2944/AB XXIV. GP
Eingelangt am 30.10.2009
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BM für Finanzen
Anfragebeantwortung
Frau Präsidentin
des Nationalrates
Mag. Barbara Prammer Wien, am November 2009
Parlament
1017 Wien GZ: BMF-310205/0168-I/4/2009
Sehr geehrte Frau Präsidentin!
Auf die schriftliche parlamentarische Anfrage Nr. 2928/J vom 1. September 2009 der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen, beehre ich mich Folgendes mitzuteilen:
Einleitend wird darauf hingewiesen, dass das Bundesministerium für Finanzen und seine nachgeordneten Dienststellen bereits eine Reihe von konkreten Maßnahmen ergriffen haben, um gegen den Mehrwertsteuerbetrug wirkungsvoll anzukämpfen. Die strategische Neuausrichtung und Reorganisation der Betrugsbekämpfung, die höchst effiziente Informationsdrehscheibe durch die in jedem Finanzamt und Zollamt etablierten Betrugsbekämpfungskoordinatoren, sowie der permanente Informationsaustausch mit dem Risiko-Informations- und Analysezentrum, mögen hier als Beispiele genannt werden.
Dem Bundesministerium für Finanzen sind die Karussellgeschäfte bekannt und diese bilden auch einen Schwerpunkt bei der Bekämpfung des Mehrwertsteuerbetruges.
Ein großer Teil des Karussellbetruges steht tatsächlich in Zusammenhang mit Personenkraftwagen. Dies ist darin begründet, dass die EU-Umsatzsteuerrichtlinie Unterschiede bei Personenkraftwagen zwischen Neu- und Gebrauchtwagen und unterschiedliche Umsatzbesteuerungen bei privater oder gewerblicher Personenkraftwagen-Veräußerung vorsieht.
Weiters ist in solchen Fällen der Personenkraftwagen mit der Zulassungssteuer „Normverbrauchsabgabe“ belastet. Das bedeutet, dass der Wert eines zugelassenen Personenkraftwagens in Österreich circa zu einem Drittel aus Steuern besteht.
Ohne auf einzelne Betrugsmethoden einzugehen, hat das BMF (gemeinsam mit dem Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie und dem Verband der Versicherungsunternehmer) erreichen können, dass der Steuerbetrug bei Personenkraftwagen eingedämmt werden konnte:
Folgende Maßnahmen werden gesetzt:
Somit konnte eine Verschränkung der Zulassungsdatenbank mit der Steuerentrichtung (für die Zulassung freigeschalten) bzw. Nichtentrichtung (Zulassungssperre) erreicht werden.
Betreffend des geschilderten Betrugsmusters vom Bundesgerichtshof (BFG):
Das Motiv des Halters (=Zulassungsbesitzer) liegt in der deutschen Rechtslage. Die sieht vor, dass jeder Unternehmer, der seinen Personenkraftwagen zu mehr als 50% unternehmerisch nützt, (wobei auch Fahrten zwischen Wohnort und Arbeitsstätte als unternehmerisch gelten) zu 100% einen Vorsteuerabzug (Anschaffung, Leasingrate, Betriebskosten, etc.) hat. Konsequenterweise ist nun ein Verkauf eines unternehmerisch genutzten Personenkraftwagens umsatzsteuerpflichtig.
Das Österreichische Umsatzsteuerrecht bietet nicht die Möglichkeit eines Vorsteuerabzuges für einen Personenkraftwagen im Unternehmensbereich. Nur in Ausnahmefällen, wie z.B. Mietwagenunternehmer, Taxiunternehmer oder unter gewissen Bedingungen besteht die Möglichkeit eines Vorsteuerabzugs für Personenkraftwagen.
Daher ist diese Betrugsmethode, wie sie vom BFG beschrieben wird, in Österreich (vielleicht im Einzelfall), jedenfalls nicht epidemisch vorhanden.
