3749/AB XXIV. GP

Eingelangt am 22.01.2010
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BM für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft

Anfragebeantwortung

 

 

 

 

 

NIKOLAUS BERLAKOVICH

Bundesminister

 

 

 

 

 

 

 

 

An die                                                                                                Zl. LE.4.2.4/0233-I 3/2009

Frau Präsidentin

des Nationalrates

Mag.a Barbara Prammer

 

Parlament

1017 Wien                                                                                        Wien, am 22. JAN. 2010

 

 

 

 

 

Gegenstand:   Schriftl. parl. Anfr. d. Abg. z. NR Harald Jannach, Kolleginnen

und Kollegen vom 23. November 2009, Nr. 3781/J, betreffend

Maßnahmen gegen das heimische Bauernsterben und den

Preiszerfall am Milchmarkt

 

 

 

Auf die schriftliche parlamentarische Anfrage der Abgeordneten Harald Jannach, Kolleginnen und Kollegen vom 23. November 2009, Nr. 3781/J, teile ich Folgendes mit:

 


Zu Frage 1:

 

Eine kostendeckende bzw. gewinnbringende Produktion in der Milchwirtschaft ist ein zentrales Ziel der Agrarpolitik. Es ist unbestritten, dass 2009 dieses Ziel nicht ausreichend erreicht werden konnte.

 

Mit den zur Verfügung stehenden Instrumenten wurde versucht, eine Marktstabilisierung zu erreichen, was auch gelungen ist. Dies zeigt die derzeitige Marktentwicklung, unterstützt von einem Nachfrageanstieg. Es wurden auch Begleitmaßnahmen mit dem Konjunkturpaket I und II gesetzt und zusätzlich konnte noch ein Zusatzbudget von 300 Mio. € eingerichtet werden.

 

Durch die fortschreitende Ausrichtung der Gemeinsamen Agrarpolitik auf die Marktkräfte, den Klimawandel und eine immer stärkere Verflechtung der Agrarmärkte mit dem übrigen Rohstoff- und Finanzsektor sind zunehmend Preis- und damit Einkommensschwankungen zu erwarten.

Eine der wichtigen zukünftigen Herausforderungen der Europäischen Agrarpolitik wird daher eine Erhöhung der Sicherheit im Bereich der Liquiditäts- und Investitionsplanungen sein. Dadurch soll auch in Krisensituationen zumindest die Stabilisierung der Einkommen aus der Land- und Forstwirtschaft erreicht werden.

 

Zu den Fragen 2 und 3:

 

In Zeiten niedriger Milchpreise, wie im Jahr 2009, ist es sehr schwierig für die österreichischen Milchproduzentinnen und -produzenten, eine lebensfähige und gewinnbringende milchwirtschaftliche Produktion aufrecht zu erhalten. Eine Reihe von in Österreich durchgeführten wissenschaftlichen Studien belegt jedoch, dass erschwerte Produktions­bedingungen, die Marktlage oder auch agrarpolitische Hintergründe nicht die zentralen Faktoren in der Entscheidung über die Weiterführung oder Aufgabe eines Betriebes sind. Als ausschlaggebender Faktor für die Weiterbewirtschaftung eines Betriebes gilt der so genannte Familienlebenszyklus am landwirtschaftlichen Betrieb, in dessen Zentrum die Frage nach einem Hofnachfolger/einer Hofnachfolgerin steht.

 

Insgesamt lag im Jahr 2008 der Anteil der Betriebsleiterinnen bzw. -leiter, die einen Rückzug aus der milchwirtschaftlichen Produktion planen, bei 3,6% Prozent. Auch für 2009 kann trotz niedriger Erzeugermilchpreise aufgrund empirischer Untersuchungen von einem gleich bleibenden Rückzugsanteil ausgegangen werden.

 

Die Entwicklung der Zahl der Betriebsaufgaben bis zum Jahr 2013 ist nur schwer einzuschätzen, da der Zeitraum des Auslaufens der Quote sich als schwierige Zeit für die Milchbäuerinnen und -bauern erweisen wird. Dieser Quotenauslauf, der von österreichischer Seite bis zuletzt strikt abgelehnt wurde, ist von der demokratischen Mehrheit der EU-Mitgliedstaaten im Rahmen des Health Check beschlossen worden und nun als Faktum anzuerkennen.

 

Das Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft (BMLFUW) wird jedoch alles daran setzen, um die Folgen des Milchquotenauslaufes für die österreichischen Milchproduzentinnen und -produzenten abzumildern. So sollen verschiedene Anreize geschaffen werden, um die Milchwirtschaft in Österreich im bestehenden Ausmaß aufrecht erhalten zu können. Das BMLFUW setzt sich hier natürlich für alle landwirtschaft­lichen Betriebe ein, sowohl für die strukturell kleinen als auch die größeren Betriebe.

