2829/AB XXIV. GP

Eingelangt am 10.09.2009
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BM für Unterricht, Kunst und Kultur

Anfragebeantwortung

 

Bundesministerium für

Unterricht, Kunst und Kultur

 

 

 

Frau

Präsidentin des Nationalrates

Mag. Barbara Prammer

Parlament

1017 Wien

 

 

 

 

Geschäftszahl:

BMUKK-10.000/0257-III/4a/2009

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Wien, 9. September  2009

 

 

Die schriftliche parlamentarische Anfrage Nr. 2837/J-NR/2009 betreffend Intelligenztestung von Kindern nicht deutscher Erstsprache im österreichischen Schulwesen, die die Abg. Mag. Alev Korun, Kolleginnen und Kollegen am 13. Juli 2009 an mich richteten, wird wie folgt beantwortet:

 

Zu Fragen 1 bis 4:

Mit dem Rundschreiben Nr. 19/2008 wurden Richtlinien für Differenzierungs- und Steuerungsmaßnahmen im Zusammenhang mit der Feststellung des sonderpädagogischen Förderbedarfs erlassen, welche

-     verbindliche Kriterien beschreiben und ein Instrumentarium für die Bezirksschulinspektorinnen bzw. Bezirksschulinspektoren darstellen, das zu einer erhöhten Transparenz und verbesserten Nachvollziehbarkeit im Zusammenhang mit der Feststellung des sonderpädagogischen Förderbedarfs führen soll, und

-     dazu beitragen sollen, im Sinn einer nachhaltigen regionalen Qualitätsentwicklung unter Berücksichtigung der jeweils individuell erforderlichen Förderbedürfnisse das Problembewusstsein bezüglich der pädagogischen und ressourcenmäßigen Konsequenzen im Zusammenhang mit der Feststellung des sonderpädagogischen Förderbedarfs weiter zu schärfen und vor allem im präventiven Bereich auch geeignete alternative Fördermaßnahmen für Kinder mit Lernproblemen in Betracht zu ziehen.


Ausdrücklich wird dabei auf Schülerinnen und Schüler mit anderen Erstsprachen als Deutsch hingewiesen: „Das bloße Nichtbeherrschen der Unterrichtssprache darf keinesfalls als Kriterium für die Feststellung des sonderpädagogischen Förderbedarfs herangezogen werden. Für diese Schülerinnen und Schüler sind die vorhandenen gesetzlichen Möglichkeiten auszuschöpfen und die entsprechenden Fördermaßnahmen (Sprachförderkurse für außerordentliche Schülerinnen und Schüler; Deutsch-als-Zweitsprache-Unterricht gemäß Lehrplan für ordentliche Schülerinnen und Schüler mit anderen Erstsprachen) durchzuführen.“

 

Die in der Anfrage angesprochene Problematik ist grundsätzlich bewusst. Vom Einsatz deutschsprachiger Tests bei Kindern, welche die deutsche Sprache noch nicht ausreichend beherrschen, wird daher abgeraten. Weiters wird nicht verkannt, dass Expertinnen und Experten der Auffassung sind, dass es keine „kulturfreien“ Tests gibt und dass Intelligenztests wenig über einen zu erwartenden Erfolg oder Misserfolg in der Schule aussagen.

 

Zur Problematik der Intelligenzdiagnostik überhaupt (Vorteil/Nachteil) ist aus schulpsychologischer Sicht anzumerken, dass Intelligenztests – wenn sie fachkundig eingesetzt werden (richtig interpretiert und in eine professionelle Beratung eingebettet) – einen Bestandteil einer umfassenden Beratung darstellen – nicht nur im Zusammenhang mit dem sonderpädagogischen Förderbedarf. Ein Nutzen ist darin zu sehen, vor allem mögliche Potentiale des Kindes feststellen und einer Förderung (nicht nur im schulischen Zusammenhang sondern im ganzheitlichen Sinne) zu Grunde legen zu können. Im Rahmen von Verfahren betreffend den sonderpädagogischen Förderbedarf wird die zusätzliche Heranziehung externer Gutachten (additiv zu Gutachten der/des Schulärztin/Schularztes, der/des Sonderschullehrerin/Sonderschullehrers und der Schulpsychologie) erwähnt. Jedenfalls wäre dabei eine Einbindung der Schulpsychologie empfehlenswert.

 

Im Übrigen wird auf die Ausführungen zu Fragen 5 und 6 verwiesen.

 

Zu Fragen 5 und 6:

Herr Univ. Prof. Mag. Dr. Klaus Kubinger, der Vorstand des Instituts für Entwicklung­spsychologie und psychologische Diagnostik, hat eine Kurzbeschreibung des Pilotprojekts „Zweisprachige (Türkisch –  Deutsch) Intelligenztestungen“ übermittelt und es wurde seitens der Fachabteilung Migration, interkulturelle Bildung, Sprachenpolitik des Bundesministeriums für Unterricht, Kunst und Kultur um Übermittlung eines Testdesigns ersucht. Ein Gespräch mit dem Genannten und den Fachabteilungen Sonderpädagogik sowie Schulpsychologie-Bildungsberatung des Hauses wird für Herbst 2009 ins Auge gefasst.

