3553/AB XXIV. GP

Eingelangt am 30.12.2009
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BM für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz

Anfragebeantwortung

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

(5-fach)

 

 

 

RUDOLF HUNDSTORFER

Bundesminister

 

Stubenring 1, 1010 Wien

Tel: +43 1 711 00 - 0

Fax:   +43 1 711 00 - 2156

rudolf.hundstorfer@bmask.gv.at

www.bmask.gv.at

DVR: 001 7001

 

Frau

Präsidentin des Nationalrates

Parlament

1010 Wien

 

 

 

GZ: BMASK-90180/0045-III/1/2009

 

Wien,

 

 

Sehr geehrte Frau Präsidentin!

Ich beantworte die an mich gerichtete schriftliche parlamentarische Anfrage Nr. 3543/J der Abgeordneten Dr Jarolim ua wie folgt:

 

Fragen 1 und 2:

Unerbetene Telefonanrufe sind laut ständiger Judikatur als unlautere Wettbewerbshandlung iSd § 1 UWG und auch als aggressive Wettbewerbspraktik gem. § 1a UWG anzusehen. Überdies gilt seit der UWG Novelle 2007 ein per se Verbot für die Anwerbung von Kunden durch hartnäckiges und unerwünschtes Ansprechen über Telefon, Fax etc (Z 26 des Anhangs zum UWG). Verstöße gegen § 107 TKG (unerbetene Telefonanrufe zu Werbezwecken) sind mit einer Geldstrafe bis zu 37 000 Euro sanktioniert.

 

Diesen gesetzlichen Regelungsversuchen zum Trotz konnte das Keilen von Verträgen über Fernkommunikationsmittel nicht eingedämmt werden. Dies zeigte eindrucksvoll die Werbeaktion der Firma myphone, deren aggressive Verkaufsstrategie zum Vertrieb von Telefonproviderverträgen im Jahr 2008 zu rund 800 Beschwerden allein bei der Regulierungsbehörde (RTR) führte.

 

Auch die im BMASK aufliegenden Beschwerdezahlen zeigen deutlich auf, dass mit den bestehenden Rechtsnormen keine Lösung des bestehenden Problems zu erreichen ist, bzw diese keine abschreckende Wirkung erzeugen. Zum einen liegt dies nach Auskunft der von uns kontaktierten Fernmeldebehörden daran, dass die Betreiber derartiger Werbeanrufe schwer auszuforschen sind und ihren Sitz in aller Regel im Ausland haben, was die Vollziehung einer Verwaltungsstrafnorm erschwert.

Auch die vom BMASK in Auftrag gegebenen Verbandsklagen (nach § 28a KSchG und § 14 UWG) stehen häufig vor dem Problem, dass der Beklagte nicht ausgeforscht werden kann, bzw die passive Klagslegitimation bestritten wird. Doch auch gewonnene Verbandsprozesse zeigen kaum präventive Wirkung. Die Gewinnmargen bei der Vertriebsform cold calling decken sämtliche Prozess- bzw Exekutionskosten um ein vielfaches ab. Dies zeigt meiner Ansicht nach deutlich den Bedarf einer Gewinnabschöpfung oder funktionell vergleichbarer Instrumente für Wettbewerbsverstöße auf.

 

Für die gekeilten VerbraucherInnen wiederum stellt sich erschwerend das Problem, dass jene Verträge, welche mehrheitlich über Telefon vertrieben werden – i.e. Dienstleistungen, welche sofort in Anspruch genommen werden können oder Wett- und Lotteriedienstleistungen – von den Rücktrittsrechten der Fernabsatzbestimmungen der §§ 5aff KSchG ausgenommen sind (vgl § 5f Z 1 und Z 6 KSchG).

 

Zusammengefasst muss die geltenden Rechtslage vor diesem Hintergrund leider als unzureichend bezeichnet werden.

 

Fragen 3 und 4:

Als zielgerichtete legistische Maßnahme würde das BMASK neben der Einführung einer Gewinnabschöpfung (wie oben angesprochen) eine zivilrechtliche Lösung präferieren, wie sie von den Regierungsparteien im Regierungsprogramm angesprochen wurde: Verträge die im Rahmen unerbetener Werbeanrufe geschlossen werden, sollen entweder nichtig oder bis zur schriftlichen Bestätigung durch den Kunden schwebend unwirksam sein. (S 116)

 

Eine solche hätte gegenüber der geltenden Rechtslage den großen Vorteil, dass sie den VerbraucherInnen unmittelbar hilft, während der Unterlassungsanspruch eines klagsbefugten Verbandes oder die Verwaltungsstrafbefugnis der Fernmeldebehörden für die betroffenen VerbraucherInnen nur indirekte bzw keine Wirkungen entfaltet. Bei der im Regierungsübereinkommen vereinbarten Lösung könnten VerbraucherInnen  unabhängig von der Frage des Bestehens eines Rücktrittsrechtes darauf vertrauen, dass im Zuge von unerbetenen Anrufen geschlossene Verträge keine Wirksamkeit entfalten bzw. nur dann, wenn sie diese nachträglich bestätigen.

