3556/AB XXIV. GP

Eingelangt am 30.12.2009
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BM für Justiz

Anfragebeantwortung

 

 

DIE  BUNDESMINISTERIN
           FÜR  JUSTIZ

BMJ-Pr7000/0260-Pr 1/2009

 

An die

                                      Frau Präsidentin des Nationalrates

                                                                                                                           W i e n

 

zur Zahl 3544/J-NR/2009

 

Die Abgeordneten zum Nationalrat Dr. Johannes Jarolim, Genossinnen und Genossen haben an mich eine schriftliche Anfrage betreffend „Wirksame Maßnahmen gegen unerwünschte Telefonwerbung“ gerichtet.

Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:

Zu 1:

Der Schutz der Verbraucher vor unerbetenen Werbeanrufen ist auf mehreren Ebenen geregelt: Zum einen erklärt § 107 Abs. 1 TKG 2003 Anrufe zu Werbezwecken ohne vorherige Einwilligung des Teilnehmers für unzulässig. Verstöße dagegen sind mit einer Verwaltungsstrafe bis zu 37.000 Euro sanktioniert. Zudem stellen unerbetene Werbeanrufe nach der Judikatur unlautere bzw. aggressive Geschäftspraktiken im Sinne der §§ 1 und 1a UWG dar, sodass (auch durch Verbandsklage zu verfolgende) Unterlassungs- sowie Schadenersatzansprüche in Betracht kommen. Auf Verträge, die im Rahmen eines unerbetenen Werbeanrufs abgeschlossen werden, sind darüber hinaus in aller Regel die Bestimmungen über Vertragsabschlüsse im Fernabsatz (§§ 5a bis 5i KSchG) anzuwenden, nach denen nicht nur bestimmte Informationspflichten vom Unternehmer zu erfüllen sind, sondern grundsätzlich auch ein Rücktrittsrecht des Verbrauchers (§ 5e KSchG) besteht. Allerdings ist das Rücktrittsrecht gemäß § 5f KSchG bei bestimmten Verträgen – beispielsweise bei solchen über Dienstleistungen, mit deren Ausführung dem Verbraucher gegenüber vereinbarungsgemäß innerhalb von sieben Werktagen ab Vertragsschluss begonnen wird – ausgeschlossen. Eine weitere Beschränkung des Rücktrittsrechts ergibt sich aus der Rücktrittsfrist von drei Monaten bei mangelnder Informationserteilung durch den Unternehmer. Auf der anderen Seite besteht auch nach dem Konsumentenschutzgesetz die Möglichkeit, gegen Verstöße mit Verbandsklage vorzugehen.

Insgesamt bietet die geltende Rechtslage also durchaus Schutz für den Verbraucher.

Zu 2 bis 8:

Das Regierungsprogramm sieht vor, dass Verträge, die im Rahmen unerbetener Werbeanrufe geschlossen werden, entweder nichtig oder bis zur schriftlichen Bestätigung durch den Kunden schwebend unwirksam sein sollen.

Ich bekenne mich natürlich zu den Vorhaben des Regierungsprogramms. Dennoch dürfen im Zusammenhang mit einer zu schaffenden Regelung betreffend „Cold Calling“ zwei wesentliche Aspekte nicht außer Acht gelassen werden: Zum einen ist dies der Bezug einer solchen Regelung zu den derzeit auf EU-Ebene laufenden Arbeiten an einer vollharmonisierten Verbraucherrechte-Richtlinie, zum anderen die Stellung einer solchen Regelung im Gefüge des österreichischen Zivilrechts.

Was den europäischen Bezug betrifft, so besteht derzeit noch nicht ausreichende Klarheit darüber, wie die erwähnte Richtlinie – die unter anderem das Fernabsatzrecht umfassend harmonisieren soll – letztlich tatsächlich aussehen wird. Derzeit werden zwar weder die Thematik „Cold Calling“ noch Fragen der Nichtigkeit bzw. schwebenden Unwirksamkeit von Verträgen von der Richtlinie behandelt. Selbst wenn es allerdings dabei bleiben sollte, ist hier mit Umsicht vorzugehen, weil die weiteren Entwicklungen der Arbeiten an der Richtlinie nur schwer abzuschätzen sind und eine allfällige neue verbraucherrechtliche Regelung mit der durch die Richtlinie modifizierten Systematik des Verbraucherrechts vereinbar sein sollte.

Auch das Gefüge des österreichischen Zivilrechts muss im Zusammenhang mit Überlegungen zur Schaffung einer Regelung, wie sie im Regierungsprogramm vorgeschlagen wird, beachtet werden. Eine derartige – wohl im Konsumentenschutzgesetz bei den Bestimmungen über den Fernabsatz anzusiedelnde – Regelung, die im Rahmen eines unerbetenen Telefonanrufs abgegebene Willenserklärungen für nichtig bzw. für schwebend unwirksam erklärt, wäre – jedenfalls in dieser Ausgestaltung – eine systemuntypische Neuerung im österreichischen Vertragsrecht. Freilich kennt das Vertragsrecht bestimmte Formgebote; eine nicht an den Inhalt des Vertrags, sondern an die Modalität des Vertragsabschlusses anknüpfende Nichtigkeitsregelung oder „schwebende Unwirksamkeit“ erinnert aber an die Schutzbestimmungen zugunsten besonders schutzbedürftiger Personen (Minderjährige, unter Sachwalterschaft stehende Personen). Im Vertragsrecht sollten Durchbrechungen des Prinzips der Bindung an getätigte Willenserklärungen oder weitere Einschränkungen des Prinzips der Formfreiheit von Willenserklärungen – auch im Hinblick auf Verhältnismäßigkeitserwägungen – gut überlegt und umfassend diskutiert werden.

Deshalb plane ich, zunächst eine Arbeitsgruppe (unter Einbindung der anderen betroffenen Ministerien und Interessenverbände) einzuberufen, die sich mit den verschiedenen Möglichkeiten zur Lösung der Problematik auseinandersetzt. Im Hinblick darauf erscheint allerdings die Präsentation eines Vorschlags bis Ende Februar 2010 nicht realistisch.

.Dezember 2009

 

(Mag. Claudia Bandion-Ortner)