3090/AB XXIV. GP

Eingelangt am 23.11.2009
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BM für Justiz

Anfragebeantwortung

 

DIE  BUNDESMINISTERIN
           FÜR  JUSTIZ

BMJ-Pr7000/0229-Pr 1/2009

 

An die

                                      Frau Präsidentin des Nationalrates

                                                                                                                           W i e n

 

zur Zahl 3088/J-NR/2009

 

Die Abgeordneten zum Nationalrat Dr. Johannes Jarolim, Genossinnen und Genossen haben an mich eine schriftliche Anfrage betreffend „Schutz der Abg. z. nö. Landtag MMaga Drin Madeleine Petrovic vor Straftaten“ gerichtet.

Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:

Zu 1:

Die von der Abg.z.nö. Landtag MMag. Dr. Madeleine Petrovic eingebrachte Sachverhaltsdarstellung konnte deswegen bereits innerhalb kurzer Zeit einer Enderledigung zugeführt werden, weil die Einstellung wegen des Verdachts sowohl in Richtung § 283 Abs. 1 und 2 StGB als auch in Richtung § 276 Abs. 1 StGB jeweils aus rechtlichen Gründen erfolgte. In seiner Entscheidung vom 24. Juli 2009, 20 Bs 154/09g, bestätigte das Oberlandesgericht Wien diese Rechtsansicht.

§ 283 StGB schützt außer den im Inland bestehenden Kirchen und Religionsgesellschaften nur Gruppen, die durch die Zugehörigkeit zu einer solchen Kirche oder Religionsgesellschaft, zu einer Rasse, einem Volk, einem Volksstamm oder einem Staat bestimmt sind. „Asylanten“ sind als heterogene Gruppe verschiedenster Zusammensetzung somit kein von dieser Strafbestimmung geschützter Personenkreis. Außerdem wird auf der inkriminierten Internetseite weder zu einer feindseligen Handlung gegen Asylanten aufgefordert noch gegen diese gehetzt.

Tatobjekt des § 276 Abs. 1 StGB ist ein Gerücht, das falsch und überdies geeignet ist, einen großen Personenkreis zu beunruhigen und dadurch die öffentliche Ordnung zu gefährden. Als großer Personenkreis, d. h. eine Vielzahl von Menschen, wird eine Anzahl von rund 800 angesehen, wobei die Eignung zur Beunruhigung eines solchen Personenkreises genügt. Zwar war dieses Tatbestandselement nicht auszuschließen, jedoch fehlte der angezeigten Falschmeldung nach der zutreffenden Ansicht der Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt die Eignung zur Beunruhigung und zu einer dadurch bewirkten Gefährdung der öffentlichen Ordnung. Erforderlich ist dazu das Erwecken nachhaltiger besorgniserregender Empfindungen bei dem in Betracht kommenden Personenkreis. Bei der vorliegenden Falschmeldung über angeblich überhöhte Geldleistungen an Asylwerber im Vergleich zu einer österreichischen Familie war davon auszugehen, dass diese Intensitätsschwelle nicht überschritten wurde. Zudem ist eine Eignung zur Gefährdung der öffentlichen Ordnung erst dann anzunehmen, wenn die öffentliche Ordnung als Ordnungsgefüge im Staat insgesamt gefährdet wäre, also Handlungen vorgenommen werden, die dieses Organisationsgefüge insgesamt stören. Nach herrschender Auffassung liegt eine derartige Gefährdung etwa bei Panik, Massenflucht, Ansturm auf Geldinstitute oder Angstkäufen großen Ausmaßes vor. Anhaltspunkte für eine derartige Gefährdungseignung waren dem Sachverhalt jedoch nicht zu entnehmen.

Da ein gerichtlich strafbarer Tatbestand schon in rechtlicher Hinsicht nicht erfüllt sein konnte, unterblieb auch die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens.

Zu 2:

Nach den mir vorliegenden Informationen ist eine Berichterstattung an die Oberstaatsanwaltschaft Wien im angesprochenen Fall erst am 2. April 2009 aufgrund des von der Abg.z.nö. Landtag MMag. Dr. Madeleine Petrovic eingebrachten Fortführungsantrages erfolgt. Dieser wurde am 24. Juli 2009 mit der Begründung abgewiesen, dass die rechtlichen Erwägungen der Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt zutreffen und im Antrag auch keine neuen Tatsachen oder Beweise dargelegt wurden, die eine Fortsetzung des Verfahrens begründen könnten.

