2624/AB XXIV. GP
Eingelangt am 02.09.2009
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind
möglich.
BM für Finanzen
Anfragebeantwortung
Frau Präsidentin
des Nationalrates
Mag. Barbara Prammer Wien, am September 2009
Parlament
1017 Wien GZ: BMF-310205/0136-I/4/2009
Sehr geehrte Frau Präsidentin!
Auf die schriftliche parlamentarische Anfrage Nr. 2602/J vom 2. Juli 2009 der Abgeordneten DDr. Werner Königshofer, Kolleginnen und Kollegen beehre ich mich, Folgendes mitzuteilen:
Zu 1. und 2.:
Die Verträge des Bundes mit den einzelnen Kreditinstituten entsprechen den von der Europäischen Kommission genehmigten Beihilfebedingungen. Diese Beihilfebedingungen wurden vollständig veröffentlicht. Die Offenlegung zusätzlicher individueller Vertragsdetails könnte in Bezug auf laufende und künftige Vertragsverhandlungen die Verhandlungsposition des Bundes gegenüber den betreffenden Banken schwächen. Des Weiteren könnten im Rahmen einer Veröffentlichung von Vertragsinhalten Geschäftsgeheimnisse berührt werden. Hinsichtlich solcher Vertragsdetails liegt daher sowohl ein öffentliches Interesse als auch ein überwiegendes Parteiinteresse im Sinne von Art. 20 Abs. 3 B-VG vor, die einer Veröffentlichung entgegenstehen.
Zu 3.:
Nachdem Dividenden auf Partizipationskapital im Jahresgewinn gedeckt sein müssen, damit dieses auf die Eigenmittel anrechenbar ist, ist in Verlustjahren eine Ausschüttung ausgeschlossen. Unter Bedachtnahme auf die schwierige konjunkturelle Situation, die sich in Form von Kreditausfällen und Wertberichtigungen auch in den Ergebnissen der Kredit-institute niederschlägt, wurde bereits im Zuge der Budgetplanung von einem selektiven Ausfall von Dividendenzahlungen ausgegangen. Der längerfristige Erwartungswert an Dividendenzahlungen liegt bei etwa 75%.
Zu 4.:
Eine Verschlechterung der Bonität hat keine Auswirkungen auf die vertraglich festgelegten Bedingungen und Auflagen.
Zu 5.:
Als Bedingungen für die Zurückzahlung bzw. den Umtausch gelten die gesetzlichen Vorgaben der §§ 102 und 102a BWG und die insoweit vertraglich festgelegten Bestimmungen; auch ein Verkauf des Partizipationskapitals an Dritte ist möglich. Als Ausstiegsmöglichkeit wurden den Banken teilweise Call-Optionen zum Rückkauf des Partizipationskapitals eingeräumt.
Zu 6.:
Das Finanzmarktstabilitätsgesetz (FinStaG) sowie das Interbankmarktstärkungsgesetz (IBSG) wurden im vergangenen Jahr verabschiedet, um den Auswirkungen der globalen Finanzkrise zu begegnen. Zentrale Ziele sind die Wiederherstellung des Vertrauens und damit verbunden die Belebung des weitgehend ausgetrockneten Interbankengeldmarkts. Ein Instrument war die Etablierung der Clearingbank, für deren Akzeptanz am Markt die angesprochene Garantie von € 4 Mrd. essentiell war.
Eine gänzlich andere Funktion, nämlich die Entschädigung von Anlegeransprüchen aus Wertpapierdienstleistungen (die konkreten Bestimmungen hierzu sind in § 75 Abs. 3 WAG geregelt), hat die Anlegerentschädigungseinrichtung, weswegen eine Haftungsübernahme nach den Bestimmungen des FinStaG weder geboten noch gesetzlich möglich ist. Jedoch wurden die Bestimmungen über den Anlegerschutz nach WAG unabhängig von der Finanzkrise zuletzt umfassend novelliert, wobei die Maßnahmen zur Steigerung der Leistungsfähigkeit der AeW auch die Möglichkeit einer anlassbezogenen Haftungsübernahme durch den Bund vorsehen.