Zu 1.:
Ja, dem Ressort sind Ketten- und Karussellgeschäfte bekannt.
Zu 2.:
Im Rahmen von Außenprüfungen (Betriebsprüfungen, Umsatzsteuersonderprüfungen) konnte in den Jahren 2006 bis 2008 bei Prüffeststellungen „Karussellbetrug“ festgestellt werden:
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2006 |
2007 |
2008 |
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Fallanzahl |
45 |
56 |
34 |
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Beträge in Euro |
66.257.691 |
113.602.896 |
55.727.710 |
2005 wurde eine solche Statistik noch nicht geführt.
Zu 3.:
Für Europa:
Österreich hat in einer eigenen Arbeitsgruppe der Europäischen Kommission zur Bekämpfung des Kfz-Steuerbetruges im Gebrauchtwagensektor teilgenommen. Die daraus gewonnenen Erkenntnisse der europaweiten Betrugsmethoden wurden durch österreichweite Schulungsmaßnahmen bei den Finanzbediensteten umgesetzt.
Eine Umsetzungsmaßnahme aus dieser Arbeitsgruppe war im Jahr 2008 die Installierung eines EU-weiten Informationsaustauschsystems (im Rahmen der EU-Amtshilfeverordnung VO 1798/2003/EG) über monatliche innergemeinschaftliche Lieferungen von Fahrzeugen. Seit 2009 liefert Österreich aktiv entsprechende Daten in dieses System. Zusätzlich besteht ein standardisiertes Meldesystem von Neufahrzeugen an Abnehmer ohne Umsatzsteuer-Identifikationsnummer an den Wohnsitzstaat des jeweiligen Käufers.
Für Österreich:
In Österreich wurde für das Jahr 2006 eine eigene TaskForce eingerichtet, die sich mit dem Thema Kfz im Zusammenhang mit Steuerhinterziehung intensiv beschäftigt hat. Die Ermittlungen ergaben bei 2400 Fahrzeugen eine Steuernachforderung von 17 Millionen Euro. Dies führte zu dem Projekt mit der Verschränkung der Zulassungsdatenbank mit der Steuerentrichtung.
Zu 4.:
Eine eigene Statistik innerhalb der Karussellgeschäfte mit Kraftfahrzeugen wird nicht geführt.
Zu 5.:
Es stehen keine Statistikdaten zur Verfügung, die eine Beantwortung der Frage ermöglichen würden.
Zu 6.:
Der VwGH hat wiederholt (vgl. VwGH 9.9.2004, 2001/15/0139, 30.3.2006, 2002/15/0203 und 2003/15/0015) entschieden, dass eine Rechnung, die zum Vorsteuerabzug berechtigen soll, u.a. den Erfordernissen des § 11 Abs. 1 Z 5 UStG 1994 genügen muss. Nach dieser Gesetzesbestimmung gehört zu den notwendigen Merkmalen einer Rechnung der Ausweis des Entgeltes für die Lieferung oder sonstige Leistung. Es muss sich um das tatsächlich beabsichtigte Entgelt handeln. Kann im Rahmen der freien Beweiswürdigung nach dem Gesamtbild der Verhältnisse (Hingabe kopierter Verrechnungsschecks und damit Unterbleiben eines tatsächlichen Zahlungsflusses; auffällig hoher Preis der Ware; ungewöhnliche Geschäftsanbahnung) die Feststellung getroffen werden, dass für die Warenlieferungen zwischen den Unternehmen der von einer Person aufgebauten Lieferantenkette überhaupt nicht beabsichtigt war, das Entgelt tatsächlich und in der in den Rechnungen ausgewiesenen Höhe zu leisten, ist bereits deshalb der Vorsteuerabzug zu versagen (mit Hinweis auf die Erkenntnisse vom 28.2.2002, 96/15/0270, 18.9.2003, 2000/15/0126 und 24.6.2004, 2001/15/0140).
