2405/AB XXIV. GP
Eingelangt am 04.08.2009
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BM für Land –und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft
Anfragebeantwortung
NIKOLAUS BERLAKOVICH
Bundesminister
An die Zl. LE.4.2.4/0109 -I 3/2009
Frau Präsidentin
des Nationalrates
Mag.a Barbara Prammer
Parlament
1017 Wien Wien, am 28. JULI 2009

Gegenstand: Schriftl. parl. Anfr. d. Abg. z. NR Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber,
Kolleginnen und Kollegen vom 10.6.2009, Nr. 2377/J, betreffend
Bienensterben aufgrund der Saatgutbehandlung mit neonicotinoid-
hältigen Saatgutbeizen und tatenloses Zusehen der Behörden
Auf die schriftliche parlamentarische Anfrage der Abgeordneten Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber, Kolleginnen und Kollegen vom 10. Juni 2009, Nr. 2377/J, teile ich Folgendes mit:
Zu den Fragen 1 und 4:
Eine Aufhebung der Zulassung von Pflanzenschutzmitteln mit dem Wirkstoff „Clothianidin“ konnte auf Basis der unterschiedlichen Grundfaktoren und -voraussetzungen, die zu Schäden in Deutschland im Jahr 2008 geführt haben, nicht ausreichend begründet werden.
¨ In bestimmten Gebieten Deutschlands wurde mit der um das 2,5-fach höheren Aufwandmenge als bislang dort zugelassen gebeizt.
¨ Das teils erforderliche Nachbeizen, die geringe Erfahrung der Beizstellen mit den hohen Aufwandmengen und der teilweise Verzicht auf Zusatzstoffe (Haftmittel) führte zu stark unterschiedlichen Beizqualitäten mit zum Teil hohem Abriebanteil und starker Staubbildung.
¨ Pneumatische Sämaschinen mit ungünstiger Gebläseauslassöffnung sind in Deutschland weit verbreitet.
¨ Während des Maisanbaus herrschten in Deutschland ungünstige Witterungsverhältnisse.
¨ Eine zeitliche Koinzidenz der Frühjahrsblüte von Nachbarkulturen und Wildpflanzenbeständen mit dem Aussaattermin von Mais aufgrund der vorliegenden Witterungsverhältnisse herrschte vor.
Auf Grund der in Deutschland gemachten Erfahrungen wurden in Österreich zusätzliche risikomindernde Maßnahmen zum Schutz der Bienen gesetzt und die Zulassungen für insektizide Maisbeizmittel bzw. Repellents abgeändert. Diese Maßnahmen betrafen vor allem Auflagen zur Sicherstellung einer hohen Beizqualität und risikomindernde Auflagen bezüglich Handhabung des Saatguts und der Aussaat.
Die unterschiedliche Vorgangsweise in Deutschland und Österreich lässt sich neben den bereits ausgeführten Fakten auch durch den Umstand begründen, dass in Österreich mehr als 90 % des Maissaatgutes im Land produziert, aufbereitet und gebeizt wird. Mit der hohen Applikationsqualität unserer international anerkannten österreichischen Aufbereitungsstellen ist sichergestellt, dass das von den österreichischen Bauern verwendete Saatgut höchsten Qualitäts- und Sicherheitsstandards entspricht.
Der Maiswurzelbohrer gilt in der EU und damit in Österreich als Quarantäneschadorganismus. Der österreichische Maisanbau ist substantiell von diesem Schadorganismus betroffen. Es gibt somit eine gesetzliche Verpflichtung, den Schädling mit adäquaten Methoden einzudämmen bzw. die weitere Ausbreitung maßgeblich zu verlangsamen.
Die Befallssituation und -betroffenheit durch den Maiswurzelbohrer in Österreich ist im Gegensatz zu Deutschland deutlich dramatischer, und die potentiellen wirtschaftlichen Auswirkungen sind wesentlich gravierender.
Eine Bekämpfung der Larven, die an den Maiswurzeln fressen, ist durch die Beizung des Saatgutes technisch einfacher und zielgerichteter möglich und verringert so, verglichen mit dem Einsatz von Bodeninsektiziden in Form von Granulaten oder Spritzapplikationen, den erforderlichen Wirkstoffaufwand pro Flächeneinheit erheblich.