Zu 7.:
In der Frage des Einleger- bzw. Anlegerschutzes ist zwischen konzessionierten und beaufsichtigten Banken- und Finanzdienstleistern, deren Kunden bei Verwirklichung der gesetzlichen Anspruchsvoraussetzungen durch die Einlagensicherung bzw. die Anleger-entschädigungseinrichtung geschützt sind, und anderen Unternehmen, für deren Anleger kein derartiger Schutz besteht, exakt zu differenzieren. Potentielle Anleger sollten daher vor einem Vertragsabschluss die Berechtigung des Finanzdienstleisters ihrer Wahl zur Erbringung von Bank- bzw. Wertpapierdienstleistungen stets kritisch hinterfragen. Zum Zweck einer einfachen Überprüfung ist die FMA gesetzlich verpflichtet, auf ihrer Website eine aktuelle Liste der konzessionierten Unternehmen zu veröffentlichen.
Zu 8.:
Anlässlich der beihilfenrechtlichen Genehmigung des Bankenpakets wurden unter anderem folgende Kriterien zur Beurteilung der Systemrelevanz von Instituten definiert:
Im Fall der Constantia Privatbank war das hohe verwaltete Depotvermögen sowie die Verbindung mit der Constantia Kapitalanlagegesellschaft, die rund 195 Fonds verwaltet, für die Einstufung als systemrelevantes Institut durch FMA und OeNB ausschlaggebend. Im Fall einer Insolvenz der Bank wäre das aus den Depotgeschäften und der Verwaltung der Invest-mentfonds stammende Vermögen der Kunden zwar nicht verloren, wohl aber auf Monate unantastbar gewesen. Dies hätte einen Vertrauensverlust für den gesamten Investment-fondssektor nach sich gezogen.
Zu 9.:
Unmittelbar nach dem Signing des Übernahmevertrages wurden Vorstand und Aufsichtsrat der Kommunalkredit neu bestellt. Der neue Vorstand hat unter Beiziehung externer Sachverständiger eine Aufarbeitung der bisherigen Geschäftstätigkeit und die Feststellung der Verantwortlichkeit der abberufenen Organmitglieder veranlasst. Auf Basis der Prüfungsergebnisse wird über das weitere Vorgehen zu entscheiden sein.
Beim Landesgericht für Strafsachen Wien ist gegen diverse Personen ein Strafverfahren im Zusammenhang mit den wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Kommunalkredit Austria AG im Zuge der Finanzmarktkrise anhängig.
Zu 10. und 13.:
Die in der zwischen dem Bundesminister für Finanzen und der Oesterreichischen Clearingbank AG abgeschlossenen Haftungsvereinbarung vorgesehenen Auflagen sind von der Clearingbank zu erfüllen. Die Clearingbank ist insbesondere verpflichtet, die Richtlinien für die Abwicklung ihrer Interbankgeschäfte, die Anstellungsverträge der Vorstände und der leitenden Angestellten, Geschäftsbesorgungsverträge, Satzungsänderungen sowie gesellschaftsrechtliche Umstrukturierungen dem Bund zur Genehmigung vorzulegen. Eine Gewinnverteilung an die Aktionäre der Clearingbank ist ausgeschlossen, sofern der Bund aufgrund der Haftungsvereinbarung in Anspruch genommen wurde und diese Zahlungen des Bundes noch nicht dem Bund refundiert worden sind.
Zudem haben sich die Gesellschafter der Oesterreichischen Clearingbank AG gegenüber dem Bund verpflichtet, zwei vom Bund namhaft zu machende Personen in den Aufsichtsrat der Clearingbank zu entsenden, keine Gewinnverteilung entgegen den Bestimmungen der Haftungsvereinbarung durchzuführen, die Zustimmung des Bundes zur Übertragung der Gesellschaftsanteile bzw. zu Satzungsänderungen einzuholen sowie im Fall der Auflösung der Gesellschaft den Liquidationserlös – maximal bis zur Höhe der in Anspruch genommenen und noch nicht refundierten Haftungssumme – dem Bund herauszugeben.
Die aufgrund der Haftungsübernahme zugunsten der Constantia Privatbank AG in Höhe von 0,4 Mrd. Euro vorgesehenen Auflagen sind von der Constantia Privatbank AG zu erfüllen. Die Constantia Privatbank AG ist insbesondere verpflichtet, keine Dividenden an ihre Aktionäre auszuschütten, solange eine Inanspruchnahme der Garantie des Bundes noch möglich ist, bestimmte Auflagen betreffend die Vergütungen ihrer Organe, Angestellten und wesentlichen Erfüllungsgehilfen einzuhalten, auf die Arbeitsplätze im Unternehmen angemessen Bedacht zu nehmen und Satzungsänderungen sowie Rechtsgeschäfte, welche die Abgabe oder Übertragung wesentlicher Geschäftsbereiche zum Gegenstand haben, nur unter Zustimmung des Bundesministers für Finanzen abzuschließen.