Hatte der Steuerpflichtige Kenntnis davon, dass die auffällig ungewöhnliche Abwicklung der Umsätze einer durch eine andere Person initiierten Lieferantenkette einen Mehrwertsteuerbetrug bezweckte, oder konnte er davon Kenntnis haben, so steht ihm das Recht auf Vorsteuerabzug nicht zu (VwGH 30.3.2006, 2002/15/0203 mit Hinweis auf EuGH 12.1.2006, Rs C-354/03, Optigen u.a.).
Neben der höchstgerichtlichen Judikatur gibt es zahlreiche Berufungsentscheidungen des Unabhängigen Finanzsenates zum Thema Vorsteuerbetrug, von denen beispielsweise anzuführen sind:
UFSW 10.7.2007, RV/1751-W/04: Kein Vorsteuerabzug bei fehlerhafter Rechnung (unrichtige Anschrift des Lieferanten) und Kenntnis von der betrügerischen Absicht des Lieferanten;
UFSK 28.8.2007, RV/0111-K/07: Umsatzsteuerkarussell, hinreichende Verdachtsgründe für ein Wissenmüssen (mit Hinweis auf die Rechtsprechung des EuGH 21.2.2006, Rs C-255/02, Halifax, und EuGH 6.7.2006, Rs C-439/04, Kittel);
UFSW 13.7.2007, RV/2014-W/04: Kein Vorsteuerabzug bei erkennbarer Steuerhinterziehung des Lieferanten (mit Hinweis auf die Rechtsprechung des EuGH 12.1.2006, Rs C-354/03, Optigen u.a. und EuGH 6.7.2006, Rs C-439/04. Kittel).
Zu 7.:
Darüber wird keine gesonderte Statistik geführt. Im Übrigen wird auf die Beantwortung der Frage 2. verwiesen. Über ausländische Scheinunternehmer wird keine Statistik geführt.
Zu 8.:
Die Zusammenarbeit mit anderen Mitgliedstaaten der EU zum Zweck der Bekämpfung des Karussellbetruges basiert auf der Verordnung 1798/2003/EU, welche die Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten im Bereich der Mehrwertsteuer regelt.
Die Möglichkeiten welche die Verordnung 1798/2003/EU für die Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten zur Bekämpfung des Mehrwertsteuerbetrugs vorsieht, reichen von Anfragen im Einzelfall bis hin zur spontanen Informationsbereitstellung. In Fällen, in welchen die Schriftform nicht zielführend ist, besteht die Möglichkeit Prüfer/Prüferinnen in einen anderen Mitgliedstaat zu entsenden und gemeinsam mit den Kollegen vor Ort den Sachverhalt abzuklären. Zur Lösung von komplexen Sachverhalten können Prüfer/Prüferinnen verschiedener Mitgliedstaaten eine gleichzeitige Prüfung der involvierten Unternehmen durchführen und die entsprechenden Informationen direkt austauschen.
Zu 9.:
Die finanzstrafbehördliche Zuständigkeit liegt bei den Finanzämtern und Zollämtern als Finanzstrafbehörden 1. Instanz. Wenn der Wertbetrag 75.000 Euro bei vorsätzlichen Steuervergehen und 37.500 Euro bei vorsätzlichen Zollvergehen übersteigt, sind die Gerichte zuständig. Das Gericht bedient sich für die Ermittlungen in solchen Fällen der Steuerfahndung und der Zollfahndung. Eine Zuständigkeit der Bundespolizei für eine Strafverfolgung bei Finanzstrafsachen besteht nicht. Das Bundesministerium für Finanzen sieht darin für die Betrugsbekämpfung keine Probleme.
Mit freundlichen Grüßen
* Eine Freischaltung (=Voraussetzung einer österreichischen Zulassung) der FIN ist nur in einem Finanzamt nach Entrichtung der entsprechenden Steuern möglich!