3977/AB XXIV. GP

Eingelangt am 10.02.2010
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BM für Finanzen

Anfragebeantwortung

 

 

Frau Präsidentin

des Nationalrates

Mag. Barbara Prammer                                                    Wien, am       Februar 2010

Parlament

1017 Wien                                                                GZ: BMF-310205/0261-I/4/2009

 

 

 

Sehr geehrte Frau Präsidentin!

 

 

Auf die schriftliche parlamentarische Anfrage Nr. 3911/J vom 10. Dezember 2009 der Abgeordneten Gerhard Huber, Kolleginnen und Kollegen beehre ich mich Folgendes mitzuteilen:

 

Einleitend ist anzumerken, dass dem Bundesministerium für Finanzen nur Daten und Informationen über Produktpiraterie-Fälle vorliegen, die von der österreichischen Zollverwaltung im Zuge der Vollziehung der EG-Produktpiraterie-Verordnung 2004 bzw. des Produktpirateriegesetzes 2004 gesammelt wurden. Sämtliche in der Folge angeführte Daten und Angaben beziehen sich daher ausschließlich auf derartige Fälle.

 

Zu 1.:

Dem Bundesministerium für Finanzen liegen im Zusammenhang mit der Vollziehung der
EG-Produktpiraterie-Verordnung 2004 bzw. des Produktpirateriegesetzes 2004 unter-schiedlichste Informationen zur Produktpiraterie vor, so auch Informationen über gefälschte Medikamente. Zusammenfassend kann dazu gesagt werden, dass gerade bei den Medikamentenfälschungen die negativen Auswirkungen des Phänomens Produktpiraterie den Anlass zur Sorge bereiten. In diesem Bereich ist einerseits die größte Steigerung bei den Aufgriffszahlen zu verzeichnen, andererseits stellt dies eine der gefährlichsten Formen von Fälschungen dar.


In Österreich verzeichnet die Zollbehörde nach wie vor einen Anstieg bei den Medikamenten-fälschungen. Im Jahr 2008 enthielten mehr als 45 % aller vom österreichischen Zoll gefundenen Sendungen mit Fälschungen Medikamentenplagiate. Die Liste der gefälschten Arzneimittel wird von Lifestylepräparaten – hauptsächlich Potenzmittel, Diätpillen und Haarwuchspräparate – angeführt. Im Jahr 2008 wurden unter den gefälschten Arzneimitteln erstmals auch Antibiotika, Antidepressiva sowie Mittel zur Behandlung von Brust- bzw. Gebärmutterkrebs entdeckt.

 

Diese gefälschten Medikamente werden fast ausschließlich über das Internet vertrieben und in Klein- und Kleinstsendungen versandt. Gerade in diesem Bereich tragen die Möglichkeiten des Internets, Waren einfach, weltweit und oftmals auch anonym zu verkaufen, ganz wesentlich zu diesem Phänomen bei und erschweren gleichzeitig die Kontrolltätigkeiten der Zollbehörde.

 

Zu 2. und 3.:

Gemäß § 9 Abs. 3 Produktpirateriegesetz 2004 hat der Bundesminister für Finanzen dem Nationalrat einen jährlichen Bericht über die Anwendung der EG-Produktpiraterie-Verordnung 2004 und des Produktpirateriegesetzes 2004 vorzulegen. Diese Berichte enthalten auch Details über die von der österreichischen Zollverwaltung aufgegriffenen gefälschten Medikamente. Hinsichtlich dieser Fragen darf daher auf den Produktpirateriebericht 2007, der am 28. März 2008 im Parlament eingelangt ist [III-133 d.B. (XXIII. GP)], und den Produktpirateriebericht 2008, der am 27. März 2009 im Parlament eingelangt ist [III-51 d.B. (XXIV. GP)], verwiesen werden. Die Gesamtzahlen für das Jahr 2009 liegen noch nicht vor, werden aber im Produktpirateriebericht 2009, der dem Parlament bis zum 31. März 2010 zu erstatten ist, enthalten sein.

 

Zu 4. bis 10.:

Die EG-Produktpiraterie-Verordnung 2004 legt die durch die Zollverwaltung bei der Einfuhr aus Drittstaaten bzw. bei der Ausfuhr in Drittstaaten zu ergreifenden Maßnahmen fest und schafft ein Instrumentarium, das es den Zollbehörden erlaubt, gefälschte Waren möglichst frühzeitig aus dem Verkehr zu ziehen. Darüber hinaus gehende Befugnisse – wie etwa beim Verkauf von Plagiaten im Inland einzuschreiten – bestehen für die Zollverwaltung nicht. Demnach gibt es auch keine Zusammenarbeit zwischen der Zollverwaltung und österreichischen Apotheken oder Ärzten zur Verhinderung des Verkaufs von gefälschten Medikamenten, weil dies nicht den gesetzlichen Aufgabenbereich der Zollverwaltung berührt.