Die aufgrund der Haftungsübernahmen zugunsten der Kommunalkredit Austria AG in Höhe von 5,3 Mrd. Euro vorgesehenen Auflagen sind von der Kommunalkredit Austria AG zu erfüllen. Die Kommunalkredit Austria AG hat sich insbesondere zur Überprüfung ihrer Vergütungssysteme, zur Bedachtnahme auf die Erhaltung der Arbeitsplätze und zur Ausrichtung der Geschäftspolitik auf Nachhaltigkeit verpflichtet. Des Weiteren sind die Vorlage eines Umstrukturierungsplanes, die monatliche Vorlage einer Liquiditätsplanung sowie Berichtspflichten vorgesehen.
In allen Haftungsvereinbarungen sind – neben der Verpflichtung zur Entrichtung eines Haftungsentgelts – unverzügliche Berichtspflichten über die Haftung des Bundes berührende Umstände, Einsichts- und Auskunftsrechte des Bundes sowie Vertragsstrafen vorgesehen.
Zu 11.:
Die Haftungsübernahme zugunsten der Oesterreichischen Clearingbank AG erfolgte gemäß § 1 Abs. 1 Z 1 IBSG, die Haftungsübernahmen zugunsten der Constantia Privatbank AG und der Kommunalkredit Austria AG gemäß § 2 Abs. 1 Z 1 FinStaG.
Die Ermächtigung des Bundesministers für Finanzen zu diesen Haftungsübernahmen ist in § 1 Abs. 1 IBSG sowie in § 1 iVm § 2 Abs. 1 FinStaG enthalten. Die Legitimation zur Übernahme der Haftungen ergibt sich aus diesen Rechtsgrundlagen.
Zu 12.:
Haftung zugunsten der Oesterreichischen Clearingbank AG:
Aufgrund seiner Haftung als Garant gemäß § 880a ABGB in Höhe von 4 Mrd. Euro ist der Bund verpflichtet, für den Fall, dass die gesetzlichen Eigenmittelerfordernisse der Clearing-bank durch Forderungsausfälle aus Geschäften im Sinne des § 1 Abs. 1 Z 1 IBSG unterschritten werden, ihr den daraus resultierenden erforderlichen Unterschiedsbetrag bis zum Höchstbetrag von insgesamt 4 Mrd. Euro in eigenkapitalfähiger Form zu leisten.
Die Haftungserklärung deckt Forderungsausfälle, die bis spätestens 31. Dezember 2010 entstanden sind und aus Geschäften der Clearingbank, die bis spätestens 31. Dezember 2009 eingegangen worden sind, resultieren. Ein formgerechter Abruf der Haftung muss bei sonstigem Ausschluss spätestens am 31. März 2011 beim Bund eingegangen sein.
Haftung zugunsten der Constantia Privatbank AG:
Aufgrund seiner Haftung als Garant gemäß § 880a ABGB ist der Bund verpflichtet, jeder der Eigentümerbanken (UniCredit Bank Austria AG, Raiffeisen Zentralbank Österreich Aktien-gesellschaft, Erste Group Bank AG, Österreichische Volksbanken-Aktiengesellschaft, BAWAG P.S.K. Bank für Arbeit und Wirtschaft und Österreichische Postsparkasse Aktiengesellschaft) jeweils auf deren erste schriftliche Anforderung und unter Verzicht auf jedwede Einrede den von dieser unter Hinweis auf die Garantievereinbarung geltend gemachten Betrag zu ersetzen. Die Bank muss bestätigen, dass eine von ihr gegenüber der Constantia Privatbank AG bestehende Forderung bei Fälligkeit nicht beglichen wurde oder werden kann und trotz Mahnung auch noch nach fünf Bankarbeitstagen ab Fälligkeit in der geltend gemachten Höhe unberichtigt aushaftet. Die Garantie des Bundes ist auf den Betrag von 400 Mio. Euro inklusive der banküblichen Zinsen und Kosten beschränkt.
Gegenüber jeder einzelnen Bank ist die Haftung des Bundes auf den sich aus dem Beteiligungsschlüssel für Finanzierungen ergebenden (Teil)Betrag samt banküblicher Zinsen und Kosten beschränkt.
