2881/AB XXIV. GP

Eingelangt am 11.09.2009
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BM für Justiz

Anfragebeantwortung

 

 

 

DIE  BUNDESMINISTERIN
           FÜR  JUSTIZ

BMJ-Pr7000/0208-Pr 1/2009

 

An die

                                      Frau Präsidentin des Nationalrates

                                                                                                                           W i e n

 

zur Zahl 2893/J-NR/2009

 

Der Abgeordnete zum Nationalrat Werner Herbert und weitere Abgeordnete haben an mich eine schriftliche Anfrage betreffend „Diversion“ gerichtet.

Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:

Zu 1 sowie 3 bis 5:

Im Jahr 2008 wurden 44.455 Verfahren durch einen endgültigen Rücktritt diversionell erledigt.

Die Diversionsanbote und endgültigen diversionellen Erledigungen (Rücktritt von der Verfolgung) können für das Jahr 2008 – aufgegliedert nach den Diversionsarten – der nachstehenden Aufstellung entnommen werden:


 

Anbot

Vorläufiger Rücktritt

Ohne Erfolg

Endgültiger

Rücktritt

Geldbetrag

20.126

-

3.463

19.447

Gemeinnützige Leistungen

3.066

3.246

501

3.009

Probezeit ohne Zusatz

10.013

14.771

541

12.595

Probezeit mit Bewährungshilfe oder Übernahme von Pflichten

2.007

2.407

525

1.884

Tatausgleich

8.963

7.016

2.195

7.520

Summe

44.175

27.440

7.225

44.455

 

Eine Aufgliederung der diversionellen Anbote und endgültigen diversionellen Erledigungen nach den einzelnen Delikten des StGB bzw. strafrechtlichen Nebengesetzen steht dem Bundesministerium für Justiz nicht zur Verfügung.

Die Frage, wie viele Diversionen auf Amtsdelikte entfallen sind und welche diversionellen Maßnahmen bei Amtsdelikten gesetzt wurden, kann daher mit den zur Verfügung stehenden Daten der Diversionsstatistik nicht beantwortet werden.

Zu 2:

Nach der laufenden Kurzstatistik für den Berichtszeitraum Jänner 2009 bis Juni 2009 ergibt sich, dass im Register St in 1.145 Fällen (oder gegen 2.286 Personen) und im Register BAZ das Verfahren in 11.809 Fällen (oder gegen 15.864 Personen) diversionell erledigt wurde. Detailliertere Informationen liegen mir derzeit noch nicht vor.

Zu 6 und 7:

Diversion ist nach § 198 StPO bei Offizialdelikten zulässig, die in die Zuständigkeit des Bezirkgerichts oder des Einzelrichters fallen. Sie ist somit auf den Bereich der kleinen und mittleren Kriminalität beschränkt. Neben dem Erfordernis eines hinreichend geklärten Sachverhaltes ist nach § 198 StPO vorausgesetzt, dass die Schuld des Beschuldigten nicht als schwer anzusehen wäre, die Tat nicht den Tod eines Menschen zur Folge gehabt hat und die Bestrafung nicht geboten erscheint, um den Beschuldigten von der Begehung strafbarer Handlungen abzuhalten oder der Begehung strafbarer Handlungen durch andere entgegenzuwirken.

Wesentliches Ziel der mit der Strafprozessnovelle 1999 eingeführten Möglichkeit der Diversion ist es, unterschiedliche Reaktionsformen anzubieten, um auf strafrechtliche Handlungen einzelfallbezogen reagieren zu können. „Deliktskataloge“, die erneut schematische Zuordnungen zu bestimmten Diversionsmaßnahmen vornehmen, sind daher kaum möglich und würden auch von vornherein dieser Intention des Gesetzes widersprechen. Die einzelnen Diversionsformen stehen ganz allgemein nicht in einem hierarchischen Verhältnis zueinander, sodass nach dem von der Strafbemessung zu übernehmenden Prinzip der „ultima ratio“ im konkreten Einzelfall daher jene Maßnahme zu wählen ist, welche die Erreichung des gebotenen general- und spezialpräventiven Zwecks und gegebenenfalls die Schadensgutmachung mit dem verhältnismäßig geringsten Eingriff in die Lebensführung des Beschuldigten bei gleichzeitiger Wahrung der Opferinteressen erwarten lässt.

Insoweit ist nach wie vor die im Einführungserlass zur Strafprozessnovelle 1999, JABl. Nr. 1/2000, im Punkt 1.5. vertretene Ansicht aufrecht zu erhalten, dass im Fall von strafbaren Handlungen gegen Rechtsgüter der Allgemeinheit (z.B. gegen die Staatsgewalt, vgl. §§ 269 ff StGB, und gegen die Rechtspflege, vgl. §§ 288 ff StGB) ein Tatausgleich mangels Möglichkeit zum persönlichen Interessenausgleich in der Regel nicht in Betracht kommen wird, die Anwendung anderer diversioneller Reaktionsformen, etwa die Erbringung gemeinnütziger Leistungen, jedoch nicht ausgeschlossen ist.

Maßgebend ist somit stets das Nichtvorliegen von „schwerer Schuld“. Dieser Begriff umfasst in der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (etwa 15 Os 64/08p) das vom Beschuldigten verwirklichte deliktstypische Handlungsunrecht, das verschuldete Erfolgsunrecht, die als Gesinnungsunwert bezeichnete täterspezifische Schuld und darüber hinausgehend alle für die Bestimmung der Strafe sonst noch bedeutsamen Umstände im Sinn der §§ 32 ff StGB, somit Faktoren vor, nach und neben der Tatbestandserfüllung. Die Bewertung dieser Kriterien erfolgt dabei durch eine Gesamtbetrachtung aller nach Lage des konkreten Falls maßgeblichen Kriterien. Schwere Schuld liegt daher etwa vor, wenn Handlungs- und Gesinnungsunwert in Anbetracht der nach den gesamten Umständen der Tat zu konkretisierenden, gravierenden täterspezifischen Schuld insgesamt eine Unwerthöhe erreichen, die als auffallend und ungewöhnlich zu beurteilen ist.

§ 198 Abs. 1 StPO schließt eine Diversion nur aus, wenn den general- und spezialpräventiven Bedürfnissen auch unter Berücksichtigung der Diversionsmaßnahme nicht ausreichend Rechnung getragen wird, weshalb ein unbedingter Ausschluss von der Anwendung der Diversion nach einer bereits erfolgten Diversion nicht gerechtfertigt wäre (siehe auch die Möglichkeit, von der Fortsetzung eines Strafverfahrens gemäß § 203 Abs. 3 StPO abzusehen, wenn dies nach den Umständen nicht geboten ist, um den Beschuldigten von der Begehung strafbarer Handlungen abzuhalten).

Es ist – sofern die Diversionsvoraussetzungen vorliegen – zulässig, einem Beschuldigten mehr als einmal eine Diversion anzubieten. Die Fälle, in denen einem Beschuldigten mehrmals eine Diversion angeboten wird, werden allerdings statistisch nicht erfasst.

 

. September 2009

 

(Mag. Claudia Bandion-Ortner)