Zu Frage 2:
In Österreich wurde zu einem wesentlich früheren Zeitpunkt mit der Vorschreibung und Umsetzung risikomindernder Maßnahmen begonnen. Im Unterschied zu Deutschland werden in Österreich mehr als 90 % des Maissaatgutes im Land produziert, aufbereitet und gebeizt, sodass aus organisatorischen Gründen entsprechende Vorlaufzeiten notwendig sind. Zu diesem Zeitpunkt wurde auch von den deutschen Behörden noch der Wert von 1,3 g Abrieb/100.000 Körner favorisiert. Entscheidend ist jedoch, dass ca. 99 % der in Österreich 2008/2009 gebeizten Saatgutpartien den Abriebwert von 1,0 g Abrieb/100.000 Körner unterschritten haben.
Zu Frage 3:
Das Bundesamt für Ernährungssicherheit hat im Rahmen der Zulassung eine breite Palette an risikominimierenden Maßnahmen gesetzt. Nicht alle grundsätzlich möglichen technischen Maßnahmen konnten zu diesem Zeitpunkt jedoch bereits vollständig und obligat umgesetzt werden. Eine ausreichende Verfügbarkeit der staubabdriftmindernden Sätechnik für die verschiedenen Sämaschinenfabrikate war z.B. für das 1. Halbjahr 2009 in Österreich noch nicht gegeben. Für den Herbst 2009 wird diesbezüglich ein Aktionsplan entwickelt, der unter anderem vorsehen wird, dass gegebenenfalls ab 2010 in Österreich die Aussaat von insektizidgebeiztem Saatgut mit pneumatischen Sämaschinen nur mehr mit staubabdriftmindernder Technik zulässig sein wird.
Zu den Fragen 5 und 6:
Die in der Anfragebeantwortung 820/AB (XXIV.GP) vom 27. März 2009 abgegebene Stellungnahme bezog sich auf die Fälle der drei vorangegangenen Jahre, die im Rahmen des Forschungsprojektes „Maßnahmen zur Förderung der Bienengesundheit – Klärung von Bienenverlusten mit unbekannter Ursache“ dokumentiert und untersucht worden waren.
Eine Untersuchung der mit Vergiftungsverdacht eingesandten Proben im Jahr 2008 auf insektizide Wirkstoffe erfolgte grundsätzlich dann, wenn durch Voruntersuchungen eine mögliche Vergiftung nicht ausgeschlossen werden konnte sowie Menge und Zustand des eingesandten Probenmaterials für eine Rückstandsuntersuchung geeignet waren. Die Voruntersuchung umfasste die Dokumentation der näheren Umstände des Bienensterbens anhand der Angaben des Imkers und die Untersuchung auf Krankheitserreger und Parasiten.
2008 wurden aus 14 Imkereibetrieben insgesamt 19 Bienenproben mit Vergiftungsverdacht eingesandt. Davon wurden 15 Bienenproben aus 11 Betrieben auf insektizide Wirkstoffe von Phosphorsäureestern und Pyrethroiden untersucht. Bei der Untersuchung auf Phosphorsäureester und Pyrethroide konnte in 2 Fällen der positive Rückstandsnachweis den Vergiftungsverdacht bestätigen, wobei eine Vergiftung durch einen Frevelfall durch Chlorpyrifos und eine Vergiftung durch Dimethoateinsatz bei blühenden Ackerbohnen hervorgerufen wurde.
Nach Bekanntwerden der Bienenschäden und deren Ursachen in Deutschland im Jahr 2008 erfolgte in jedem einzelnen Vergiftungsverdachtsfall eine Überprüfung, ob ein möglicher Zusammenhang mit der Aussaat von insektizidgebeiztem Maissaatgut bestehen könnte. Alle 13 Bienenproben, bei denen ein derartiger Zusammenhang nicht ausgeschlossen werden konnte, wurden auf Clothianidin, Thiamethoxam, Imidacloprid, Methiocarb, Methiocarbsulfoxid und Methiocarbsulfon untersucht.
Mit den im Jahr 2008 durchgeführten Analysen konnte für die insektiziden Wirkstoffe kein positiver Rückstandsnachweis erbracht werden.
Zu den Fragen 7 und 8:
Die Proben wurden jeweils zum Zeitpunkt eines Vergiftungsverdachts an die Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit GmbH (AGES) eingesandt.
Die Probenanzahl umfasste 50 Bienenproben mit sehr unterschiedlicher Bienenmenge, 56 Bienenbrotproben unterschiedlicher Menge, 48 Pflanzenproben aus Nachbarkulturen von Maisanbauflächen und 6 Honigproben aus Bienenständen mit Vergiftungsverdacht.
Anzumerken ist, dass weitere Probenahmen auf Bienenständen (=Monitoringstände) in Mais- (16 Betriebe, 14 Bezirke, 53 Bienenbrotproben) und Rapsanbaugebieten (4 Betriebe, 4 Bezirke) erfolgt sind. Von diesen Bienenständen sind jedoch keine Bienenschäden gemeldet worden. Das Probenmaterial (Bienen, Bienenbrot, Nektarproben) für die Untersuchungen auf Krankheitserreger bzw. mögliche Rückstände von Pflanzenschutzmitteln wird tiefgekühlt gelagert.
Die Probenahme (Bienen, Pflanzenproben, Bienenbrot, Honigproben) erfolgte durch betroffene Imkerinnen und Imker selbst, aber auch in deren Auftrag durch Sachverständige für Bienenzucht oder im Zuge der Besichtigungen vor Ort durch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der AGES, aber auch im Zuge von gemeinsamen Besichtigungen.
Über die Bienen- und Bienenbrotproben des Jahres 2009, bei denen der Verdacht eines Zusammenhanges der Bienenverluste mit dem Einsatz insektizider Maisbeizmittel bestanden hat, liegen derzeit noch keine Ergebnisse vor.
Zu Frage 9:
Es stimmt, dass für das von der AGES eingereichte Forschungsprojekt MELISSA „Untersuchungen zum Auftreten von Bienenverlusten in Mais und Rapsanbaugebieten Österreichs und mögliche Zusammenhänge mit Bienenkrankheiten und dem Einsatz von Pflanzenschutzmitteln“ bislang noch kein Geld freigegeben werden konnte. Die notwendigen Voraussetzungen für eine Beauftragung dieses Forschungsprojektes aus Budgetmitteln der Auftragsforschung liegen erst jetzt vor. Das Bundesfinanzgesetz 2009/10, BGBl. I Nr. 49/2009, ist mit 1. Juli 2009 in Kraft getreten, der Vorbelastungsrahmen wurde vom BMF genehmigt.
Zum Projektsantrag wurden zwischenzeitlich nationale und internationale Stellungnahmen eingeholt und Anfang Juli die grundsätzliche Entscheidung zur Beauftragung des Projektes getroffen. Die AGES wird Einwände aus der Begutachtung in das Projekt einbauen. Eine Beauftragung des BMLFUW unter Mitfinanzierung der Länder wird bis Ende Juli erfolgen.
Zu den Fragen 10 bis 13:
Grundsätzlich ist festzuhalten, dass firmeninterne Erkenntnisse und daraus ableitbare Schlüsse durch die Probenentnahme und -untersuchung sowie daraus folgende Ergebnisse dem Datenschutz unterliegen.
Weiters wird darauf verwiesen, dass es der AGES obliegt, welche Institutionen für etwaige Beratungen und Meinungsaustausche hinzugezogen werden.
Es ist durchaus sinnvoll, dass bei Besichtigungen vor Ort alle betroffenen Stellen eingebunden werden um eine transparente Aufnahme und Diskussion der näheren Umstände zu gewährleisten. Diese Vorgangsweise wurde auch als ein positives Signal im Sinne einer umfassenden Aufklärung und Abklärung des Problems gewertet.
Durch die Kooperation mit den Pflanzenschutzfirmen war es möglich, einen ersten Überblick in Form von Zwischenergebnissen zu gewinnen, aus denen sich die zwingende Notwendigkeit zur Abstimmung der Untersuchungsmethoden hinsichtlich Untersuchungsparametern, Nachweis- und Bestimmungsgrenzen sowie des Spektrums untersuchter Wirkstoffe, in Abhängigkeit der im Flugkreis geschädigter Bienenvölker befindlichen Kulturarten, ergeben hat.