Die Haftung des Bundes gegenüber den Banken ist unbedingt, unwiderruflich und seitens des Bundes nicht kündbar. Der Zeitraum für die Haftung des Bundes wurde mit Nachtragsvereinbarung vom 24. April 2009 bis zum Ablauf des 30. September 2009 verlängert. Die Haftung des Bundes kann letztmalig für Forderungen, deren vereinbarte Fälligkeit spätestens am 30. September 2009 eintritt, am 14. Oktober 2009 abgerufen werden.
Haftung zugunsten der Kommunalkredit Austria AG:
Mit den beiden Haftungsübernahmen für die 4,15% Fixzinsanleihe im Nominale von 4,3 Mrd. Euro und für die 2,873% Fixzinsanleihe im Nominale von 1 Mrd. Euro wurde vom Bund gegenüber der Oesterreichischen Nationalbank die unbedingte und unwiderrufliche Garantie gemäß § 880a ABGB für die ordnungsgemäße und pünktliche Zahlung von Kapital und Zinsen bei Fälligkeit gemäß den Emissionsbedingungen sowie von allen sonstigen Beträgen, die gemäß den Emissionsbedingungen auf die Fixzinsanleihe zahlbar sind, übernommen.
Sämtliche Zahlungen des Bundes aufgrund dieser Garantien hätten ohne Einbehalt oder Abzug von gegenwärtigen oder zukünftigen Steuern oder Gebühren, welcher Natur auch immer, erfolgen müssen. Beide Garantien sind zwischenzeitlich abgelaufen und wurden nicht erneuert.
Zu 14. und 15.:
Das Geschäftsmodell von Kreditinstituten und Versicherungsunternehmen unterscheidet sich grundlegend: Während Versicherungen als Kapitalsammelstellen primär Mittel zu veranlagen haben, sind die meisten Kreditinstitute auf eine ständige Refinanzierung über die Geld- und Kapitalmärkte angewiesen. Sie waren daher von der der Finanzkrise vorgelagerten Vertrauenskrise, die die Refinanzierungsmöglichkeiten nachhaltig beeinträchtigte, wesentlich stärker betroffen und aus Wettbewerbsüberlegungen angewiesen, für substantielle Risikopuffer in Form von möglichst hohen Eigenmittelquoten Sorge zu tragen.
Auf der Aktivseite profitierten die Versicherungsunternehmen bei der Bewertung der Finanz-anlagen von den im vergangenen Jahr temporär erleichterten Bewertungsvorschriften für Kapitalanlagen im Deckungsstock.
Zu 16. und 17.:
Ein Kauf der BAWAG P.S.K. würde der Bank kein zusätzliches Kapital zuführen und käme – Verkaufsbereitschaft vorausgesetzt – nur den bisherigen Eigentümern, insbesondere Cerberus, zu Gute. Für eine derartige, grundlose Verstaatlichung fehlt nicht nur die gesetzliche Grundlage, sie wäre auch ordnungspolitisch höchst problematisch und mit den Regeln des gemeinsamen Marktes kaum zu vereinbaren. Für im Fall von Stabilisierungs-maßnahmen erworbene Beteiligungen drängt die Europäische Kommission deswegen auch auf eine ehestmögliche Abgabe.
Zu 18.:
Hauptverantwortlich für die Geldwertstabilität im Euroraum ist die Europäische Zentralbank (EZB). Gemäß ihren Statuten ist die EZB ausschließlich dem Ziel der Preisstabilität (Inflationsrate nahe 2%) verpflichtet und genießt eine auch im internationalen Vergleich außerordentlich hohe Unabhängigkeit. Sie ist in der Vergangenheit inflationären Tendenzen stets entschieden und unbeeindruckt von tagespolitischen Zwischenrufen entgegengetreten. Gemäß den von der Oesterreichischen Nationalbank zur Verfügung gestellten Informationen über die Geldmengenentwicklung im Euroraum haben die im Zuge der Bemühungen zur Eindämmung der Finanzkrise den Geschäftsbanken zur Verfügung gestellten Zentralbankgelder die für die Inflationsentwicklung maßgeblichen monetären Aggregate, insbesondere die Geldmenge M 3, nur unwesentlich beeinflusst. Es besteht daher kein Anlass für Bedenken, dass die EZB mit ihren temporären Maßnahmen zur Krisenbekämpfung vom Stabilitätspfad abweichen könnte.
Mit freundlichen Grüßen