Zu den „Brandanschlägen“ wird auf die Beantwortung zu Frage 8. verwiesen.

Zu 3:

Die Oberstaatsanwaltschaft Wien schloss sich in ihrer Stellungnahme zum Fortführungsantrag der Rechtsmeinung der Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt an.

Zu 4:

Da aufgrund der zu Punkt 1 dargelegten eindeutigen Rechtslage in Verbindung mit der Sachverhaltsdarstellung der Abg.z.nö. Landtag MMag. Dr. Madeleine Petrovic ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren weder in Richtung § 283 Abs. 1 und 2 StGB noch in Richtung § 276 Abs. 1 StGB einzuleiten war und überdies kein besonderes mediales Echo oder sonstige Umstände im Sinne des § 8 Abs. 1 StAG vorlagen, entfiel eine Berichtspflicht nach den Bestimmungen des Berichtspflichtenerlasses 2009.

Zu 5:

Nein. Zu den Gründen siehe die Beantwortung zu Frage 1.

Zu 6:

Das angesprochene Verfahren nach § 278a StGB (u.a. Delikte) fällt unter die Agenden des Referates 6 der Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt. Der mit der Führung dieses Referates betraute Staatsanwalt ist auch Leiter der Gruppe C.

Die bisher erwähnten Erledigungen in Bezug auf die Sachverhaltsdarstellung der Abg.z.nö. Landtag MMag. Dr. Madeleine Petrovic erfolgten im Referat 11, das (damals) zur Gruppe B gehörte. Die Teilerledigung in Bezug auf § 283 StGB wurde von dem mit der Wahrnehmung der Agenden dieses Referates betrauten Staatsanwalt vorbereitet und vom Leiter seiner Gruppe approbiert. Die abschließende Erledigung in Bezug auf § 276 StGB wurde urlaubsbedingt von dem nach der Geschäftsverteilung vertretungsweise zuständigen Leiter des Referates 8 (Abt. 18) vorerledigt und (daher) von dessen Gruppenleiter (Gruppe C) approbiert.

Der im Folgenden noch zu Frage 8. der Anfrage darzustellende Fall „Brandanschläge" fiel in das (seit einer – aus Anlass der Rückkehr einer Staatsanwältin aus der Karenz vorgenommenen – Änderung der Geschäftsverteilung vom 7. April 2009 zur Gruppe A gehörende) Referat 11 und wurde von dem nach der Geschäftsverteilung zuständigen Referenten unter Revision des Leiters seiner nunmehrigen Gruppe A bearbeitet.

Zu 7:

Abgesehen davon, dass ein einzelner Staatsanwalt nicht als Person, sondern jeweils nur als Vertreter der Staatsanwaltschaft als einheitlich agierende und monokratische Organisation auftritt, lagen im gegenständlichen Fall keine Umstände im Sinne der §§ 28, 47 StPO vor.

Zu 8 bis 11:

Zunächst darf auf die Beantwortung der Fragen 2. und 6. verwiesen werden.

Nach der Aktenlage handelte der Angeklagte im Fall der „Brandanschläge“ mit dem Entschluss, „wahllos PKW in Brand zu setzen, um zu sehen, wie sich das Feuer auf das gesamte Fahrzeug ausbreiten würde“.

Hinweise auf die von der Anfrage relevierte mögliche Verbindung mit den an die Abg.z.nö. Landtag MMag. Dr. Madeleine Petrovic gerichteten Drohungen ergaben sich nicht. Die ermittelnden Polizeibeamten teilten dem zuständigen Staatsanwalt mit, dass in jener Straße, in der die Brandanschläge auf alte Autos verübt wurden, auch die Abg.z.nö. Landtag MMag. Dr. Madeleine Petrovic wohnhaft sei, die Tathandlungen jedoch keinen Schluss auf eine politische Motivation zuließen.

Für ein Vorgehen der Staatsanwaltschaft bzw. eine Prüfung im Sinne der Fragen 9. bis 11. bestand für die Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt daher kein Anlass.

 

. November 2009

 

(Mag. Claudia Bandion-Ortner)