324/AB XXIV. GP

Eingelangt am 26.01.2009
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Bundeskanzler

Anfragebeantwortung

Die Abgeordneten zum Nationalrat Dr. Harald Walser, Kolleginnen und Kollegen ha­ben am 3. Dezember 2008 unter der Nr. 356/J an mich eine schriftliche parlamentari­sche Anfrage betreffend Neugestaltung der österreichischen Gedenkstätte im staat­lichen Museum Auschwitz-Birkenau gerichtet.

Da die einzelnen Fragen miteinander eng zusammenhängen, erlaube ich mir, die par­lamentarische Anfrage wie folgt zusammenfassend zu beantworten:

Zu den Fragen 1 bis 15:

Ø      Sind Sie der Meinung, dass das Geschichtsbild der „österreichischen National­ausstellung“ in Auschwitz dem heutigen Wissensstand entspricht?

Ø      Falls nein: Was genau gefällt Ihnen nicht an der Darstellung in der österreichi­schen Gedenkstätte?

Ø      Sind Sie der Ansicht, dass die einseitig widerständige und patriotische Ge­schichtsauffassung, die in der österreichischen Gedenkstätte vermittelt wird, mitt­lerweile auch ein außenpolitisches Problem darstellt?

Ø      Seit 2005 hängt am Eingang der Ausstellung ein Hinweis, dass das in der Aus­stellung transportierte Geschichtsbild nicht mehr dem historischen Selbstver­ständnis der Republik entspreche und dass an einer Neukonzeption gearbeitet werde. Was wurde seit 2005 diesbezüglich alles unternommen?

Ø      Woran ist es bis dato gescheitert, die hoffnungslos veraltete Ausstellung neu zu konzipieren?

Ø      Brigitte Bailer, Bertrand Perz und Heidemarie Uhl haben im Juni 2008 einen fun­dierten Projektendbericht zur Neugestaltung der Österreichischen Gedenkstätte im Staatlichen Museum Auschwitz-Birkenau“ vorgelegt. Haben Sie diesen Endbe­richt schon gelesen?

Ø     Welche Schritte haben Sie eingeleitet, um die im Endbericht vorgesehenen Maß­nahmen auch umzusetzen?

Ø     Gibt es bereits einen Vertrag der Republik Österreich mit der Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau, damit eine Projektgruppe mit der Neugestaltung durch die Republik beauftragt werden kann?

Ø     Bis wann ist mit einer Realisierung und damit der Neugestaltung der Österreichi­schen Gedenkstätte im Staatlichen Museum Auschwitz-Birkenau zu rechnen?

Ø     Welche Schritte wurden für eine konkrete Umsetzung bereits in die Wege gelei­tet?


Ø     Im Regierungsprogramm heißt es, Koordination und Teilfinanzierung“ sollen durch den Nationalfonds erfolgen. Warum wurde der Nationalfonds als Koordina­tionsstelle gewählt? Was qualifiziert den Nationalfonds dafür, diese Aufgabe zu übernehmen?

Ø     In welcher Form ist die Koordination und Teilfinanzierung der Neugestaltung der österreichischen Gedenkstätte durch den Nationalfonds durch dessen gesetzli­chen Auftrag gedeckt?

Ø     Zur Finanzierung dieses Vorhabens: Im Regierungsprogramm heißt es, es werde eine Teilfinanzierung durch den Nationalfonds“ stattfinden. Wie hoch ist die bud­getäre Veranschlagung für die Neugestaltung der Ausstellung? Wer finanziert den Rest?

Ø     Die derzeitige Ausstellung ist ein wichtiges zeitgeschichtliches Dokument und do­kumentiert eindrucksvoll die Geschichtsauffassung des Jahres 1978. In welcher Form werden Sie die vollständige Archivierung dieser Präsentation sicherstellen?

Ø     Was halten Sie von der Idee, den Pavillon unter einen Glassturz zu stellen und die weiter oben zitierte Passage aus dem Regierungsprogramm 2008-2013 inklu­sive Rechtschreibfehler darauf anzubringen?

Das staatliche Museum Auschwitz-Birkenau wurde am 2. Juni 1972 aufgrund eines Gesetzes des polnischen Parlaments gegründet. Es soll an das Martyrium im Kon­zentrationslager erinnern, das Häftlinge aus Polen und aus anderen Nationen erlitten haben.

Bereits in den 60er-Jahren wurden auf Initiative ehemaliger Häftlinge des Konzentra­tionslagers aus verschiedenen Ländern eigene nationale Gedenkstätten im staatli­chen Museum eingerichtet.

Im Jahre 1977 hat der Verein „Österreichische Arbeitsgemeinschaft Museum Auschwitz“ die österreichische Bundesregierung ersucht, die Errichtung einer Stätte des Gedenkens zur Erinnerung an jene Österreicherinnen und Österreicher, die im Konzentrationslager Auschwitz als Opfer des Nationalsozialismus ihr Leben lassen mussten, im staatlichen Museum Auschwitz-Birkenau zu unterstützen.

Der Bund hat die Errichtung der Gedenkstätte seinerzeit mit 5.120.000,- Schilling gefördert. Die Gesamtkosten betrugen etwas mehr als 6 Millionen Schilling.

