2611/AB XXIV. GP

Eingelangt am 01.09.2009
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BM für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft

Anfragebeantwortung

 

 

 

 

NIKOLAUS BERLAKOVICH

Bundesminister

 

 

 

An die                                                                                    Zl. LE.4.2.4/0139 -I 3/2009

Frau Präsidentin

des Nationalrates

Mag.a Barbara Prammer

 

Parlament

1017 Wien                                                                                        Wien, am 31. AUG. 2009

 

 

 

Gegenstand:   Schriftl. parl. Anfr. d. Abg. z. NR Dr. Ruperta Lichtenecker, Kolleginnen

                        und Kollegen vom 3. Juli 2009, Nr. 2621/J, betreffend was tun Sie für die

                        Sicherheit der österreichischen Bevölkerung in der Causa Temelin?

 

 

Auf die schriftliche parlamentarische Anfrage der Abgeordneten Dr. Ruperta Lichtenecker, Kolleginnen und Kollegen vom 3. Juli 2009, Nr. 2621/J, teile ich Folgendes mit:

 

Einleitend sind einige Klarstellungen erforderlich. Die Präsidentin des Nationalrates hat den Bericht der österreichischen Mitglieder der gemischten österreichisch-tschechischen Parla­mentarischen Temelín-Kommission sowie den gemeinsamen Abschlussbericht dieser Kom­mission im Juni 2008 an den damaligen Bundeskanzler übermittelt, da er seinerzeit der Präsi­dentin des Nationalrates die Einsetzung einer derartigen bilateralen gemischten Kommission vorgeschlagen hat. Es obläge somit dem Herrn Bundeskanzler, die Bundesregierung formell im Ministerrat zu informieren. Dies ist bis heute nicht erfolgt.

 

Unbeschadet dessen wurden die Ergebnisse in meinem Hause mit Sorgfalt ausgewertet. Diese Auswertung ergibt, dass die Kommission ganz wesentliche Fortschritte erzielt hat. Andererseits sind noch immer wichtige Fragen offen, deren Klärung weiterhin mit Nachdruck betrieben werden muss. Die Kommission kam aber zu dem Schluss, dass diese Fragen im Rahmen des bilateralen  „Nuklearinformationsabkommens“  weiter  verfolgt  werden sollten und  kein weiterer

Bedarf mehr besteht, die in Annex I der „Vereinbarung von Brüssel“ angeführten Themen auf parlamentarisch-politischer Ebene zu behandeln. Dieses bilaterale „Nuklearinformationsabkom­men“ ist ein völkerrechtlich bindender Vertrag, der von beiden Staaten nach den jeweils geltenden innerstaatlichen Regeln gebilligt wurde.

 

 

Die Kommission hat beide Regierungen aufgefordert, alle Bemühungen zu unternehmen, um die für das „Follow-Up“ notwendigen Ressourcen sicher zu stellen, insbesondere die Finan­zierung der Forschungsprojekte, die zur Harmonisierung der wissenschaftlichen Basis für die Evaluierung der Erdbebengefährdung für den Standort Temelín beitragen können. Das Regierungsprogramm für die XXIV. Gesetzgebungsperiode führt dazu aus: „Beim Kernkraft­werk Temelín wird der Sicherheitsdialog intensiv fortgesetzt. Die Bundesregierung verfolgt weiter das Ziel, dass die im Anhang 1 der „Vereinbarung von Brüssel“ festgelegten Sicherheitsmaßnahmen vollständig realisiert werden. Dazu ist es auch erforderlich, die notwendigen Ressourcen – einschließlich der Finanzierung der vereinbarten seismischen Forschungsprojekte – zur Verfügung zu stellen.“

 

Die einzelnen Fragen beantworte ich wie folgt:

 

Zu Frage 1:

 

Mit dem „Melker Protokoll“ vom 12. Dezember 2000, das eine vom seinerzeitigen Bundeskanzler Dr. Wolfgang SCHÜSSEL, dem damaligen tschechischen Ministerpräsidenten Milos ZEMAN und dem damaligen Erweiterungskommissar Günter VERHEUGEN unterzeichnete politische Ver­einbarung ist, konnten u.a. erstmals konkrete Abläufe für einen Diskurs auf technischer Ebene vereinbart werden. Das „Melker Protokoll“ ist eine politische Vereinbarung und wurde binnen eines Jahres im Wesentlichen umgesetzt. Unbeschadet dessen ist es nach wie vor gültig, da es keine Befristung enthält und auch durch keine nachfolgende bilaterale Vereinbarung außer Kraft gesetzt wurde.

 

Mit der „Vereinbarung von Brüssel“ vom 29. November 2001 (Abkommen zwischen Österreich und der Tschechischen Republik betreffend Schlussfolgerungen des Melker Prozesses und Follow-Up (Conclusions of the Melk Process and Follow-Up), BGBl. III Nr. 266 vom 28. Dezember 2001), deren Abschlusserklärung erneut vom seinerzeitigen Bundeskanzler Dr. Wolfgang SCHÜSSEL, dem damaligen tschechischen Ministerpräsidenten Milos ZEMAN und dem damaligen Erweiterungskommissar Günter VERHEUGEN unterzeichnet wurde, haben dann erstmals zwei Staaten Sicherheitsziele für ein Kernkraftwerk in einem bilateralen Vertrag festgelegt. Damit haben beide Staaten nuklearrechtlich absolutes Neuland betreten. Auch dieses Abkommen enthält keine Befristung.

 

 

 

Zu Frage 2:

 

Diesbezüglich verweise ich auf die Anlage 1 zum Bericht der österreichischen Mitglieder der gemischten österreichisch-tschechischen Parlamentarischen Temelín-Kommission. Dieser Bericht enthält folgende Tabelle:

 

Nr.

PUNKT

Status

1

Hochenergetische Rohrleitungen

UNGEKLÄRT, weitere Informationen erforderlich

2

Qualifikation der Ventile

Abblaseventile – GEKLÄRT

Sicherheitsventile:

Unter Testanlagenbedingg. – GEKLÄRT

Übertragbarkeit auf ETE - UNGEKLÄRT

3

Reaktordruckbehälterintegrität

GEKLÄRT+)

+)  VERLIFE-Anwendung und Voreilprobendaten sind weiter zu verfolgen

4

Integrität d. Primärkreislaufkomp.

GEKLÄRT

5

Qualifikation von Komponenten

GEKLÄRT

6

Erdbebengefährdung

Insgesamt – UNGEKLÄRT

UP 1 – Datenbasis (Potenzial von Störungen): UNGEKLÄRT, Einigung auf Untersuchungen z. Klärung

UP 2 – Probabilistik: GEKLÄRT MIT VORBEHALT+)

UP 3 – Seismische Neubewertung: GEKLÄRT MIT VORBEHALT+)

UP 4 und 5 – GEKLÄRT

+)  Ggf. Neubehandlung entspr. Ergebnissen zu UP 1

7a

Schwere Unfälle – Rad. Folgen

GEKLÄRT

7b

Schwere Unfälle – SAMG

GEKLÄRT

 

Diese Tabelle zeigt deutlich, dass erhebliche Fortschritte erzielt werden konnten. Sie zeigt aber auch klar, dass noch Handlungsbedarf besteht.

 

 


Zu Frage 3:

 

Die ersten Monate meiner Amtszeit waren von dem Bemühen geprägt, die Finanzierung des oben erwähnten seismischen Projekts sicherzustellen.

 

Auch auf bilateraler Ebene habe ich keinen Zweifel daran gelassen, dass Österreich nach wie vor auf der vollständigen Umsetzung aller Sicherheitsziele des Anhang 1 der „Vereinbarung von Brüssel“ besteht.

 

Zu Frage 4:

 

Diese Frage betrifft keinen Gegenstand der Vollziehung des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft.

 

Zu den Fragen 5 bis 7:

 

Das bilaterale „Nuklearinformationsabkommen“, in der Fassung des Änderungsprotokolls, das am 1. Juli 2008 in Kraft getreten ist, zählt zu den modernsten und umfassendsten bilateralen „Nuklearinformationsabkommen“, die Österreich abgeschlossen hat. Da es die Behandlung von Fragen gemeinsamen Interesses im Bereich der nuklearen Sicherheit und des Strahlen­schutzes in allgemeiner und grundsätzlicher Form regelt, sind einzelne kerntechnische An­lagen nicht Gegenstand des Abkommens. Diese Fragen sind in der „Vereinbarung von Brüssel“ geregelt, die prozedural hinsichtlich bestimmter Artikel auf das bilaterale „Nuklear­informations­abkommen“ verweist. Dies wurde von der gemischten österreichisch-tschechi­schen Parlamen­tarischen Temelín-Kommission nochmals bekräftigt.

 

Zu den Fragen 8 und 9:

 

Leitlinie bleibt das eingangs zitierte Regierungsprogramm, das im Rahmen der gegebenen Möglichkeiten Zug um Zug umgesetzt werden wird. Dabei wird der Klärungsbedarf zu den Punkten 1 und 2 des Anhang 1 der „Vereinbarung von Brüssel“ im Vordergrund stehen. Da manche Sicherheitsziele die gesamte Lebensdauer der Anlage betreffen, wird deren Umsetzung auch über die gesamte Lebensdauer zu verfolgen sein.

 

Der Bundesminister: