3706/AB XXIV. GP
Eingelangt am 18.01.2010
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BM für Finanzen
Anfragebeantwortung
Frau Präsidentin
des Nationalrates
Mag. Barbara Prammer Wien, am Jänner 2010
Parlament
1017 Wien GZ: BMF-310205/0237-I/4/2009
Sehr geehrte Frau Präsidentin!
Auf die schriftliche parlamentarische Anfrage Nr. 3740/J vom 18. November 2009 der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen beehre ich mich, Folgendes mitzuteilen:
Zu 1.:
Es trifft zu, dass die Kommission der Europäischen Union Anfang November Klage gegen Österreich beim Europäischen Gerichtshof erhoben hat, weil Österreich für die Lieferung bestimmter lebender Tiere, insbesondere Pferde, den ermäßigten Umsatzsteuersatz von 10% anwendet.
Zu 2.:
In diesem Punkt bestehen unterschiedliche Rechtsauffassungen zwischen der Europäischen Kommission einerseits und Österreich andererseits. Die Kommission vertritt die Auffassung, dass die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes für Pferde nur dann möglich sei, wenn die Pferde für die Zubereitung von Nahrungs- oder Futtermitteln verwendet werden. Österreich ist hingegen der Ansicht, dass Pferde generell dem ermäßigten Steuersatz unterworfen werden können.
Österreich ist – wie alle EU-Mitgliedsstaaten – in Bezug auf die Erlassung von Vorschriften auf dem Gebiet der Mehrwertsteuer an die gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben gebunden. Im Anhang III der maßgeblichen Mehrwertsteuerrichtlinie 2006/112/EG sind jene Gegenstände (wozu auch lebende Tiere gehören) und Dienstleistungen aufgezählt, für die ein ermäßigter Steuersatz angewendet werden darf.
Die Ziffer 1 dieses Anhangs lautet:
„Nahrungs- und Futtermittel (einschließlich Getränke, alkoholische Getränke jedoch ausgenommen), lebende Tiere, Saatgut, Pflanzen und üblicherweise für die Zubereitung von Nahrungs- und Futtermitteln verwendete Zutaten sowie üblicherweise als Zusatz oder als Ersatz für Nahrungs- und Futtermittel verwendete Erzeugnisse“
Da somit der Begriff „lebende Tiere“ eigenständig genannt ist, ergibt sich nach Ansicht Österreichs nicht die Schlussfolgerung, dass er – entsprechend der Auffassung der Europäischen Kommission – nur im Zusammenhang mit „Nahrungs- und Futtermitteln“ zu verstehen ist.
Die generelle Aufnahme des Begriffes „lebende Tiere“ in der Z 1 des Anhangs III der Mehrwertsteuerrichtlinie dürfte erfolgt sein, um einerseits Abgrenzungsschwierigkeiten zu vermeiden und andererseits zu gewährleisten, dass Nahrungsmittel keinesfalls dem Zugang zum ermäßigten Steuersatz entzogen werden sollen. Im Einzelfall wird es für den Verkäufer nicht immer einfach sein, zu bestimmen, ob ein Pferd – auch wenn es zunächst als Last- oder Reittier verwendet wird – letztlich einer Verwendung als Nahrungs- oder Futtermittel zugeführt wird.
Zu 3. und 4.:
Aufgrund der zu Frage 2. dargestellten österreichischen Rechtsauffassung bestand und besteht keine Veranlassung, eine Änderung des Mehrwertsteuersatzes vorzunehmen. Die Begründung der österreichischen Vorgangsweise gegenüber der Europäischen Kommission erfolgte dem entsprechend.
Zu 5.:
Die Europäische Kommission hat in der gegenständlichen Angelegenheit Klage gegen die Länder Deutschland, Österreich, Frankreich und Luxemburg erhoben.
Zu 6.:
Sollte der Europäische Gerichtshof den ermäßigten Steuersatz für Pferde generell als gemeinschaftswidrig beurteilen, müsste Österreich eine diesbezügliche Änderung des Umsatzsteuergesetzes vornehmen und für die Lieferung (die Einfuhr und den innergemeinschaftlichen Erwerb) von Pferden, die nicht einer Verwendung als Nahrungs- oder Futtermittel zugeführt werden, den Normalsteuersatz von 20% vorsehen. Hierbei wäre noch zu klären, wie die Abgrenzung der einzelnen Pferdelieferungen konkret zu erfolgen hätte. Eine derartige Änderung würde zwangsläufig in vielen Fällen zu einer Erhöhung der Verkaufspreise von Pferden führen und sich vor allem für jene Käufer auswirken, die nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt sind (Privatpersonen, gemeinnützige Vereine etc.). Der Normalsteuersatz müsste etwa auch dann zur Anwendung kommen, wenn ein Pferd zu therapeutischen Zwecken (beispielsweise bei behinderten Personen) verwendet wird.
Mit freundlichen Grüßen