 

Zu Frage 4:

 

Derzeit unterscheiden sich die Auswirkungen der niedrigen Erzeugermilchpreise auf die strategische Ausrichtung der Milchviehbetriebe statistisch nicht nach Berggebiet und Nichtberggebiet, wie Studien zeigen. Eine Intensivierung oder ein Rückzug aus der Milchproduktion wird in den Berggebieten als auch in den Nichtberggebieten gleich oft bzw. wenig oft angestrebt. In den Berggebieten spielen öffentliche Gelder eine sehr wichtige Rolle um öffentliche Leistungen, die durch die Landwirtinnen und Landwirte erbracht werden, abzugelten. Darüber hinaus ist die Landwirtschaft im gesamten ländlichen Raum ein wichtiger Wirtschaftmotor und damit dies so bleiben kann, wird die Unterstützung der Landwirtschaft im gesamten ländlichen Raum auch in Zukunft großes Gewicht haben.

 


Zu Frage 5:

 

Für kleine und mittlere landwirtschaftliche Betriebe wird auch in Zukunft eine gute Aus- und Weiterbildung der am Betrieb Beschäftigten und vor allem des Betriebsleiters/der Betriebsleiterin entscheidend sein, um die für eine effiziente Betriebsführung notwendigen Managementqualitäten gewährleisten zu können. Weiters zeigt sich die Verfolgung einer Diversifizierung der landwirtschaftlichen Produktion vermehrt als wichtige Zukunftsstrategie für viele Betriebe, da beispielsweise durch qualitativ höherwertige, veredelte Produkte auch eine höhere Preisspanne durch die Landwirtin bzw. den Landwirt abgeschöpft werden kann. Darüber hinaus können durch innovative und nicht ersetzbare Produkte Nischen besetzt werden, die ebenfalls eine höhere Wertschöpfung bringen. Durch arbeitsteilige Verfahren (zB. Auslagerung der Kalbinnenaufzucht oder diverser anderer Arbeitsgänge) oder Kooperationen, durch die Kosten niedrig gehalten werden können und somit nicht jede Investition selbst getätigt werden muss, können wichtige Größendegressionseffekte wirksam werden. Auf der Kostenseite können Reduktionen vor allem durch den verstärkten Einsatz von Maschinenring und sparsameren Lösungen bei Investitionen erzielt werden.

 

Zu Frage 6:

 

Die österreichische Milchwirtschaft zeigte sich im Ausland in der Vergangenheit durchaus konkurrenzfähig und es ist davon auszugehen, dass dies auch weiterhin der Fall sein wird.

 

Seit dem EU-Beitritt Österreichs im Jahr 1995 ist ein sehr guter Exporterfolg bei den Milchprodukten zu verzeichnen. Das wichtigste Außenhandelsprodukt Österreichs ist der Käse, hier bestätigt sich auch, dass die österreichische Milchproduktion vor allem durch qualitativ hochwertige Produkte am internationalen Markt wettbewerbsfähig ist. Die österreichische Milchwirtschaft wird bei einem Wettbewerb mit dem Ausland auch weiterhin mit großem Erfolg auf die Vorteile der hohen Produktionsstandards und den Besonderheiten der österreichischen Produktion (Gentechnikfreiheit, hoher Bioanteil, spezielle Qualitäts­programme wie Heumilch etc.) und dem Vertrauen der Konsumentinnen und Konsumenten in österreichische Produkte setzen können.

 


Zu den Fragen 7 und 8:

 

In der Fragestellung klingt mit, dass die Zukunft der Landwirtschaft nicht mehr in einer bäuerlichen Struktur sondern in einer industrialisierten Form in Richtung Großbetriebe liegen wird. Dies ist aber keinesfalls eine brauchbare Strategie im Sinne der Nachhaltigkeit. Darüber hinaus hat besonders in benachteiligten Regionen das flächenmäßige Wachsen von Betrieben auch unter Einsatz kostenintensiver Technik seine Grenzen. Außerdem wäre damit auch die Gefahr einer unvertretbaren Intensivierung der landwirtschaftlichen Bewirtschaftung verbunden, was aus verschiedenen Gründen nicht gut geheißen werden kann.

 

Vor diesem Hintergrund hat die Agrarpolitik der EU das Ziel, mit Hilfe von direkten Zahlungen im Rahmen der Marktordnung eine Basissicherung für die Betriebe zu leisten, um damit die Risken für Preisschwankungen auf den Märkten abzufedern. Darüber hinaus werden die Leistungen, die die Bauern für die Gesellschaft erbringen und die über die Marktpreise nicht (mehr) abgegolten werden, im Rahmen der Maßnahmen der Ländlichen Entwicklung entsprechend  honoriert. Besonders hervorzuheben sind daher Abgeltungen der natürlichen und wirtschaftlichen Nachteile der Bewirtschaftung im Berggebiet und sonstigen benachteiligten Gebiete sowie die Abgeltung der vielfältigen Umweltleistungen im Rahmen des ÖPUL-Umweltprogramms.

 

Das BMLFUW wird sich weiterhin dafür einsetzen, dass in Österreich unter Berücksichtigung seiner topografischen Gegebenheiten und im Hinblick auf eine ökologisch vertretbare Bewirtschaftung von landwirtschaftlichen Nutzflächen die entsprechenden Rahmenbedingun­gen geschaffen werden, um die Weiterbewirtschaftung von Flächen und die Erhaltung von landwirtschaftlichen Betrieben zu ermöglichen.

 


Zu Frage 9:

 

Gemeinsam mit der Europäischen Kommission wurden die bestehenden Markt­ordungs­instrumente, wie die Intervention, private Lagerhaltung und die Exportunterstützung genützt, um den europäischen Markt zu stabilisieren. Durch die ergriffenen Maßnahmen wurden rund 15 Mio. Tonnen Milchäquivalent vom europäischen Markt genommen, das entspricht der 5,5-fachen Menge der jährlichen Milchanlieferung Österreichs.

 

Auf das Konjunkturpaket I im Rahmen der Ländlichen Entwicklung und die ab dem Jahr 2010 eingeführte Milchkuhprämie als Begleitmaßnahme für den Quotenauslauf darf verwiesen werden. Die von Österreich gemeinsam mit anderen Mitgliedstaaten initiierte Hochrangige Gruppe Milch wird bis Mitte 2010 mittel- und langfristige Maßnahmen zur besseren Bewältigung der Herausforderungen im Zusammenhang mit dem bevorstehenden Quotenauslauf vorlegen.

 

Zu den Fragen 10 und 11:

 

Durch die hohe Qualität der österreichischen Milchprodukte konnte sich der Milchstandort Österreich im starken Umfeld behaupten. Österreich exportiert rund 40% der verarbeiteten Milchmenge. Daher profitieren wir bereits jetzt vom europäischen Binnenmarkt. Dem­entsprechend ist auch in Zukunft keine große Änderung zu erwarten, wenn wir den eingeschlagenen Weg konsequent weiter verfolgen. Die österreichische Milchwirtschaft hat dies bereits bei der Bewältigung des EU-Beitritts und der Erweiterung nach Mittel- und Osteuropa bewiesen. Darüber hinaus zeigen Prognosen der Europäischen Kommission bis 2015, dass die Nachfrage nach Milchprodukten aus Drittländern in der EU nicht steigen wird und damit auch kein erhöhter Import dieser Produkte auf den Binnenmarkt zu erwarten ist. Viel wichtiger ist es, eine eindeutige und unmissverständliche Kennzeichnung der Produkte für die Konsumentinnen und Konsumenten zu gewährleisten, damit die Herkunft und Qualität bei der Kaufentscheidung nachvollziehbar ist.

 


Zu Frage 12:

 

Es bedurfte großer Anstrengungen von 21 Mitgliedstaaten am Wiener Milchgipfel, die Europäische Kommission davon zu überzeugen, dass Maßnahmen notwendig sind, um den Milchbetrieben eine direkte finanzielle Liquiditätshilfe in dieser schwierigen Situation zu gewähren. Die zusätzliche Bereitstellung dieser Mittel ist neben dem umfangreichen Maßnahmenpaket eindeutig als Erfolg zu werten. Der erreichte Betrag bedeutet eine Erhöhung der EU-Ausgaben im Haushaltsjahr 2010 für den Milchmarktordnungsbereich von 600 Mio. € auf 900 Mio. €. Im Vergleich dazu wurden bis Mitte 2009 600 Mio. € für die Marktstabilisierungsmaßnahmen bereit gestellt. Er ist in erste Linie als Beitrag zur Stärkung der Liquidität der Betriebe zu sehen und wird daher auch rasch bis Mitte 2010 ausbezahlt werden. Diese Maßnahme ist als Ergänzungsmaßnahme zu den unter den anderen Punkten bereits beschriebenen Maßnahmen zu sehen.

 

Um eine derartige Krise in Zukunft besser bewältigen zu können, wurde eine Hochrangige Expertengruppe (High Level Group) eingerichtet, die bis Mitte 2010 ihre Vorschläge vorlegen wird, wobei hier Expertinnen bzw. Experten und Interessensgruppen eingebunden werden. Dabei soll über den Rand der Milchmarktkrise hinausgeblickt werden, indem geeignete Instrumente und Maßnahmen herausgearbeitet werden, um den Quotenauslauf bis 2015 verträglich zu begleiten. Zentrale Ziele sind unter anderem die Prüfung und Weiterentwicklung der bestehenden Marktinstrumente zur besseren Bewältigung zunehmender Preisschwan­kungen. Weiters werden Überlegungen angestellt, die die Förderung verbesserter Vertrags­bedingungen innerhalb der Lebensmittelkette sowie eine Erleichterung der Errichtung von Erzeugerorganisationen zum Ziel haben, um Verhandlungen zwischen den Akteuren des Milchsektors und der Lebensmittelkette ausgewogener zu machen und die Märkte dadurch zu stabilisieren. Wichtig werden auch die Überlegung zur Stärkung der Transparenz und Verbraucherinformation und die Forcierung einer weitreichenden Innovation und Forschung zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der landwirtschaftlichen Betriebe sein.

 

Der Bundesminister: