäußert.

Das Projekt wurde aber über Initiative der deutschen Delegation jeweils unter dem Punkt „Sonstiges“ auf den Ministerräten für Bildung, Jugend und Kultur am 11. und 12. Mai 2009 und für Wettbewerbsfähigkeit am 28. und 29. Mai 2009 angesprochen. In diesem Rahmen wurde die Kommission ersucht, in einem Bericht an den Rat eine Bewertung vorzubereiten. Dieser Bericht bleibt vorerst abzuwarten.

Zu 10:

Wie sich aus den auf der Website der Verwertungsgesellschaft Literar-Mechana zur Verfügung gestellten Informationen ergibt (http://www.literar.at/pages/xx/ne/goog1000.aspx), setzen sich die Literar-Mechana, die IG AutorInnen und der Hauptverband des Österreichischen Buchhandels dafür ein, dass österreichische AutorInnen und Verlage ihre Rechte gegenüber der Internetplattform Google wahren können. Sie führen intensive Gespräche mit ihren deutschen, schweizer und sonstigen europäischen Partnern, um ein koordiniertes europäisches Vorgehen in den USA zu ermöglichen. Sie sehen durch den Vergleich die Rechte von Urhebern nicht ausreichend geschützt, informieren ihre Bezugsberechtigten und Mitglieder und wollen für diese ein Dienstleistungsmodell erarbeiten, das den Betroffenen ermöglicht, ihre Rechte gegenüber Google optimal geltend zu machen.

. Juli 2009

 

(Mag. Claudia Bandion-Ortner)