3228/AB XXIV. GP

Eingelangt am 11.12.2009
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BM für Justiz

Anfragebeantwortung

DIE  BUNDESMINISTERIN
           FÜR  JUSTIZ

BMJ-Pr7000/0243-Pr 1/2009

 

An die

                                      Frau Präsidentin des Nationalrates

                                                                                                                           W i e n

 

zur Zahl 3203/J-NR/2009

 

Die Abgeordneten zum Nationalrat Dr. Johannes Jarolim, Genossinnen und Genossen haben an mich eine schriftliche Anfrage betreffend „Präventiv- und Resozialisierungsmaßnahmen im Strafrecht“ gerichtet.

Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:

Zu 1:

Die Aufgaben und Zwecke des Strafvollzugs sind im § 20 Strafvollzugsgesetz (StVG) festgeschrieben. Demnach soll der Vollzug dem Verurteilten zu einer rechtschaffenen und den Erfordernissen des Gemeinschaftslebens angepassten Lebenseinstellung verhelfen und ihn davon abhalten, schädlichen Neigungen nachzugehen. Dieses gesetzlich festgelegte Ziel ist Grundlage jedes Handelns im Strafvollzug.

Durch die erzieherische Beeinflussung unter Heranziehung der Expertise in den Bereichen der Sozialarbeit und Psychologie soll dem Strafgefangenen eine mit den strafrechtlich geschützten Werten verbundene Einstellung vermittelt werden, die auch noch nach der Entlassung aus dem Vollzug anhalten soll. Hierin sehe auch ich persönlich die Aufgabe des Strafvollzugs in Österreich.

Zu 2:

In jüngster Vergangenheit wurden mehrere Maßnahmen – auch im legislativen Bereich – gesetzt, die Rückfälle hintanhalten und somit auch der Prävention dienen sollen. So hatte das Strafrechtänderungsgesetz 2008 zum Ziel, eine rationale Strafrechtspolitik zu schaffen, um die Wiedereingliederung verurteilter Personen in die Gesellschaft durch ein Bündel von Maßnahmen zu fördern, die besser als die vollständige Verbüßung einer Freiheitsstrafe geeignet sind, die Gefahr des Rückfalls zu reduzieren. Der Schwerpunkt der Änderungen lag in der Umgestaltung des Bereiches der bedingten Entlassung, aber auch in einer Aufwertung von begleitenden Maßnahmen, wie etwa der Bewährungshilfe, die nun unter bestimmten Umständen auch obligatorisch angeordnet werden muss. Meines Erachtens ist das derzeitige strafrechtliche System bestens dazu geeignet, dem Strafgefangenen die Möglichkeit eines künftig straffreien Lebens zu eröffnen. 

Zu 3:

Aufgrund der bereits erwähnten umfangreichen Änderungen im Bereich der bedingten Entlassungen in den vergangenen Jahren sind derzeit keine weiteren legislativen Änderungen geplant.

Zur Reduzierung der Anzahl der in den Justizanstalten inhaftierten Personen wird jedoch unter anderem die Umsetzung des vorläufigen Absehens vom Strafvollzug bei Vorliegen eines Aufenthaltsverbotes gemäß § 133a Strafvollzugsgesetz in den Justizanstalten betrieben. Weiters soll mit der Etablierung einer ADV-Anwendung für einen Großteil der Insassen ein standardisierter Vollzugsplan mit dem Ziel bereitgestellt werden, die Kommunikation in den Justizanstalten und die Kooperation mit den Gerichten und Staatsanwaltschaften zu optimieren, wodurch eine Steigerung der Zahl der bedingten Entlassungen erreicht werden könnte.

Zu 4:

Derzeit werden mehrere Varianten der Überführung eines Modells der „Elektronischen Aufsicht" in Form eines überwachten Hausarrests auf Basis der Erfahrungen aus dem im Jahre 2008 durchgeführten Modellprojekt geprüft. Die Ergebnisse der ergänzenden Erhebungen werden Grundlage für eine abschließende Entscheidung über die organisatorischen, administrativen und rechtlichen Rahmenbedingungen für eine österreichweite Einführung der „Elektronischen Aufsicht“ als Vollzugsmodell sein.

Zu 5:

Meines Erachtens sind die wiedergutmachenden Maßnahmen im Strafrecht gut verankert, sei es im Bereich der Diversion, sei es im Bereich der Weisung zur Schadenswiedergutmachung, aber auch was die tätige Reue anbelangt. Einen legislativen Handlungsbedarf sehe ich derzeit nicht.

Zu 6,7, 24 bis 29:

Ich darf auf die der Anfragebeantwortung angeschlossenen Auswertungen aus der Verfahrensautomation Justiz (VJ) verweisen. Zur Frage 25 ist anzumerken, dass eine differenzierte Auswertung nach den einzelnen Ziffern des § 7 JGG mangels gesonderter Erfassung in der Verfahrensautomation mit verwaltungsökonomisch vertretbaren Mitteln nicht durchführbar ist. Zur Frage 28 liegen keine auswertbaren Daten vor, weil die Anwendung des § 15 JGG (nachträglicher Strafausspruch) im Erledigungsregister der VJ nicht als eigene Kategorie erfasst wird.

Zu 8 und 9:

Folgende, der Resozialisierung von Insassen dienende Projekte werden in den Justizanstalten umgesetzt:

-           „Schnupperlehre“ zur beruflichen Orientierung: Nach erfolgreicher Absolvierung dieser zertifizierten Ausbildungsmaßnahme werden die Teilnehmer an das Arbeitsmarktservice weitervermittelt und können somit als förderungswürdige Arbeitsuchende eingestuft werden;

-          TELFI: Vermittlung von Basiswissen an einem Computerarbeitsplatz zum Ausgleich von Ausbildungsdefiziten;

-          Lebensschule: Dieses Projekt zielt nicht auf berufliche Bildung ab, sondern hat seinen Fokus im Bereich der Persönlichkeitsbildung;

-          EQUAL Projekt „Schritt für Schritt“: Einrichtung einer Werkstätte für schwer vermittelbare Arbeitnehmer, in der der Wiedereinstieg ins Arbeitsleben in Form eines Arbeitstrainings vorbereitet wird;

-          diverse Kursmaßnahmen in Kooperation mit externen Einrichtungen wie Volkshochschule und BFI zur Vermittlung grundlegender Kenntnisse, wie zum Beispiel Deutschkurse, PC-, Wissen- oder Bewerbungstraining, Industrieführerschein;

-          Facharbeiterintensivausbildungen: Ermöglichung eines Lehrabschlusses während der Haft;

-          diverse Kurse im Bereich der Persönlichkeitsbildung, wie Konfliktmanagement und gewaltfreie Kommunikation;

-          diverse Behandlungsprogramme, wie Sexualstraftätergruppen, Angebote für Suchtkranke, Entwöhnungsbehandlungen, Anti-Gewalt-Training;

-          „Small Business Starters“: In diesem Ausbildungsprogramm werden ausländische Insassen zur selbstständigen Führung kleiner Betriebe in ihrem Heimatland befähigt;

-          Einrichtung arbeitstherapeutischer Werkstätten.

 

 

Zu 10 und 11:

Mit Stichtag 29. Oktober 2009 befanden sich österreichweit 340 Insassen in einer Berufsausbildung, in einem Lehrgang oder einer ähnlichen Berufsqualifikationsmaßnahme. Diese Personen verteilten sich auf die verschiedenen Alterskategorien wie folgt:

14-18 Jahre:  65 Insassen

19-23 Jahre: 123 Insassen

24-28 Jahre:   59 Insassen

29-33 Jahre:   35 Insassen

34-38 Jahre:   20 Insassen

39-43 Jahre:   14 Insassen

44-48 Jahre:   16 Insassen

49-53 Jahre:     0 Insassen

54-58 Jahre:     5 Insassen

59-63 Jahre:     2 Insassen

64-68 Jahre:     1 Insasse

 

Zu 12:

Mit Stichtag 29. Oktober 2009 befanden sich 176 Jugendliche in den Justizanstalten.

Zu 13:

Eine Reduzierung der Einschlusszeiten durch Verlängerung der Zeiten der betreuten Freizeitgestaltung im Jugenddepartement der Justizanstalt Wien-Josefstadt wird vorbereitet. Es wird kontinuierlich an der Installierung individueller Ausbildungsprogramme und an der Einbindung der jugendlichen Insassen in sozialpädagogische Aktivitäten unter spezieller Berücksichtigung der Bedürfnisse von männlichen und weiblichen Insassen gearbeitet. Die bereits bestehenden Jugendabteilungen werden weiter ausgebaut.

Zu 14:

Justizanstalt

Verhältnis Planstellen zu Insassen

Eisenstadt

1 : 2,15

Feldkirch

1 : 2,52

Garsten

1 : 2,41

Gerasdorf

1 : 1,4

Graz-Jakomini

1 : 3,25

Graz-Karlau

1 : 2,26

Göllersdorf

1 : 1,28

Hirtenberg

1 : 2,9

Innsbruck

1 : 2,6

Klagenfurt

1 : 2,6

Korneuburg

1 : 2,84

Krems

1 : 1,17

Leoben

1 : 2,86

Linz

1 : 3,15

Ried

1 : 2,66

Salzburg

1 : 3,1

Schwarzau

1 : 2,37

Sonnberg

1 : 3,58

Stein

1 : 2,1

Steyr

1 : 2,1

St.Pölten

1 : 3,53

Suben

1 : 2,3

Wels

1 : 2,27

Wien-Favoriten

1 : 1,55

Wien-Josefstadt

1 : 2,18

Wr.Jugendgerichtshilfe

1 : 2,12

Wien-Mittersteig

1 : 1,6

Wien-Simmering

1 : 2,63

Wr. Neustadt

1 : 3,64

 

 

Zu 15 und 16:

Die Erfordernisse des § 54 JGG sind in der Praxis durch die Lehrinhalte der allgemeinen Ausbildung der Justizwache erfüllt. Es werden die dabei relevanten Ausbildungsinhalte (Psychologie, Pädagogik, Psychiatrie) vermittelt.

Darüber hinaus absolvieren die in den Jugendabteilungen eingeteilten Bediensteten der Justizwache grundsätzlich einen Lehrgang zum Thema Jugendvollzug.

Zu 17 und 18:

Eine solche Aufstellung lässt sich mangels statistischer Daten nicht darstellen. Das in den Justizanstalten eingesetzte Personal stellt sich wie folgt dar:

Justizanstalt

Personal

Eisenstadt

65,83

Feldkirch

69,70

Garsten

162,25

Gerasdorf

85,95

Graz-Jakomini

161,05

Graz-Karlau

222,03

Göllersdorf

120,25

Hirtenberg

143,40

Innsbruck

172,58

Klagenfurt

132,75

Korneuburg

89,25

Krems

46,75

Leoben

73,75

Linz

118,25

Ried

40,53

Salzburg

69,83

Schwarzau

72,50

Sonnberg

100,25

Stein

338,55

Steyr

26,75

St. Pölten

82,50

Suben

96,50

Wels

61,25

Wien-Favoriten

70,50

Wien-Josefstadt

523,38

Wien-Mittersteig

96,85

Wien-Simmering

172,50

Wr. Neustadt

63,50

 

 

Einteilung der Bediensteten der Justizwache nach Alterskategorien:

Lebensalter

 

20-24

47

25-29

357

30-34

383

35-39

470

40-44

514

45-49

474

50-54

314

55-59

271

60-64

20

65

2

Gesamt

2852

 

Zu 19 und 20:

Neben dem Personal der Justizwache sind hauptsächlich die Mitarbeiter/innen der Betreuungsdienste (Sozialer-, Psychologischer-, Psychiatrischer-, Pädagogischer Dienst, Seelsorge) mit der Betreuung der Jugendlichen beschäftigt. Eine genaue Darstellung der Aufteilung dieser Mitarbeiter/innen ist aufgrund der anteiligen Beschäftigung mit den Jugendlichen nicht im Detail möglich.

Zu 21:

Im Bereich der Wiener Jugendgerichtshilfe sind derzeit 17 Personen tätig.

Zu 22:

Von der Justizanstalt Wien-Josefstadt werden Büroräumlichkeiten im Verwaltungsgebäude und Besprechungszimmer in den Abteilungen zur Verfügung gestellt.

Zu 23:

In den vergangenen Jahren wurden die Dienste der Wiener Jugendgerichtshilfe wie folgt in Anspruch genommen:

 

2004

2005

2006

2007

2008

Jugenderhebungen

497

953

825

644

435

Psychologische Stellungnahmen

340

183

184

194

167

Zugangsgespräche

783

931

860

715

645

Haftbetreuungen

2590

3318

3320

3028

3206

Gruppen

163

192

109

24

90

sonstige Stellungnahmen

 

44

45

57

77

Zu 30:

Grundsätzlich erachte ich die im österreichischen Jugendstrafrecht vorgesehenen Reaktionsmöglichkeiten für spezialpräventiv tauglich. Ich verschließe mich aber nicht neuen Entwicklungen und weiteren Verbesserungsvorschlägen und beziehe insofern auch internationale Entwicklungen mit ein. Tendenziell ist auf internationaler Ebene ein weiterer Ausbau der ambulanten Maßnahmen festzustellen. Auch im geltenden Regierungsprogramm findet sich das Bekenntnis zur Fortsetzung der Bemühungen zur möglichst effizienten Gestaltung des Sanktionensystems.

Zu 31:

Mir ist die Problematik der Straffälligkeit unter 14-Jähriger bewusst.

Probleme der Straffälligkeit unter 14-Jähriger dürfen jedoch auch weiterhin nicht mit den Mitteln des Strafrechtes gelöst werden können. Dem wurde auch im aktuellen Regierungsprogramm Rechnung getragen, indem es vorsieht, dass für solche Fälle die bestehenden Pflegschaftsmaßnahmen erweitert werden sollen. Primäres Ziel muss eine nachhaltige Verbesserung der Erziehungssituation sein, allenfalls mit kurzer Freiheitsbeschränkung im Rahmen von die Freiheit einschränkenden Erziehungsmaßnahmen.

In diesem Zusammenhang verweise ich auch auf den in den Zuständigkeitsbereich des Bundesministers für Wirtschaft, Familie und Jugend fallenden Entwurf eines Bundes-Kinder- und Jugendhilfegesetzes. In die dazu erforderlichen Vorarbeiten ist auch mein Ressort eingebunden.

 

. Dezember 2009

 

(Mag. Claudia Bandion-Ortner)

 

 

 

Anmerkung der Parlamentsdirektion:

 

Die vom Bundesministerium übermittelten Anlagen stehen nur als Image (siehe Anfragebeantwortung gescannt) zur Verfügung.