 

Zu Fragen 7 bis 10:

Entsprechend meinem Verantwortungsbereich ist es eine wichtige Aufgabe der Bildungspolitik, für alle Kinder und Jugendlichen, unabhängig von ihrer sozialen und kulturellen Herkunft, die Chance auf eine bestmögliche schulische Bildung und Ausbildung sicherzustellen. Alle Kinder und Jugendlichen sollen optimal gefördert werden, um ihre Potentiale zu stärken und auszubauen, Benachteiligungen sollen ausgeglichen und Chancengerechtigkeit hergestellt werden. Dazu wird grundsätzlich auf die im aktuellen Regierungsübereinkommen für den Bereich Bildung vorgesehenen Vorhaben, im Besonderen auf die Schwerpunktprojekte, wie insbesondere:

-     Kleinere Klassen und mehr Kleingruppenunterricht,

-     Bessere schulische Infrastruktur,

-     Mehr und bessere schulische Tagesbetreuung,

-     Bessere Sprachförderung,

-     Ausbau der Berufsorientierung und Bildungsberatung.

Im Besonderen soll mit der frühen sprachlichen Förderung, den Sprachförderkursen nunmehr auch an Hauptschulen und Polytechnischen Schulen, die von den einzelnen Schulstandorten bei Bedarf individuell genützt werden können, eine Steigerung in der Sprachkompetenz der Unterrichtsprache erreicht und in Folge ein verbesserter Zugang zu weiterführender schulischer Bildung gewährleistet werden.

 

Als zentrale Maßnahme zur Verringerung der Drop-Out-Quote an der 9. Schulstufe wurde für den Bundesschulbereich mit Wirksamkeit des Schuljahres 2008/09 die Eröffnungs- und Teilungszahlenverordnung novelliert und dadurch erreicht, in großen Klassen den Gegenstand Deutsch in zwei Gruppen teilen zu können. Damit ist eine wesentliche Voraussetzung geschaffen, die Sprachkompetenz im Gegenstand Deutsch deutlich zu verbessern, was auch durch die Verbesserung des sinnerfassenden Lesens positive Folgewirkungen auf die Erfolgsquote in zahlreichen anderen Unterrichtsgegenständen hat. Mittels dieser Maßnahme konnten an der 9. Schulstufe rd. 900 zusätzliche Kleingruppen im Gegenstand Deutsch gebildet werden. Ausgehend davon und in Zusammenhang mit den in diesem Bereich nach Bedarf angebotenen Förderkursen (1.085 Einzel-Förderkurse im Gegenstand Deutsch für 11.161 davon betroffene Schülerinnen und Schüler im Schuljahr 2008/09) wurden für den Deutschunterricht insgesamt (inkl. Freigegenstände und unverbindliche Übungen) im Schuljahr 2008/09 Personalausgaben von rd. 180 Mio. EUR aufgewendet. Davon ist auch für das das Schuljahr 2009/10 auszugehen.

 

Im Pflichtschulbereich bedürfen alle Maßnahmen im Zuge der Sprachförderung für Kinder mit anderen Erstsprachen als Deutsch zur Umsetzung der Abbildung im Stellenplan (konkret in den Stellenplanrichtlinien für das Schuljahr 2009/10) der allgemein bildenden Pflichtschulen. Die Stellenplanrichtlinien sind im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Finanzen zu erstellen und haben die Bestimmungen für die Zuteilung von Planstellen – in diesem Fall – zweckgebundene Planstellen zu enthalten. Seitens des Bundesministeriums für Unterricht, Kunst und Kultur wurde im Juli 2009 der 3. Nachtrag zu den Stellenplanrichtlinien für allgemein bildenden Pflichtschulen im Schuljahr 2009/10 zur Herstellung des Einvernehmens mit dem Bundesministerium für Finanzen übermittelt. Darin sind alle geplanten Maßnahmen unter dem Titel „Nachhaltige Integration, Sprach- und Begabungsförderung“ mit einem gesamten Planstellenvolumen von 327 Planstellen begrenzt. Dieses Planstellenvolumen würde die Ausweitung der Sprachförderung für Kinder mit einer anderen Erstsprache als Deutsch auch auf Schülerinnen und Schüler ohne Status eines außerordentlichen Schülers bzw. einer außerordentlichen Schülerin ausweiten (237 Planstellen) und ebenso die Aufstockung der Lehrkräfte für den muttersprachlichen Unterricht (90 Planstellen) umfassen. Für den Abruf dieser Planstellen, die zwar zweckgebunden aber in der Umsetzung flexibel nach den Bedürfnissen der Länder einzusetzen wären, ist die Vorlage eines Konzeptes seitens des jeweiligen Bundeslandes vorgesehen.

 

Die Bundesministerin:

Dr. Claudia Schmied eh.