Die mitgeteilten Ergebnisse sind allerdings konträr bzw. nur bedingt vergleichbar (getrennte Probenahme, Untersuchung in zwei verschiedenen Labors, unterschiedliche Untersuchungsparameter, verschiedene Nachweis- bzw. Bestimmungsgrenzen).
Die von den Firmen vorgelegten Zwischenergebnisse, die nur einige der Verdachtsfälle abdecken, lassen daher kein abschließendes Gesamtbild zu.
Das ist auch der Grund dafür, dass es noch nicht möglich ist, eine gesicherte, fachlich und wissenschaftlich fundierte Darstellung des Problems und eine behördliche Aussage über die Schäden der Öffentlichkeit darzulegen.
Zu den Fragen 14 und 15:
Der Bericht der AGES zu den Untersuchungen sowie die ersten Ergebnisse aus dem Projekt „MELISSA“ bilden die Grundlage für eine ergänzende Neubewertung des Risikos einer Anwendung. Daraus werden dann die adäquaten Risikomanagementmaßnahmen für 2010 unter Abwägung der Anforderungen gemäß Pflanzenschutzmittelgesetz 1997 und Pflanzenschutzgesetz abzuleiten sein.
Zu Frage 16:
Der Fruchtwechsel ist natürlich die wirksamste Bekämpfungsmethode und wird in weiten Teilen des Befallsgebietes auch angewendet. Diese Maßnahme ist daher auch in der österreichischen Strategie zur Maiswurzelbohrerbekämpfung als wichtigste Maßnahme festgeschrieben. Je nach betrieblicher Bewirtschaftungsform und Flächenverhältnissen ist die Einhaltung einer Fruchtfolge jedoch oft nur in eingeschränktem Maß möglich.
Zu Frage 17:
Das Österreichische Agrarumweltprogramm ÖPUL 2007 hat viele verschiedene Zielsetzungen und besteht aus einer Vielzahl von Maßnahmen mit unterschiedlichen Förderungsvoraussetzungen. Die Einhaltung eines bestimmten maximalen Anteils von bestimmten Kulturen oder Kulturgruppen ist eine Auflage der Maßnahme „Umweltgerechte Bewirtschaftung von Acker und Grünlandflächen“ (UBAG) und soll sehr einseitige Fruchtfolgen vermeiden. Dazu ist jedoch Folgendes anzumerken:
¨ Die genannte Vorgabe von 66 % ist deutlich strenger als die entsprechende Vorgabe aus der „Cross Compliance“ und damit grundsätzlich mit den Vorgaben und Zielen eines Agrarumweltprogramms vereinbar (siehe Artikel 39 Absatz 3 der VO 1698/2005).
An der Maßnahme UBAG nehmen in Summe rund 71.000 Betriebe teil, von denen etwa 42.500 Ackerflächen bewirtschaften und somit von Fruchtfolgeauflagen direkt betroffen sind.
¨ Viele Maßnahmen haben ganz bestimmte Zielsetzungen und es ist daher nicht sinnvoll, Betriebe mit einem hohen Maisanteil aus diesen Maßnahmen auszuschließen; hier können insbesondere die Maßnahmen „Begrünung von Ackerflächen“ und „Naturschutz“ genannt werden.
Vergleicht man zum Beispiel Ackerbaubetriebe mit Mais, die an der Maßnahme UBAG teilnehmen, mit denen, welche an der Naturschutzmaßnahme teilnehmen, so fällt auf, dass bei den Naturschutzbetrieben etwa doppelt so viele über 60 % Mais in der Fruchtfolge haben wie bei den UBAG-Betrieben.
¨ Im ÖPUL sind die Finanzmittel nicht kontingentiert und Betriebe mit hohem Maisanteil stehen betreffend Finanzmittel nicht mit anderen Betrieben in Konkurrenz.
¨ Aus oben dargestellten Gründen hat eine Mittelzuordnung zu Betrieben mit einem bestimmten willkürlich definierten Maisanteil daher keinerlei Aussagekraft über die Umweltwirkung der jeweiligen betriebsspezifischen Maßnahmen.
Der Bundesminister: