2992/AB XXIV. GP

Eingelangt am 13.11.2009
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BM für Justiz

Anfragebeantwortung

 

 

DIE  BUNDESMINISTERIN
           FÜR  JUSTIZ

BMJ-Pr7000/0221-Pr 1/2009

 

An die

                                      Frau Präsidentin des Nationalrates

                                                                                                                           W i e n

 

zur Zahl 2981/J-NR/2009

 

Die Abgeordneten zum Nationalrat Mag. Albert Steinhauser, Freundinnen und Freunde haben an mich eine schriftliche Anfrage betreffend „die Unterbringung zurechnungsfähiger geistig abnormer Rechtsbrecher (§ 21 Abs. 2 StGB)“ gerichtet.

Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:

Zu 1:

Im Jahr 2000 waren insgesamt 260, im Jahr 2006 399, im Jahr 2007 435 und im Jahr 2008 449 Personen gemäß § 21 Abs. 2 StGB untergebracht.

Die Aufteilung nach Justizanstalten:

Justizanstalt

2000

2006

2007

2008

Garsten

13

54

59

68

Gerasdorf

7

10

11

13

Graz-Karlau

51

74

73

82

Wien-Mittersteig

126

150

149

140

Stein

42

77

96

106

Schwarzau

1

6

8

14

Feldkirch

1

1

2

2

Göllersdorf

3

10

7

7

Innsbruck

1

0

2

1

Graz-Jakomini

2

2

1

2

Leoben

0

1

2

1

Linz

2

4

6

2

Wien-Josefstadt

5

6

11

7

Klagenfurt

1

1

2

0

St.Pölten

0

0

1

0

Favoriten

2

0

0

0

Ried

1

0

0

0

Wels

0

1

0

0

Salzburg

0

1

2

3

Krems

0

0

3

1

Wr. Neustadt

1

0

0

0

Steyr

1

1

0

0

Gesamt:

260

399

435

449

 

Zu 2:

Die Darstellung der zugrundeliegenden Delikte (sortiert nach Deliktsgruppen) ist den folgenden Tabellen zu entnehmen:

Deliktsgruppe

Summe

Gemeingefährliche strafbare Handlungen und strafbare Handlungen gegen die Umwelt

15

Strafbare Handlungen gegen den öffentlichen Frieden

4

Strafbare Handlungen gegen die sexuelle Integrität und Selbstbestimmung

100

Strafbare Handlungen gegen die Staatsgewalt

1

Strafbare Handlungen gegen fremdes Vermögen

40

Strafbare Handlungen gegen Leib und Leben

57

Sonstige Delikte

43

Gesamtergebnis für 2000

260

 


Deliktsgruppe

Summe

Delikte nach SMG

1

Gemeingefährliche strafbare Handlungen und strafbare Handlungen gegen die Umwelt

19

Strafbare Handlungen gegen die sexuelle Integrität und Selbstbestimmung

169

Strafbare Handlungen gegen die Staatsgewalt

4

Strafbare Handlungen gegen fremdes Vermögen

59

Strafbare Handlungen gegen den öffentlichen Frieden

4

Tierquälerei

1

Strafbare Handlungen gegen Leib und Leben

108

Sonstige Delikte

34

Gesamtergebnis für 2006

399

 

 

Deliktsgruppe

Summe

Delikte nach SMG

1

Gemeingefährliche strafbare Handlungen und strafbare Handlungen gegen die Umwelt

21

Strafbare Handlungen gegen die Rechtspflege

1

Strafbare Handlungen gegen die sexuelle Integrität und Selbstbestimmung

187

Strafbare Handlungen gegen die Staatsgewalt

5

Strafbare Handlungen gegen fremdes Vermögen

58

Strafbare Handlungen gegen den öffentlichen Frieden

3

Tierquälerei

1

Strafbare Handlungen gegen Leib und Leben

121

Sonstige Delikte

37

Gesamtergebnis für 2008

435

 

 

Deliktsgruppe

Summe

Gemeingefährliche strafbare Handlungen und strafbare Handlungen gegen die Umwelt

16

Strafbare Handlungen gegen die Rechtspflege

1

Strafbare Handlungen gegen die sexuelle Integrität und Selbstbestimmung

196

Strafbare Handlungen gegen die Staatsgewalt

5

Strafbare Handlungen gegen fremdes Vermögen

59

Strafbare Handlungen gegen den öffentlichen Frieden

2

Delikte nach SMG

1

Tierquälerei

1

Strafbare Handlungen gegen Leib und Leben

128

Sonstige Delikte

40

Gesamtergebnis für 2008

449

 

 

Zu 3:

Insassen mit Freiheitsstrafen von bis zu 5 Jahren werden direkt in die Justizanstalt Wien-Mittersteig klassifiziert, um unmittelbar nach Rechtskraft des Urteils eine forensische Begutachtung durchzuführen. Das forensische Gutachten dient zur Festlegung der  therapeutischen Maßnahmen beziehungsweise zur Erstellung einer Empfehlung für den weiteren Vollzugsort. Ansonsten steht die Justizanstalt Wien-Mittersteig für Untergebrachte mit einer ausgeprägten Therapieindikation zur Verfügung.

Insassen mit Freiheitsstrafen von mehr als 5 Jahren werden in die Justizanstalten Stein,  Garsten oder Graz-Karlau klassifiziert. Für Frauen steht eine Klassifizierung in die Justizanstalt Schwarzau, für  Jugendliche oder dem Jugendvollzug unterstellte Insassen die Justizanstalt Gerasdorf als Vollzugsanstalt fest.

Eine Klassifizierung im Bereich des Maßnahmenvollzuges verfolgt zwei Prinzipien: Einerseits wird auf die Nähe zu den sozialen Kontaktpersonen und dem vorhandenen sozialen Empfangsraum geachtet, andererseits auf die Therapieindikation.

Die Justizanstalt Graz-Karlau steht für Untergebrachte mit dem Schwerpunkt der psychotherapeutischen und sozialtherapeutischen Behandlung zur Verfügung. In der Justizanstalt Garsten liegt der Betreuungsschwerpunkt in der sozialen Rehabilitation. In der Justizanstalt Stein ist vorrangig die Gruppe der als gefährlich eingeschätzten und/oder langstrafigen beziehungsweise geringer motivierten Insassen untergebracht.

Zu 4:

Das Strafvollzugsgesetz sieht für die Klassifizierung eine Mahnfrist von sechs Wochen vor. Diese Frist wird, bis auf besonders gelagerte Einzelfälle, in denen umfassendere Erhebungen durchzuführen sind, eingehalten.

Zu 5:

In den Justizanstalten steht folgendes Ausmaß an Personenstunden für Psychotherapie zur Verfügung:

 

Wochenstunden

Untergebrachte

Wochenstunden

Justizanstalt

 

(Stichtag 01.09.2009)

im Verhältnis

Wien-Mittersteig

41

132

0,3

Stein

35

102

0,3

Garsten

105

65

1,6

Karlau

60

76

0,7

Gerasdorf

11

10

1,1

Schwarzau

10

10

1

 

Dabei ist zu bemerken, dass unter dem Begriff Psychotherapie sowohl die Stunden externer Therapeuten  als auch (Therapie-)Stunden von Justizmitarbeiter/inn/en zusammengefasst sind. Einheiten der Gruppentherapie sind in der Aufstellung nicht erfasst. Neben dem Angebot der Psychotherapie gibt es zahlreiche weitere Behandlungsangebote.


Zu 6:

Die durchschnittliche Dauer der Anhaltung über das Strafende hinaus betrug im Jahr 2000 506 Tage und im Jahr 2008 672 Tage.

Die Darstellung der Deliktsgruppen ist der Tabelle zu entnehmen. Diese Daten beziehen sich auf die Insassen, die im angefragten Jahr entlassen wurden.

Gegliedert nach Deliktsgruppen:

Delikt

2000

2008

Durchschnittliche Dauer

Delikte gegen die Freiheit                                                                         

855,50

1.202,67

1.206,63

Delikte gegen die sexuelle Integrität und Selbstbestimmung                                         

 

1.069,93

1.157,38

Delikte gegen fremdes Vermögen                                                                     

872,00

-15,29

323,78

Delikte gegen Leib und Leben                                                                        

-348,00

-536,80

-101,27

Sonstige Delikte                                                                                   

502,08

1.080,33

673,65

Durchschnittliche Dauer

505,84

671,55

726,90

 

 

Gegliedert nach Justizanstalten:

Justizanstalt

2000

2008

Durchschnittliche Dauer

Garsten

-122,50

645,00

557,76

für Jugendliche Gerasdorf

340,00

777,50

319,43

Göllersdorf

 

 

2.078,00

Innsbruck

-1.563,00

 

-1.563,00

Wien-Josefstadt

 

 

-988,00

Graz-Karlau

557,00

430,00

341,09

Krems

 

 

228,00

Leoben

1.000,00

-86,00

457,00

Wien-Mittersteig

720,63

1.055,36

1.036,63

Salzburg

 

-3.197,00

-1.599,50

St. Pölten

262,00

4.837,00

2.549,50

Stein

 

458,67

1.092,14

Schwarzau

-156,00

197,50

107,80

Durchschnittliche Dauer

505,84

671,55

726,90

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Zu 7:

Im Jahr 2000 erfolgten 27, im Jahr 2006 31, im Jahr 2007 41 und im Jahr 2008 26 bedingte Entlassungen.

Zu 8:

Das Bundesministerium für Justiz hat betreffend den Maßnahmenvollzug gemäß § 21 Abs. 2 StGB mit stationären Nachbetreuungseinrichtungen in Wien und der Steiermark sowie mit Forensischen Nachbetreuungsambulanzen in Wien, Linz, Salzburg, Amstetten, Graz, Klagenfurt, Innsbruck und Vorarlberg Betreuungsverträge abgeschlossen. Über diese Struktur konnten zwar bis dato alle aus dem Maßnahmenvollzug gemäß § 21 Abs. 2 StGB bedingt Entlassenen versorgt werden, wobei mitunter eine stationäre Unterbringung durch ambulante Betreuung substituiert wird.

In der Praxis bestanden jedoch in der Vergangenheit Unklarheiten über die Ersatzfähigkeit von Unterbringungs- bzw. Behandlungskosten bzw. deren Grenzen im Lichte der Regelungen des § 179a Abs. 2 StVG. Diese Unklarheiten wurden zwischenzeitig durch eine entsprechende Novellierung des § 179a Abs. 2 des Strafvollzugsgesetzes (StVG) im Rahmen des 2. Gewaltschutzpaketes behoben.

Bedauerlicherweise ist jedoch die Bereitschaft der Bundesländer, deren Zuständigkeit von diesen Maßnahmen ebenfalls tangiert ist, derartige Kosten zu übernehmen und ebenfalls geeignete Betreuungseinrichtungen zur Verfügung zu stellen, nicht im erforderlichen Ausmaß vorhanden.

Zu 9:

Der massive Anstieg der Verurteilungen gemäß § 21 Abs. 2 StGB seit 1990 ist auf die allgemeine Verschlechterung des psychischen Gesundheitszustandes in weiten Teilen der Bevölkerung einerseits sowie auf die erhöhte Wahrnehmung der Staatsanwaltschaften zurückzuführen.

Ein weiterer Grund für den Anstieg der Untergebrachten gemäß § 21 Abs. 2 StGB liegt darin, dass weniger Untergebrachte bedingt entlassen als eingewiesen werden. Diese Tatsache spricht dafür, dass Gerichte vermehrt Einweisungen auch bei Verurteilungen zu einer geringeren Freiheitsstrafe aussprechen. Durch die dadurch entstehende Kumulierung der Insassen wird naturgemäß eine zielgerichtete Behandlung beziehungsweise Betreuung erschwert.

Zu 10 und 11:

Allgemein beeidete und gerichtlich zertifizierte Sachverständige werden nach einem eigenen Zertifizierungsverfahren in die von den Gerichtshofspräsidenten geführte Gerichtssachverständigenliste eingetragen. Dabei handelt es sich um eine Personenzertifizierung nach dem Sachverständigen- und Dolmetschergesetz (SDG), die eine Qualitätsprüfung beinhaltet und sicherstellt, dass nur höchstqualifizierte, integre und zuverlässige Expert/inn/en bei Gericht als Sachverständige verwendet werden. Voraussetzungen für die Zertifizierung sind unter anderem Fachkunde, einschlägige Berufserfahrung, Kenntnisse des Rechtswesens und der Gutachtensmethodik, die zur Gutachtertätigkeit erforderliche Ausstattung, geordnete wirtschaftliche Verhältnisse und der Abschluss einer Haftpflichtversicherung.

Bei den Mitarbeiter/innen, die innerhalb des Strafvollzuges Stellungnahmen verfassen, handelt es sich um hochqualifizierte Experten im forensischen Bereich. Die Stellungnahmen der Vollzugsmitarbeiter/innen erfolgen auf Grundlage der vorhandenen Gutachten und entsprechend aktueller wissenschaftlicher Standards. Die Vorgaben solcher Standards ist nicht Angelegenheit des Bundesministeriums für Justiz und ergibt sich aus dem letztgültigen Stand der jeweiligen Wissenschaft.

. November 2009

 

(Mag. Claudia Bandion-Ortner)