3158/AB XXIV. GP

Eingelangt am 01.12.2009
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BM für Finanzen

Anfragebeantwortung

 

Frau Präsidentin

des Nationalrates

Mag. Barbara Prammer                                                Wien, am       November 2009

Parlament

1017 Wien                                                                GZ: BMF-310205/0184-I/4/2009

 

 

 

Sehr geehrte Frau Präsidentin!

 

Auf die schriftliche parlamentarische Anfrage Nr. 3169/J vom 1. Oktober 2009 der Abgeordneten Gerhard Huber, Kolleginnen und Kollegen, beehre ich mich, Folgendes mitzuteilen:

 

Zu 1. bis 4.:

Die vorliegenden Fragen betreffen Angelegenheiten der Bankenaufsicht und fallen in den Wirkungsbereich der verfassungsrechtlich weisungsfrei gestellten Finanzmarktaufsichts-behörde (FMA). Über die aufsichtsbehördlichen Veranlassungen der FMA gegenüber der Hypo Tirol liegen dem Bundesministerium für Finanzen mangels Vollzugskompetenz für die Bankenaufsicht daher keine Informationen vor.

 

Zu 5.:

Zur Vergabe von Krediten an Klein- und Mittelbetriebe ist festzuhalten, dass dieses Thema als wichtiges Anliegen bereits anlässlich der Implementierung des Bankenpakets in § 3 FinStaG-VO als Zielsetzung mit einbezogen worden ist. Dieser Paragraph regelt, dass bei der Mittelverwendung aus dem staatlichen Bankenpaket insbesondere Bedacht auf Kreditvergaben oder Kapitalanlagen zu marktüblichen Konditionen für die Wirtschaft zu nehmen ist, wobei insbesondere die Kreditversorgung kleiner und mittlerer Unternehmen und die Versorgung von Haushalten mit Hypothekarkrediten zu erfolgen hat. Aus diesem Grund wurden auch die insbesondere für KMU relevanten Haftungsrahmen bei der Austria Wirtschaftsservice GmbH (AWS) bereits mit dem Konjunkturbelebungsgesetz vom Oktober 2008 massiv ausgeweitet. Ebenso wurden der Haftungsrahmen im KMU-Fördergesetz um eine halbe Milliarde angehoben und sämtliche durch die Finanz- und Wirtschaftskrise erforderlichen Anpassungen, die ökonomisch sinnvoll und budgetär verkraftbar sind, auch in den jeweiligen Förderrichtlinien vorgenommen.

 

Die notwendigen rechtlichen Grundlagen für eine kontinuierliche Kreditversorgung wurden daher auf Initiative des Bundesministeriums für Finanzen so rasch wie möglich geschaffen.

 

Weiters ist festzuhalten, dass das Unternehmensliquiditätsstärkungsgesetz (ULSG) Liquiditätsengpässe von gesunden heimischen Unternehmen beseitigen soll. Es ermöglicht heimischen mittelständischen bis großen Unternehmen im Bedarfsfall erleichterten Zugang zu Finanzierungsmitteln zu erlangen, indem der Bund Haftungsübernahmen einräumt.

 

Zu 6. und 7.:

Die Eigenmittelvorschriften für Kreditinstitute (Basel II) sind seit 1. Jänner 2007 in Österreich und in den anderen Mitgliedstaaten in Kraft. Diese Eigenmittelbestimmungen basieren auf den Empfehlungen des Basler Ausschusses für Bankenaufsicht (BCBS) und wurden im Wesentlichen mittels zweier Richtlinien ins sekundäre EU-Recht übernommen, welche von den Mitgliedstaaten zwingend umzusetzen waren. Es gibt keine Option, diese Richtlinien nicht umzusetzen oder deren Anwendung auszusetzen. Eine Nichtumsetzung der Richtlinien zum vorgegebenen Zeitpunkt oder eine spätere Aussetzung hätte ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Republik Österreich zur Folge. Ein „Rückgängigmachen“ von Basel II durch einen einzelnen Mitgliedstaat ist somit gemäß den Richtlinien und dem Gemeinschaftsrecht ausgeschlossen. Des Weiteren findet sich weder auf EU-Ebene noch sonst auf internationaler Ebene (z.B. BCBS) Unterstützung für eine Abschaffung des Basler Regelwerks.

