3695/AB XXIV. GP

Eingelangt am 15.01.2010
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BM für Verkehr, Innovation und Technologie

Anfragebeantwortung

GZ. BMVIT-10.000/0056-I/PR3/2009    

DVR:0000175

 
 


An die

Präsidentin des Nationalrats

Mag.a  Barbara PRAMMER

Parlament

1017    W i e n

Wien, am     . Jänner 2010

 

Sehr geehrte Frau Präsidentin!

 

 

Die Abgeordneten zum Nationalrat Dr. Moser, Freundinnen und Freunde haben am 16. November 2009 unter der Nr. 3692/J an mich eine schriftliche parlamentarische Anfrage betreffend Kaprun – Klärung der Ursache gerichtet.

 

Diese Anfrage beantworte ich wie folgt:

 

 

Zu den Fragen 1 bis 15, 17 bis 19 und 22 bis 34:

Ø      Liegt das Betriebsbuch zum Kapruner Unfallfahrzeug vor?

Ø      Wenn nein, warum nicht und seit wann nicht?


Ø      Wurde es a) im Zuge des Gerichtsverfahrens, b) in einem sonstigen Zusammenhang angefordert?

Ø      Wenn nein, warum nicht?

Ø      Falls das Betriebsbuch vorliegt: Welche Vermerke über a) Defekte, b) Reparaturen wurden darin vorgenommen?

Ø      Wodurch lässt sich im einzelnen ausschließen, dass Beweismittel unterschlagen oder nach ihrem Übergang in die Obhut des zuständigen Gerichts zerstört oder unterschlagen wurden, wie von den deutschen Gutachtern mit konkreten Angaben – zB Ölspuren, Holzverbau – angeführt und auch angesichts anderer Quellen – siehe den in der Begründung erwähnten Verweis auf Bildquellen zu einem Heizstern eines Heizlüfters der Unglücksgarnitur in einem Gutachten des SV Prader – naheliegen würde?

Ø      Wie sind die verschwundenen oder zerstörten Beweismittel erklärbar und wer trägt die Verantwortung für ihr Verschwinden bzw. ihre Zerstörung?

Ø      Wodurch lässt sich im einzelnen ausschließen, dass bei der Unglücksgarnitur defekte bzw. mangelhaft reparierte Lager – auf die Aussagen zum Fahrverhalten der Garnitur bei der vorletzten und letzten Fahrt sowie Videoaufnahmen von ausgetretenen und geschmolzenen Lagerfettrückständen auf den Schwellen hindeuten würden – vorlagen?

Ø      Wer wäre für einen etwaigen Betrieb der Garnitur mit defekten bzw. mangelhaft reparierten Lagern verantwortlich?

Ø      Wodurch lässt sich im einzelnen ausschließen, dass die Brandkatastrophe in einem Zusammenhang mit im Rahmen seinerzeitiger Bauarbeiten im Bereich der Bergstation/Alpincenter womöglich durchgeführte Materialfahrten, den dabei transportierten Lasten etc gestanden haben könnte?

Ø      Welche Belege liegen der im Kaprun-Urteil des Landesgerichts Salzburg vom Februar 2004 diesbezüglich enthaltene Feststellung, alle Baumaschinen und andere schwere Geräte für den Aus- und Umbau des Alpincenters sowie alle Schwerlasten für die am 11.11.2000 geplante Snowboard-Veranstaltung wären nicht mit der Standseilbahn transportiert worden, zugrunde?

Ø      Ist es zutreffend, dass in der in Frage 11 zitierten Passage des Urteils nicht auf Bauteile für den Aus- und Umbau des Alpincenters eingegangen wird?

Ø      Aus welchem Grund finden zwar die im Jahr 1999 und in den Monaten Jänner bis Oktober 2000 transportierten Lasten im Kaprun-Urteil des Landesgerichts Salzburg vom Februar 2004 Erwähnung, nicht jedoch die im November 2000 bis zum Unglückstag transportierten Lasten? Welche Informationen liegen über diese Lasten vor?

