2566/AB XXIV. GP
Eingelangt am 26.08.2009
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Bundeskanzler
Anfragebeantwortung
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An die Präsidentin des Nationalrats Maga Barbara PRAMMER Parlament 1017 Wien |
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GZ: BKA-353.110/0164-I/4/2009 |
Wien, am 24. August 2009 |
Sehr geehrte Frau Präsidentin!
Die Abgeordneten zum Nationalrat Dr. Moser, Freundinnen und Freunde haben am 29. Juni 2009 unter der Nr. 2563/J an mich eine schriftliche parlamentarische Anfrage betreffend Kompetenzklärung beim Schutz vor nichtionisierender/elektromagnetischer Strahlung gerichtet.
Diese Anfrage beantworte ich wie folgt:
Zu den Fragen 1 und 2:
Ø Welche dem Schutz vor nichtionisierender/elektromagnetischer Strahlung dienende Zuständigkeiten materienspezifischer Natur (im Sinne des zweiten Teil Ihrer in der Begründung zitierten Ausführungen in 1715/AB) gibt es in welchem Ressort?
Ø Welche Beispiele für „Gefahren durch nichtionisierende Strahlung, die keine für eine Verwaltungsmaterie typische Abart darstellen“ (siehe den ersten Teil Ihrer in der Begründung zitierten Ausführungen) sind Ihnen bekannt?
Die materienspezifischen Zuständigkeiten der Bundesministerien leiten sich vor allem aus Teil 2 der Anlage zu § 2 des Bundesministeriengesetzes 1986 (BMG) ab. Nach Teil 2 Abschnitt E, Z 1 des BMG ist zur „medizinischen Beurteilung der Anwendung ionisierender und nichtionisierender Strahlen“ das Bundesministerium für Gesundheit zuständig. Darüber hinaus ist im BMG eine Zuständigkeit zum Schutz vor nichtionisierender/elektromagnetischer Strahlung nicht ausdrücklich normiert.
Da die Zuständigkeiten im BMG allgemein beschrieben sind, kann nur im Einzelfall im Interpretationswege von den in Frage kommenden Bundesministerien erschlossen werden, bei welchen im BMG aufgezählten Zuständigkeiten auch der Schutz vor nichtionisierender/elektromagnetischer Strahlung mit umfasst ist.
Aus der Sicht des Bundeskanzleramtes können aus folgenden Überlegungen konkrete Ressortzuständigkeiten festgestellt werden.
In der Vergangenheit hat der Verfassungsgerichtshof einige Beispiele der für andere Verwaltungsmaterien typischen Arten der Gefahr für den allgemeinen Gesundheitszustand der Bevölkerung genannt. In dem von mir in der Beantwortung der Parlamentarischen Anfrage Nr. 1794/J zitierten Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes VfSlg. 3650/1959 - „Strahlenschutzerkenntnis“ wurde die Gefahr von Schädigungen der Gesundheit und des Lebens von Menschen durch elektrischen Strom, als eine angeführt, die allein für den Kompetenztatbestand „Sicherheitsmaßnahmen auf dem Gebiete elektrischer Anlagen und Einrichtungen“ (Art. 10 Abs. 1 Z 10 B‑VG) typisch ist. Daraus kann abgeleitet werden, dass der genannte Kompetenztatbestand auch die Abwehr von Schäden der Gesundheit und des Lebens von Menschen durch elektrischen Strom erfasst. Im Kompetenzfeststellungserkenntnis VfSlg. 6011/1969 hat der Verfassungsgerichtshof ausgesprochen, dass dem Kompetenztatbestand „Normalisierung und Typisierung elektrischer Anlagen und Einrichtungen, Sicherheitsmaßnahmen auf diesem Gebiet“ (Art. 10 Abs. 1 Z 10 B‑VG) auch „Sicherheitsmaßnahmen auf dem Gebiete der elektrischen Anlagen und Einrichtungen“ zu unterstellen sind. Der diesem Erkenntnis zu Grunde liegende Gesetzesentwurf der Wiener Landesregierung hat Maßnahmen vorgesehen, die der Abwehr von Gefahren dienen, die mit dem Auftreten elektrischer Potentialunterschiede verbunden sein können. Der Gerichtshof hat in der Begründung zu diesem Erkenntnis – rekurrierend auf das Strahlenschutzerkenntnis – klargestellt, dass es sich hier nicht um die Abwehr allgemeiner Gefahren, sondern vielmehr um die Abwehr besonderer Gefahren handle. Als solche sind Gefahren anzusehen, die einer konkreten Verwaltungsmaterie zuzuordnen sind, weil sie entweder primär nur innerhalb dieser Verwaltungsmaterie existent werden oder durch den Gegenstand der Regelung eine Spezifikation erfahren, die sie zu einer für die Materie allein typischen Art macht.
Maßnahmen zum Schutz vor nichtionisierender Strahlung, die von elektrischen Anlagen und Einrichtungen ausgehen, sind somit vom Kompetenztatbestand „Normalisierung und Typisierung elektrischer Anlagen und Einrichtungen, Sicherheitsmaßnahmen auf diesem Gebiet“ (Art. 10 Abs. 1 Z 10 B‑VG) erfasst.
Die „Angelegenheiten der Normalisierung und Typisierung elektrischer Anlagen und Einrichtungen, Sicherheitsmaßnahmen auf diesem Gebiet“ zählen zum Wirkungsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft, Familie und Jugend (Abschnitt L Z 26 des Teiles 2 der Anlage zu § 2 BMG).
Einen weiteren, im vorliegenden Fall in Betracht kommenden Kompetenztatbestand bildet das „Post und Fernmeldewesen“ (Art. 10 Abs. 1 Z 9 B‑VG). Nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes (vgl. zB VfSlg. 2721/1969) fallen unter diesen Kompetenztatbestand unter anderem Regelungen, die die Infrastrukturebene, das heißt die übertragungstechnischen Aspekte der Kommunikationsmärkte (Kommunikationsnetze und ‑dienste) betreffen. In Hinblick auf diesen Aspekt des Fernmeldewesens schließt der Kompetenztatbestand Bestimmungen mit ein, die die Errichtung und den Betrieb in technischer und wirtschaftlicher Hinsicht betreffen, sowie die typischerweise dazugehörigen Regelungsaspekte, wie die Sicherung des ungestörten Betriebs anderer Fernmeldeanlagen und die Abwehr von durch die Fernmeldeanlage typischerweise ausgehenden Gefahren. Daher ist davon auszugehen, dass Maßnahmen zum Schutz der Gesundheit vor Auswirkungen, die mit der Errichtung und dem Betrieb von Fernmeldeanlagen verbunden sind, dem Kompetenztatbestand „Fernmeldewesen“ gemäß Art. 10 Abs. 1 Z 9 B‑VG zugeordnet sind.
Die „Regulierung des Post- und Telekommunikationswesens“, zu denen insbesondere auch die fernmeldetechnischen Angelegenheiten des Hörfunks und des Fernsehens gehören, fällt gemäß Abschnitt K Z 11 des Teiles 2 der Anlage zu § 2 BMG in den Wirkungsbereich des Bundesministeriums für Verkehr, Innovation und Technologie.
Zu Frage 3:
Ø Welches Ressort hätte die federführende Zuständigkeit für die Ausarbeitung eines Bundesgesetzes zum Schutz vor nichtionisierender/elektromagnetischer Strahlung?
Welches in meiner Antwort zur Frage 2 angeführte Ressort die federführende Zuständigkeit zur Ausarbeitung des Gesetzesentwurfes hätte, hängt davon ab, welches Ressort vom auszuarbeitenden Bundesgesetz inhaltlich vorwiegend betroffen ist. Nach § 5 Abs. 1 Z 1 und Abs. 2 BMG haben diese Ressorts gemeinsam das federführende Ressort festzustellen.
Mit freundlichen Grüßen