Im Jahr 2005 hat sich eine Initiative zur Neugestaltung der österreichischen Gedenk­stätte im staatlichen Museum Auschwitz-Birkenau gebildet, deren Koordination die Generalsekretärin des Nationalfonds der Republik Österreich übernommen hat.


Im Jänner 2006 fand auf Anregung des österreichischen Konsulats in Krakau unter Federführung des damaligen Bundesministeriums für auswärtige Angelegenheiten eine interministerielle Arbeitsbesprechung statt, in der einhellig die Notwendigkeit einer Neugestaltung der österreichischen Gedenkstätte festgestellt wurde, die aber mit größter Sensibilität vorzunehmen ist. Dazu kommt noch, dass sich die Gedenk­stätte in einem staatlichen Museum Polens befindet, so dass die Neugestaltung nur im Einvernehmen mit den zuständigen polnischen Stellen vorgenommen werden kann.

Voraussetzung für die Neugestaltung der Gedenkstätte ist daher eine fachlich fun­dierte Grundlage, die auch einer kritischen Beurteilung durch die polnischen staatli­chen Stellen standhalten muss. Eine solche Unterlage liegt meiner Auffassung nach in Form des Projektendberichtes Neugestaltung der Österreichischen Gedenkstätte im Staatlichen Museum Auschwitz-Birkenau“ von Brigitte BAILER, Bertrand PERZ und Heidemarie UHL vom Juni 2008 vor.

Durch diesen Endbericht wird klar belegt, dass das in der derzeitigen Gedenkstätte zum Ausdruck kommende Geschichtsbild nicht mehr dem heutigen Wissensstand entspricht. Es entspricht ebenso wenig der öffentlichen Meinung zur Rolle Öster­reichs im Nationalsozialismus.

Das durch die Ausstellung vermittelte Geschichtsbild stellt auch ein außenpolitisches Problem aus bilateraler Sicht insofern dar, als es bereits wiederholt von polnischer Seite angesprochen und dabei zum Ausdruck gebracht wurde, dass man sich eine entschiedene Beschleunigung der Entscheidung bezüglich der Neugestaltung der österreichischen Gedenkstätte erwartet. Aus multilateraler Sicht ist die dargestellte Geschichtsauffassung problematisch, da die Ausstellung auch dem Geschichtsbild, das unter den Mitgliedern der Internationalen Holocaust Task Force (ITF) und deren Arbeitsgruppen (insbesondere der akademischen Arbeitsgruppe) vorherrscht, nicht mehr entspricht. Hinzu tritt, dass Österreich seit März 2008 für die Dauer von zwölf Monaten den Vorsitz der ITF innehat.

Ich vertrete daher die Auffassung, dass im Sinne des Projektendberichtes die Neuge­staltung der Gedenkstätte so rasch wie möglich in Angriff genommen werden soll. Vor diesem Hintergrund war es mir daher auch ein Anliegen, dass die Neugestaltung der Gedenkstätte im Regierungsprogramm für die XXIV. Gesetzgebungsperiode entspre­chend Eingang gefunden hat, wobei bedauerlicherweise bei der Bezeichnung ein Re­daktionsversehen unterlaufen ist.

Die vertraglichen Verhandlungen mit den polnischen Behörden zur Neugestaltung der österreichischen Gedenkstätte werden federführend vom Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten zu führen sein.

Die Realisierung einer erneuerten Gedenkstätte wird samt Vorarbeiten mehrere Jah­re in Anspruch nehmen. Ein fixer Terminplan zur Umsetzung der Neugestaltung der Gedenkstätte kann derzeit nicht genannt werden, da die Gespräche mit dem polni­schen staatlichen Museum Auschwitz-Birkenau noch offen sind. Ich habe die Be­diensteten des Bundeskanzleramtes daher angewiesen, im Rahmen der Zuständig­keit meines Ressortbereichs alle notwendigen Maßnahmen zu treffen, damit die Um­setzung der Neugestaltung der Gedenkstätte so zügig wie möglich in die Wege ge­leitet wird.

Der österreichische Nationalfonds kommt als Koordinierungsstelle für die Umsetzung der Neugestaltung deshalb in Betracht, da nach § 2 Abs. 3 des Bundesgesetzes über den Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus, BGBI.Nr. 432/1995 in der Fassung BGBl. I Nr. 19/2003, eine Aufgabe des National­fonds auch ist, Projekte zu unterstützen, die an das nationalsozialistische Unrecht erinnern oder das Andenken an die Opfer wahren. Meiner Auffassung nach soll die österreichische Gedenkstätte in Auschwitz-Birkenau gerade diesen Erfordernissen gerecht werden. Durch die zuvor angeführte Gesetzesbestimmung ist auch die im Regierungsprogramm für die XXIV. Gesetzgebungsperiode angesprochene Teil­finanzierung der Neugestaltung der Gedenkstätte durch den österreichischen Nati­onalfonds gesetzlich gedeckt.

Inwieweit die Exponate der derzeitigen Gedenkstätte für die Nachwelt archiviert wer­den können, hängt einerseits davon ab, welche Exponate bei der Neugestaltung nicht mehr benötigt werden und andererseits von der Frage, wer Eigentümer ist. Grund­sätzlich befürworte ich die angesprochene Archivierung, wozu sich meiner Meinung nach das Österreichische Staatsarchiv eignen würde.