3429/AB XXIV. GP
Eingelangt am 21.12.2009
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BM für Gesundheit
Anfragebeantwortung

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Frau Präsidentin des Nationalrates Maga. Barbara Prammer Parlament 1017 Wien |
Alois Stöger diplômé Bundesminister
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Wien, am 18. Dezember 2009
GZ: BMG-11001/0308-I/5/2009
Sehr geehrte Frau Präsidentin!
Ich beantworte die an mich gerichtete schriftliche parlamentarische Anfrage Nr. 3411/J/J der Abgeordneten Dr. Karlsböck und weiterer Abgeordneter nach den mir vorliegenden Informationen wie folgt:
Frage 1:
Eine Anfrage an die zuständige Pensionsversicherungsanstalt ergab, dass Daten zu
krankheitsbedingten Pensionierungen nur nach ICD-10 Codes aufgeschlüsselt
verfügbar sind. Eine eindeutige Zuordnung zu „chronischem Schmerz“ ist daher
seriöserweise nicht möglich.
Es kann jedoch stellvertretend die Krankheitsgruppe 43 „Krankheiten des Skeletts,
Muskeln, Bindegewebe“ herausgenommen werden, da diese sicher einen Großteil der chronischen Schmerzen repräsentiert.
Demnach wurden aufgrund der og. Krankheitsgruppe 43 die folgende Anzahl von
Personen frühpensioniert:
im Jahr 2005: 8004 (5878 m/2126 w)
im Jahr 2006: 7143 (5214 m/1929 w)
im Jahr 2007: 7167 (5325 m/1842 w)
im Jahr 2008: 6898 (5194 m/1704 w)
Frage 2:
Davon war die folgende Anzahl von Personen unter 50 Jahren:
2005: 931
2006: 925
2007: 920
2008: 909
Frage 3:
Zur Verbesserung der Kooperation zwischen FachärztenInnen und AllgemeinmedizinernInnen
aber auch dem stationären Bereich wurde eine Arbeitsgruppe bei der Gesundheit
Österreich GmbH. eingesetzt, die sich mit der Erarbeitung einer Bundesqualitäts-leitlinie nach Bundesqualitätsgesetz zum Thema Nahtstellenmanagement beschäftigt.
Dabei soll der Versorgungsbedarf von Patienten und Patientinnen über bestehende
Grenzen von Einrichtungen, Dienstleistungen, Ämtern und Zuständigkeiten hinaus,
geplant, implementiert, koordiniert, überwacht und evaluiert werden. Ein darin
ebenfalls geregeltes Case-Management stellt ein interprofessionelles Arbeiten in
Netzwerken zur optimalen Gestaltung der Versorgung für den Einzelfall dar.
Fragen 4 bis 6:
Die Aufklärung von Patienten und Patientinnen über ihre Therapie und die
Risikofaktoren für eine Chronifizierung ist eindeutig den behandelnden ÄrztenInnen im
Rahmen ihres individuellen, auf den Patienten abgestimmten, ärztlichen
Beratungsgesprächs zuzuordnen.
Frage 7:
Meinem Ressort sind keine derartigen Projekte auf Bundesebene bekannt.
Fragen 8 und 9:
Bislang sind meinem Ressort keine Forschungsaktivitäten in Österreich zu volkswirtschaftlichen und betriebswirtschaftlichen Folgekosten von chronischen Schmerzerkrankungen bekannt.
Aus medizinisch-wissenschaftlichen Datenbanken ist aber zu entnehmen, dass es insbesondere in den USA, aber auch in Großbritannien, Irland, Dänemark, Australien, Schweiz und Deutschland ökonomische Arbeiten zu chronischen Schmerzerkrankungen gibt.
Forschungsarbeiten aus westlichen bzw. europäischen Ländern können mit Hilfe der Vergleichsergebnisse des „Pain in Europe Surveys“ und natürlich unter Bedachtnahme auf diverse Systemunterschiede für Österreich annäherungsweise herangezogen werden.
Ein grobes Scanning der vorliegenden Volltexte und Abstracts ergibt, dass Schmerztherapie volkswirtschaftlich jedenfalls kosteneffektiv ist, wenngleich für die indirekten Kosten häufig nur Fehlzeiten in Betracht gezogen werden, obwohl die reduzierte Produktivität ebenfalls beträchtlich sein kann.
Fehlzeiten wegen unspezifischer Rückenschmerzen, die einen beträchtlichen Anteil an schmerzbedingten Fehlzeiten darstellen, sind für Österreich dem Fehlzeitenreport 2008 des Instituts für Wirtschaftsforschung zu entnehmen.
Ein Report des American Journal of Managed Care aus dem Jahr 2006, „Consequences of Neuropathic Pain: Quality-of-life Issues and Associated Costs“(McCarberg, 2006) nennt direkte Kosten zur Behandlung von akutem und chronischem Schmerz in den USA von über 100 Mrd. $/Jahr. Die mit chronischen Schmerzen verbundenen indirekten Kosten (Abwesenheit von der Arbeit und eingeschränkte Produktivität) werden auf ebenfalls 100 Mrd. $/Jahr geschätzt.
Der Artikel „Volkswirtschaftliche Kosten chronischer Schmerzen in der Schweiz – eine erste Annäherung“, Oggier, Schweiz. Ärztezeitung, 2007, kommt unter Heranziehung ausländischer Daten und des „Pain in Europe Surveys“ auf eine vorsichtige Schätzung von ca. 5 Mrd. Franken an Kosten für chronische Schmerzen im Jahr 2007.
In „Der Chronische Schmerz, Epidemiologie und Versorgung in Deutschland“, M. Zimmermann, 2004, wird von mind. 5 Mio. Erwachsenen mit dauernden/häufig wiederkehrenden Schmerzen und von mind. 600.000 Erwachsenen mit fortschreitend chronifizierender Schmerzkrankheit ausgegangen. Die Kosten (allerdings Stand 1993) werden insgesamt mit 38 Mrd. €/Jahr geschätzt (Therapie 10 Mrd. €, Arbeitsausfall 20 Mrd. €, Frühberentung 8 Mrd. €).
Die „Aktuelle Kostenanalyse von Schmerzerkrankungen in Schleswig-Holstein“, Initiative der AOK, Buschmann, 2001, die den Kostenaufwand für chronische Schmerzerkrankungen in Schleswig-Holstein im Jahr 1995 ermittelte, nennt Kosten von 108 Mio. DM, die für die Behandlung von chronischen Kopf- und Rückenschmerzsyndromen in Schleswig-Holstein aufgewendet werden mussten, wobei nur Aufnahmen in Akut-Krankenhäuser mit vollstationären Krankenhausbehandlungen eingeflossen sind (mittl. Kosten/Fall 6911 DM).
Keine der identifizierten Studien kommt zum Ergebnis, dass Schmerz ein wirtschaftlich wenig relevantes Phänomen wäre.