 


Unsere Erfahrung im Bereich der Gewinnzusagen zeigte deutlich, dass erst der dem einzelnen eingeräumte zivilrechtliche Anspruch des § 5j KSchG diese irreführende Praxis wirksam eindämmen konnte. Aus diesem Grunde meine ich, dass eine Regelung wie sie im Regierungsprogramm angesprochen wird, systematisch ebenfalls im KSchG umgesetzt werden sollte. Ähnlich wie bei § 5j KSchG ist wohl zu erwarten, dass die Ungültigkeit derartiger Verträge im Vergleich zu den derzeit geltenden Maßnahmen eine ungleich höhere Präventivwirkung entfalten könnte. Eine nicht wirksame Forderung macht es für Unternehmen jedenfalls bedeutend unlukrativer, Produkte über Telefon anzubieten als es das gegenwärtige Regime von UWG und TKG vermögen. Außerdem darf neben der zivilrechtlichen Problematik der Schutz der Privatsphäre des Angerufenen nicht außer Acht gelassen werden. Aufgrund der zu erwartenden Präventivwirkungen kann in der Unwirksamkeit von mittels cold calling gekeilten Vertragsabschlüssen auch eine effektive Maßnahme zum Schutz der Privatsphäre gesehen werden.

 

Bei der Diskussion über eine zivilrechtliche Lösung, wie sie im Regierungsprogramm genannt ist, könnte sich die Frage stellen, wie eine solche im Lichte der gegenwärtigen Verhandlungen über eine Verbraucherrechte-RL zu bewerten ist. Bekanntlich verfolgt der Vorschlag der Kommission das Prinzip der Vollharmonisierung (KOM(2008) 614 endg). Vom Anwendungsbereich erfasste Vertragsarten dürfen daher nach Inkrafttreten dieser Richtlinie nicht strenger bzw abweichend geregelt sein.

 

Anlässlich der Ratsarbeitsgruppe am 10. November 2009 stellte die österreichische Delegation daher die Frage an die Vertreter der Kommission, ob die Verbraucherrechte-RL einer autonomen österreichischen Regelung, wonach im Fall von cold calling die Unwirksamkeit von Verträgen vorgesehen würde, der Richtlinie entgegenstehen würde. Die Kommissionsvertreter antworteten darauf, dass der Richtlinienvorschlag nur zulässige Anrufe umfasse, während cold calling, das auch  nach anderen gemeinschaftsrechtlichen Rechtsakten unzulässig ist (vgl Telekom/Datenschutz-RL) nicht umfasst wäre. Mitgliedstaaten könnten daher Sanktionen gegen cold calling autonom regeln.

 

Natürlich liegt der endgültige Text der Richtlinie noch nicht vor. Zum zeitlichen Horizont der Verbraucherrechte-RL sei allerdings angemerkt, dass diese erst Ende 2010 auf der Tagesordnung des europäischen Parlaments steht, mit der Annahme der Richtlinie daher frühestens 2011 gerechnet werden kann. Mit Blick auf das Ausmaß der bereits derzeit bestehenden Verbraucherprobleme erscheint ein Zuwarten vor diesem Hintergrund schwer vertretbar zu sein. 

 

Frage 5:

Als legistisch nicht zuständiges Ressort kann diese Frage nicht beantwortet werden.

 


Frage 6:

Aus Sicht des BMASK wäre auch ein schriftliches Bestätigungsgebot für derartige Verträge überlegenswert. Wie die Auswertung von Verbraucherbeschwerden zeigt, wissen viele VerbraucherInnen oft gar nicht, dass sie während des Telefongesprächs einen Vertrag abgeschlossen haben. Eine Erhöhung der Formerfordernisse hätte daher den Vorteil, dass KonsumentInnen die Ware – so sie sie tatsächlich beziehen wollen – nach einem bewusst gesetzten Akt auch erhalten können. Eine schriftliche Bestätigung macht uE jedoch nur dann Sinn, wenn Sie nach einer cooling off period durchgeführt wird. Andernfalls könnte die Schutzwirkung einer solchen Regelung umgangen werden, indem VerbraucherInnen im Zuge des Telefongesprächs überredet werden, ein Formular über Internet etc. auszufüllen.

 

Neben der Erhöhung des vertraglichen Schutzes darf jedoch auch die zweite Zielrichtung einer Maßnahme gegen cold calling nicht außer Acht gelassen werden: der Schutz der Privatsphäre. Es ist zu befürchten, dass ein Schriftformgebot die Häufigkeit dieser belästigenden Anrufe gegenüber dem status quo nicht zu reduzieren vermag.

 

Frage 7:

Hinsichtlich der Sinnhaftigkeit der Bestätigung eines telefonisch geschlossenen Vertrages durch einen bewussten Akt sei auf die Beantwortung der Frage 6 verwiesen. Generell bin ich aber der Meinung, dass eine Regelung bevorzugt werden sollte, welche auf sämtliche Vertragsabschlüsse anwendbar ist.

 

Frage 8:

Die Problematik der mangelnden Transparenz eines Vertragsabschlusses über Telefon stellt sich zumeist unabhängig vom Vorliegen einer gültigen Zustimmung zur Anbahnung, ist es den Verbrauchern doch selten bewusst, dass sie eine solche Zustimmung erteilt haben. Liegt jedoch eine gültige Zustimmung vor, handelt es sich nicht mehr um einen Fall von cold calling. Einer solche Regelung würde die Verbraucherrechte-RL daher mit großer Wahrscheinlichkeit im Wege stehen.

 

Zur den Voraussetzungen einer gültigen Einwilligung zur telefonischen Anbahnung sei angemerkt, dass § 107 TKG nicht ausreichend deutlich festlegt, ob eine ausdrückliche Zustimmung erforderlich ist. Das BMVIT wurde daher bereits ersucht, eine diesbezügliche legistische Klarstellung in Bezug auf § 107 TKG vorzunehmen.

 

Mit freundlichen Grüßen