Ø      Ist es zutreffend, dass die in den Garnituren der Kapruner Standseilbahn eingebauten Haushalts-Heizlüfter konstruktiv verändert und damit ohne erforderliche Prüfzeichen eingebaut und betrieben wurden? Wenn nein, warum nicht?

Ø      Ist es zutreffend, dass die in den Garnituren der Kapruner Standseilbahn eingebauten Haushalts-Heizlüfter bestimmungswidrig eingebaut und betrieben wurden? Wenn nein, warum nicht?

Ø      Ist es zutreffend, dass das in der Unglücksgarnitur eingesetzte, hochentzündliche und hochexplosive sowie chemisch im Hinblick auf Kunststoffleitungen und Ventile aggressive Hydrauliköl „Aero HFA“ u.a. a) nicht handelsüblich und b) nicht bzw. nicht für diesen Einsatzzweck genehmigt war und c) aufgrund seiner problematischen Eigenschaften in seinem ursprünglichen Einsatzgebiet (Luftfahrt) bereits Jahrzehnte nicht mehr verwendet werden durfte?

Ø      Wenn ja, warum wurde es hier trotzdem verwendet?

Ø      Ist es zutreffend, dass beispielsweise in der Schweiz und Frankreich bereits mehrere Jahre vor dem 1993/94 erfolgten Umbau der Garnituren der Kapruner Standseilbahn wesentlich weitergehende Sicherheits- und Brandschutzstandards bei Konstruktionen und Bau von Standseilbahnen bzw. Standseilbahn-Garnituren incl. entsprechenden Verträgen üblich waren als die beim Umbau der Garnituren der Kapruner Standseilbahn zur Anwendung gekommenen?

Ø      Sind mangelnde Kontrolle, Prüfung und Wartung einer Seilbahn Dauerdelikte, bei denen keine Verjährung eintritt? Wenn nein, warum nicht?

Ø      Welche fünf möglichen Zündquellen für den Brand wurden im seinerzeitigen Untersuchungsbericht des KTZ (Kriminaltechnisches Zentrum, heute BKA/Bundeskriminalamt) angegeben, und auf welcher Grundlage wurden die vier offenbar im Strafprozess für nicht ursächlich erkannten möglichen Zündquellen ausgeschieden?

Ø      Mit welcher Begründung wurden die Ermittlungen im Rahmen des Verfahrens der deutschen Staatsanwaltschaft Heilbronn dadurch erschwert, dass mit einem Befestigungsdom und einem Bruchstück an einer Befestigungsschraube des von den Gutachtern verwendeten Heizlüfters, mit Teilen eines Vergleichs-Heizlüfters sowie mit bestimmten mit rötlichen, auf Hydrauliköl und damit Undichtigkeiten des Hydrauliksystems hindeutenden Antragungen versehenen Teilen der Holzverkleidung aus dem Führerstand „wesentliche Beweismittel, auf die sich letztendlich der Freispruch bezogen hat, für das deutsche Verfahren nicht zur Verfügung gestellt werden konnten“ (Zitat aus dem Ermittlungsbericht zum Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Heilbronn/Deutschland vom 27.3.2007)? Wer hat die Entscheidung für das Nicht-Zurverfügungstellen dieser Beweismittel getroffen?

Ø      Mit welcher Begründung wurde dem seinerzeit als Aktenführer zu Kaprun tätigen Mitarbeiter des KTZ in einem Rechtshilfeverfahren im Rahmen des Verfahrens der deutschen Staatsanwaltschaft Heilbronn für seine Vernehmung in Wien im Jänner 2007 nur eine sehr weitgehend eingeschränkte Aussagegenehmigung erteilt? Wer hat die Entscheidung über diese Einschränkung getroffen?

Ø      Ist es zutreffend, dass bereits unmittelbar nach der Katastrophe der ursprüngliche, später mit Hilfe eines gerichtspsychologischen Gutachtens aus dem Verfahren entfernte Hauptgutachter des Kaprun-Verfahrens sich u.a. in einem Zwischenbericht zu porösen Hydraulikleitungen geäußert hatte und zu ähnlichen Schlüssen wie 2006/07 die im deutschen Ermittlungsverfahren tätigen Gutachter und Fachstellen gelangte?

Ø      Ist es richtig, dass dieser Befund auch vom KTZ bestätigt wurde?

Ø      Auf wessen Initiative kam die nach den in Frage 21 und 22 erwähnten Ereignissen im März 2001 in Linz durchgeführte Besprechung von Gericht, Gutachtern und Staatsanwaltschaft zustande, in dessen Folge wenige Tage später der bereits erteilte Ermittlungsauftrag – ohne Wissen des Hauptgutachters – reduziert wurde?

Ø      Mit welcher Begründung wurde der Ermittlungsauftrag reduziert?

Ø      Ist es zutreffend, dass durch den reduzierten Ermittlungsauftrag den Gutachtern konkret untersagt war, bei der Gletscherbahn Nachforschungen über „Eignung und Zulässigkeit der verbauten Materialien in Zügen“ sowie über die „Genehmigungsverfahren und Bescheide aller zuständiger Behörden“ anzustellen? Falls nein – was wurde den Gutachtern durch den reduzierten Ermittlungsauftrag im Vergleich zum davor bestehenden Ermittlungsauftrag geändert aufgetragen bzw. untersagt?

Ø      Ist es zutreffend, dass den Ermittlern des KTZ vom Gericht jeder Zugang zu den Beweismitteln verwehrt wurde?

Ø      Ist es zutreffend, dass die Ermittler ein halbes Jahr später zu Protokoll gaben „Die Klärung der Brandursache scheitert an den von Seiten des Gerichts vorenthaltenen Dokumentationen, untersagten Untersuchungen und Behinderungen bei den Ermittlungen“.?

Ø      Wie erklären Sie, dass einer der vier letztlich verbliebenen Gutachter des Kaprun-Verfahrens bei seiner im Sommer 2009 erfolgten Einvernahme/Befragung im Zusammenhang mit der Anzeige deutscher Gutachter gegen ihn und seine Gutachter-Kollegen angab, dass er seit elf Jahren (also: 1998) schwer sehbehindert sei und deshalb eine Lektüre von rivalisierenden Gutachten nicht möglich gewesen sei, wobei es jedoch 2000ff in den Aufgabenbereich dieses Gutachters gefallen war, das angeblich katastrophenauslösende Heizlüfter-Modell einer genauen Prüfung zu unterziehen?

Ø      Wie erklären Sie, dass zwei weitere der vier Gutachter des Kaprun-Verfahrens bei ihren im Sommer 2009 erfolgten Einvernahmen/Befragungen im Zusammenhang mit der Anzeige deutscher Gutachter gegen sie und ihre Gutachter-Kollegen einräumten, es sei ihnen nicht bekannt gewesen, dass ein Elektrogerät – wie zB der betreffende Heizlüfter – sämtliche Prüfzeichen, Zulassungen und Gewährleistungen verliert, wenn es sich nicht mehr im Originalzustand befindet, sondern zerlegt, umgebaut und neu zusammengesetzt wird – eine Tatsache, die nicht nur jedem Laien, der mit Elektrogeräten zu tun hat, bekannt ist, sondern unter anderem auch dem Betriebselektriker der Gletscherbahnen, wie in den damaligen Ermittlungen und Befragungen mehrfach bestätigt wurde?

 

 

Die Beantwortung dieser Fragen fällt nicht in den Vollzugsbereich des Bundesministeriums für Verkehr, Innovation und Technologie bzw. betreffen die Fragen u.a. Entscheidungen der Rechtssprechung im Rahmen der unabhängig richterlichen Rechtssprechung und unterliegen somit nicht dem parlamentarischen Interpellationsrecht gemäß Art. 52 Abs. 2 B-VG.

