2559/AB XXIV. GP

Eingelangt am 24.08.2009
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BM für Justiz

Anfragebeantwortung

 

 

 

DIE  BUNDESMINISTERIN
           FÜR  JUSTIZ

BMJ-Pr7000/0181-Pr 1/2009

 

An die

                                      Frau Präsidentin des Nationalrates

                                                                                                                           W i e n

 

zur Zahl 2556/J-NR/2009

 

Der Abgeordnete zum Nationalrat Mag. Albert Steinhauser, Freundinnen und Freunde haben an mich eine schriftliche Anfrage betreffend „eines Suizid im Maßnahmenvollzug“ gerichtet.

Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:

Zu 1:

Markus R. hat am 21. Februar 2009 in der Justizanstalt Stein Suizid begangen.

Zu 2:

Am 23. Juni 1994 wurde Markus R. zu einer achtmonatigen Freiheitsstrafe wegen  §§ 83 Abs. 1 StGB, 84 Abs. 1 StGB, 84 Abs. 2 Z 1 StGB verurteilt und gem. § 21 Abs. 2 StGB in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen.

Am 3. August 1995 wurde er wegen  § 279 Abs. 1 StGB zu 14 Tagen Freiheitsstrafe verurteilt.

Am 21. Dezember 1998 wurde er wegen §§ 269 Abs. 1 Z 1 StGB iVm 15 StGB, 83 Abs. 1 StGB zu zwei Monaten verurteilt und eine Unterbringung gem. § 21 Abs. 2 StGB angeordnet.

Zu 3:

Am 31. Jänner 1994 begann Markus R. in der elterlichen Wohnung zu toben und verletzte seinen Vater durch Stichverletzungen mit einem Küchenmesser (erste Verurteilung). Am 3. März 1995 griff er einen Justizwachebeamten durch das Versetzen von Tritten und Schlägen tätlich an, nachdem er die Anordnung, den Gang ordnungsgemäß zu reinigen, nicht befolgte hatte (zweite Verurteilung).

Am 20. Dezember 1998 versetzte er einem Mitgefangenen mehrere Faustschläge ins Gesicht, sodass dieser am rechten Augenbogen und an der Nase verletzt wurde. Daraufhin musste er unter Anwendung unmittelbaren Zwanges abgeführt werden. Dabei attackierte der Untergebrachte die Beamten mit Fausthieben und Fußtritten und versuchte, diese zu beißen (dritte Verurteilung).

Zu 4:

Es ist richtig, dass Markus R. wegen der Verurteilung aus 1994 im Jahr 2009 noch immer in Haft angehalten wurde.

Zu 5:

Markus R. war

vom 20.06.1994 bis 20.02.1995 in der Justizanstalt Graz-Jakomini,
vom 20.02.1995 bis 08.10.2002 in der Justizanstalt Wien-Mittersteig,
vom 08.10.2002 bis 21.10.2002 in der Justizanstalt Wien-Josefstadt,
vom 21.10.2002 bis 11.12.2007 in der Justizanstalt Wien-Mittersteig,
vom 11.12.2007 bis 04.06.2008 in der Justizanstalt Stein,
vom 04.06.2008 bis 17.06.2008 in der Justizanstalt Wien-Josefstadt,
vom 17.06.2008 bis 21.02.2009 in der Justizanstalt Stein

untergebracht.

Zu 6:

Markus R. wurde am 20. Februar 1995 von der Justizanstalt Gerasdorf aufgrund eines tätlichen Angriffes auf einen Justizwachebediensteten in die Justizanstalt Wien-Mittersteig überstellt. In der Folge wurde Markus R. mehr als fünf Jahre kontinuierlich zweimal wöchentlich in Einzeltherapie betreut. Mit März 1997 wurden von der Justizanstalt Wien-Mittersteig Vollzugslockerungen gewährt und Markus R. absolvierte wöchentlich begleitete Sozialtrainings. Zu Weihnachten 1997 wurde ihm erstmals eine 3-tägige Unterbrechung der Unterbringung gewährt. Nach einem tätlichen Angriff auf einen Mitinsassen wurde er in eine geschlossene Abteilung zurückverlegt. Ab Weihnachten 1998 wurde neuerlich eine dreitägige Unterbrechung der Unterbringung gewährt. Ab Oktober 2000 wurden ihm an den Wochenenden Unterbrechungen der Unterbringung zur Heimreise bewilligt.

Im Juni 2000 wurde die bedingte Entlassung aus der Maßnahmenunterbringung vom Vollzugsgericht abgelehnt, weil die einweisungsrelevante Gefährlichkeit noch nicht vollkommen abgeklungen war. In der Justizanstalt Wien-Mittersteig wurden die Bemühungen zur Rehabilitation fortgesetzt. Im Jahr 2001 kam es bei Markus R. – nach einer neuerlichen Abweisung der bedingten Entlassung – zu Resignation und einem sozialen Rückzug.

Die von der Justizanstalt Wien-Mittersteig unternommenen Rehabilitationsversuche schlugen letztlich auch aufgrund der vorliegenden Entwicklungsstörung fehl. Auch der Versuch, Markus R. in eine Nachbetreuungseinrichtung zu integrieren, schlug fehl. Markus R. war 2007 einige Wochen im Betreuungsheim Neutillmitsch Gralla untergebracht. Dabei handelte es sich um einen wichtigen Schritt in der Entlassungsvorbereitung, nämlich der Vorbereitung des sozialen Empfangsraumes.

Von diesem Heim entfernte sich Markus R. unerlaubt, konsumierte eine größere Menge Alkohol und fuhr mit dem Taxi zu seinen Eltern, wo er die Herausgabe seines Sparbuches forderte. Markus R. wurde zunächst von seinem Vater nach Rücksprache mit der Anstaltsleitung der Justizanstalt Wien-Mittersteig in das Heim zurückgebracht und anschließend wieder in die Justizanstalt Wien-­Mittersteig geholt.

Aufgrund des unerlaubten Entfernens während der Unterbrechung der Unterbringung erfolgte am 11. Dezember 2007 die Vollzugsortsänderung in die Justizanstalt Stein.

Zu 7:

Markus R. wurde in der Justizanstalt Stein ein Anstaltspsychologe als Bezugsbetreuer (Case Manager) zugewiesen, ebenso erhielt er psychiatrische Betreuung.

Markus R. wurde in der Sonderkrankenanstalt der Justizanstalt Stein untergebracht und zeigte durchgehend ein depressives Zustandsbild. Der Verlauf der Therapie in der Justizanstalt Stein war geprägt von mangelnder Mitwirkungsbereitschaft des Untergebrachten. Er verweigerte die Medikation und das Gespräch mit dem Case Manager.

Aufgrund einer Verbesserung des Zustandsbildes sollte eine Verlegung in den Zellentrakt der Justizanstalt durchgeführt werden. Markus R. weigerte sich, die Sonderkrankenanstalt zu verlassen, weshalb er wegen dieser Ordnungswidrigkeit in die Absonderungsabteilung verlegt wurde. Dort wurde erneut erfolglos versucht, den Insassen zu einer medikamentösen Behandlung zu bewegen.

Am 1. August 2008 erfolgte die ÜbersteIlung des Untergebrachten in das Landesnervenklinikum Mauer. Am 25. August 2008 kehrte der Untergebrachte aus Mauer deutlich stabilisiert zurück. Es wurde eine schizoide Persönlichkeitsstörung und eine schwerwiegend depressive Episode ohne psychotische Symptome diagnostiziert.

Markus R. wurde erneut in der Sonderkrankenanstalt der Justizanstalt Stein untergebracht, zeigte durchgehend ein depressives Zustandsbild und verweigerte bis zu seinem Suizid jegliche Medikamenteneinnahme sowie die Gespräche mit dem Case Manager. Er hielt regelmäßig Kontakt zum Psychiatrischen Dienst. Das Angebot einer Beschäftigung in der Ergotherapie lehnte der Untergebrachte ab.

Bei entsprechender Stabilisierung und Mitwirkungsbereitschaft hätte eine Rücküberstellung in die Justizanstalt Wien-Mittersteig zur Weiterführung der Entlassungsvorbereitungen erfolgen sollen.

Zu 8:

In den Jahren 2000 und 2001 wurde die bedingte Entlassung von der            Justizanstalt Wien-Mittersteig befürwortet.

In den Jahren 2008 sowie 2009 konnte eine bedingte Entlassung aus der Maßnahme gemäß § 21 Abs. 2 StGB von der Anstaltleitung der Justizanstalt Stein nicht empfohlen werden.

Zu 9:

Während der Unterbringung in der Justizanstalt Stein war der Untergebrachte nicht ausreichend stabil. Ein Kontakt zu einer strukturierten Nachbetreuungseinrichtung, als Grundlage für eine mögliche bedingte Entlassung, konnte deshalb nicht aufgebaut werden.

Zu 10:

Ich ersuche um Verständnis, dass ich den Inhalt der psychiatrischen und psychologischen Gutachten, die neben medizinischen Diagnosen sowie Beurteilungen von Intelligenz und Persönlichkeit auch Schilderungen und Bewertungen von Verhaltensweisen enthalten, aus Gründen der Amtsverschwiegenheit und des Schutzes der Persönlichkeitsrechte der Hinterbliebenen nicht bekanntgeben darf.

Zu 11:

Aus einem atypischen Einzelfall allgemeine politische Schlüsse für den Maßnahmenvollzug zu ziehen, halte ich für unangebracht.

 

. August 2009

 

(Mag. Claudia Bandion-Ortner)