 

Die Auswirkungen der neuen Eigenmittelvorschriften wurden vor deren Erlassung in mehreren Auswirkungsstudien getestet und die Ergebnisse wurden in entsprechenden Nachjustierungen berücksichtigt. Das Regelwerk wurde danach so angelegt, dass sich im Durchschnitt ein eher geringeres Eigenmittelerfordernis als nach den alten Vorschriften ergibt, was durch die genauere Risikoerfassung gerechtfertigt ist.

Auf die Berücksichtigung der wirtschaftlichen Bedeutung von KMU wurde sowohl in den Richtlinien als auch in der nationalen Umsetzung besonderes Augenmerk gelegt, insbesondere durch begünstigte Risikogewichte bei der Eigenmittelunterlegung, welche sich auch vorteilhaft auf die Kreditnehmer auswirken. Des Weiteren bietet das Regelwerk den Kreditinstituten auch die Möglichkeit, die Eigenmittelberechnung für die Unterlegung von Kreditrisiken auf Basis von ihren intern erstellten Ratings vorzunehmen (sog IRB-Ansatz), wodurch die Heranziehung von externen Ratings anerkannter Rating-Agenturen nicht mehr nötig ist und eine risikosensitivere und auf genaueren Daten basierende Eigenmittelunterlegung von Kreditrisiken auch für nicht geratete Firmen, also KMU, ermöglicht wird.

 

Eine Abschaffung von Basel II hätte den Nachteil, dass viele Risiken (z.B. spezifische Markt- und Ausfallrisiken, Verbriefungsrisiken) von Banken nicht oder nur mangelhaft adressiert und durch Eigenmittel unterlegt würden. Dies würde einerseits die Risikotragfähigkeitskraft der Institute schwächen und andererseits dazu führen, dass eine risikosensitive Eigenmittelunterlegung, die bei höherer Bonität der Kunden bzw. wirtschaftlichen Aufschwungphasen auch Kosten minimiert, nicht mehr möglich wäre. Weiters ist die Eigenmittelunterlegung für Retail-Kredite, das sind alle Ausleihungen bis 1 Mio. EUR (auch an Firmenkunden), nach dem Kreditrisiko-Standardansatz gegenüber früher wesentlich begünstigt.

 

Eine Abschaffung von Basel II ist somit nach geltender Rechtslage weder zulässig, noch kann eine solche Abschaffung aus aufsichtlicher Sicht vertreten werden. Vielmehr würde eine Abkehr von den Basler Eigenmittelvorschriften dem Interesse an einem funktionsfähigen Bankwesen und der Finanzmarktstabilität entgegenstehen. Auch aus realwirtschaftlicher Sicht sind die Vorteile einer Abschaffung mehr als fraglich. An Stelle einer Abschaffung mit keineswegs bewiesenen Vorteilen unterstützt das Bundesministerium für Finanzen daher den auf EU-Ebene eingeschlagenen Weg, durch Änderungen im Regelwerk gezielt die prozyklischen Effekte zu minimieren. Die Arbeiten hieran sind bereits weit fortgeschritten.

 

Zu 8. und 9.:

Die Definition der Geschäftspolitik ist primär Aufgabe des Vorstands. Der Eigentümer hat im Rahmen des Aktienrechts über den Aufsichtsrat indirekt Mitwirkungsmöglichkeiten.

Eine Kommentierung der Geschäftspolitik durch das Bundesministerium für Finanzen ist weder opportun noch geboten.

 

Mit freundlichen Grüßen

 

Josef Pröll eh.