 

 

Zu Frage 16:

Ø      Wodurch lässt sich im einzelnen erklären, dass die Unglücksgarnitur ein „Fahrbetriebsmittel“ und kein „Fahrzeug“ gewesen sei und dass dies (wie im Rahmen des Urteils im Strafprozess insinuiert) einen entscheidenden, grundlegenden Unterschied mache, wenn doch die dafür angeführten Argumente und Charakteristika – kein eigener Antrieb, kein mitgeführter Treibstoff – vollumfänglich zB auch von land- und forstwirtschaftlichen Anhängern erfüllt werden, die von damals wie heute gültigen Gesetzen der Republik Österreich (vgl. §2 KFG) als „Fahrzeuge“ definiert werden?

 

Dazu ist anzumerken, dass das Kraftfahrgesetz im § 2 Kraftfahrzeuge und Anhänger definiert, wobei als Überbegriff „Fahrzeug“ verwendet wird.

 

Im gegebenen Anlassfall ist jedoch das Eisenbahngesetz 1957, das die Grundlage des Umbaues der Gletscherbahn 2 im Zeitraum 1993/94 bildete, anzuwenden. Darin werden jene Transporteinrichtungen bei  Seilbahnen, in dem oder auf dem Fahrgäste befördert werden, mit dem Überbegriff „Fahrbetriebsmittel“ bezeichnet.

Im § 6 Eisenbahngesetz 1957 werden Fahrbetriebsmittel des weiteren in „Wagen“ bei Standseilbahnen und in „Kabinen“ und „Sessel“ bei Seilschwebebahnen unterteilt. Dies deshalb, weil die Fahrbetriebsmittel einer Seilbahn von einer externen Antriebsstation (Tal- oder Bergstation) durch ein Seil gezogen werden und sich kein Antrieb am Fahrbetriebsmittel befindet. Der Antrieb ist in einer Station fix montiert und nicht fahrbar.


Das Kraftfahrgesetz schließt jedoch die Anwendung bei Seilbahnen aus, und damit auch die im Kraftfahrgesetz  für Straßenfahrzeuge anzuwendenden Begriffsbestimmungen. Die unterschiedliche Terminologie bzw. Begriffsbestimmungen im Kraftfahrgesetz einerseits bzw. im Eisenbahngesetz 1957 andererseits sind somit technisch begründet.

 

Der Vergleich eines Wagens einer Standseilbahn mit einem land- und forstwirtschaftlichen Anhänger (als „Fahrzeug“) ist somit nicht zuletzt aus technischen Gründen nicht ableitbar, da im Fahrbetrieb der Anhänger immer unmittelbar mit der Zugmaschine (das Kraftfahrzeug mit Antrieb) verbunden ist und sich daher wie das Kraftfahrzeug immer in der Nähe technisch freigemachter Energie befindet.

 

 

Zu Frage 20:

Ø      Ist es zutreffend, dass damit der Kapruner Umbau hinsichtlich angewandter Technik und benutzter Materialien nicht dem damaligen Stand der Technik entsprochen hat? Wenn nein, warum nicht?

 

Dazu ist anzumerken, dass sowohl die Frage nach dem damaligen Stand der Technik der ausgeführten Konstruktion, der Sicherheitseinrichtungen als auch die nach dem damaligen Stand der Technik verwendeten Materialien im Gerichtsverfahren erörtert wurden. Das Urteil des Gerichtsverfahrens gründet auf Gutachten von Gerichtssachverständigen sowie Aussagen von Zeugen, und kommt zu dem Schluss, dass der damalige Stand der Technik eingehalten wurde.

 

 

Zu Frage 21:

Ø      Ist es zutreffend, dass beim Umbau gegen die allgemeinen Regeln der Technik verstoßen wurde, wie von einem im Rahmen des österreichischen Verfahrens verfassten Gutachten belegt? Wenn nein, warum nicht?

 

Im Speziellen ist dazu anzumerken, dass das Urteil des Gerichtsverfahrens auf die Gutachten der vom Gericht beigezogenen Gerichtssachverständigen gründet. Nach deren Gutachtenserörterung, sowie auf Grund der Aussagen der vom Gericht geladenen Zeugen wurde vom Gericht abschließend festgestellt, dass sowohl die damaligen Regeln der Technik, als auch der damalige Stand der Technik eingehalten wurden.