Zu 11. und 12.:

Die zitierten Äußerungen von Kommissar Verheugen bezogen sich auf die Ergebnisse der Zolloperation „Medifake“ (siehe dazu auch die Beantwortung der Fragen 13. und 14.), in deren Rahmen bei gezielten Zollkontrollen in nur zwei Monaten allein 34 Millionen gefälschte Tabletten sichergestellt wurden. Diese Aussagen bestätigen eindrucksvoll, wie wichtig die Schutzfunktion des Zolls bei der Bekämpfung der Produktpiraterie ist und dass der Zoll in diesem Bereich eine sehr bedeutende und zentrale Aufgabe hat.

 

Zu 13. und 14.:

Der Schutz der Bevölkerung vor den Gefahren gefälschter Waren ist eine der zentralen Aufgaben des Bundesministeriums für Finanzen. Ein starker Zoll schützt sowohl die Verbraucherinnen und Verbraucher als auch die Wirtschaft. Die Zollbehörden und die Finanzverwaltung reagieren aber nicht nur auf diese neuen Bedrohungen, sondern sie agieren gerade in diesem Bereich sehr offensiv. Der Zollverwaltung gelang es, insbesondere durch verstärkte Kontrollen von Sendungen aus „Risikoländern“ (vor allem aus asiatischen Staaten), die Qualität der Aufgriffe und die Beschlagnahmezahlen laufend zu steigern. Im Jahr 2008 handelte es sich beispielsweise bei nahezu der Hälfte der in Österreich aufgegriffenen Sendungen mit Plagiaten um gefälschte Medikamente – die wohl gefährlichste Form der Produktpiraterie.

 

Vor dem Hintergrund, dass die Konsumentinnen und Konsumenten vor gefälschten, mit Schadstoffen verunreinigten, über- oder unterdosierten oder überhaupt wirkungslosen Medikamenten wirksam geschützt werden müssen, hat das Bundesministerium für Finanzen in den letzten Jahren einen wesentlichen Schwerpunkt auf die Aufdeckung von Medikamentenfälschungen gelegt, um dieser bedrohlichen Entwicklung entschieden Einhalt zu gebieten. Neben laufenden nationalen Kontrollmaßnahmen fand – als Folgemaßnahme zu dem auf österreichische Initiative in Innsbruck im November 2007 abgehaltenen Zollseminar „Combating Fake Medicines“ – beispielsweise im Herbst 2008 erstmals auch eine EU-weit koordinierte Zollaktion statt. Im Rahmen der Operation „Medifake“ wurden auf der Grundlage eines EU-einheitlichen Risikoprofils zwei Monate lang gezielte Zollkontrollen zur Verhinderung der Einfuhr illegaler Medikamente durchgeführt. Bei dieser Aktion haben die Zollbehörden der 27 Mitgliedstaaten mit mehr als 34 Millionen sichergestellten Tabletten spektakuläre Ergebnisse erzielt. Gefunden wurden unter anderem gefälschte Antibiotika, Krebs- und Malariamedikamente, cholesterinsenkende Medikamente sowie Schmerzmittel. Die Aktion hat aber auch eine Reihe von Möglichkeiten aufgezeigt, wie der Kampf gegen den Schmuggel mit illegalen oder nachgeahmten Waren verbessert werden kann. Damit wurde auch der Weg für zukünftige ähnliche Aktionen bereitet.

 

Zu 15.:

Ein ganz wesentlicher Bestandteil der Strategie des Bundesministeriums für Finanzen im Kampf gegen die Produktpiraterie ist die Information der Öffentlichkeit. Die auch vom Zoll festgestellte bedrohliche Entwicklung und die damit verbundene massive Gefahr für die Gesundheit und die Sicherheit der EU-Bürger durch die ständig steigenden Produkt- und Markenfälschungen wurde zum Anlass genommen, die Öffentlichkeit auch auf der Homepage des Bundesministeriums für Finanzen darüber zu informieren. Neben der Veröffentlichung der Produktpiraterieberichte wurde besonders auf die möglichen Gefahren von Fälschungen hingewiesen. Es wurden aber auch Tipps für das Internet-Shopping aufgenommen, um die Konsumentinnen und Konsumenten vor den möglichen Folgen von Online-Einkäufen zu warnen.

 

Die Informationen zum Thema Produktpiraterie sind auf der Homepage des Bundes-ministeriums für Finanzen unter www.bmf.gv.at => Zoll => Produktpiraterie abrufbar (direkter Link: https://www.bmf.gv.at/Zoll/Produktpiraterie/_start.htm).

 

Auch im Rahmen der Pressearbeit wurde und wird die Öffentlichkeit seitens des Bundesministeriums für Finanzen immer wieder über die Gefahren der Produktpiraterie informiert. Bei einer gemeinsamen Pressekonferenz von Vizekanzler Mag. Molterer und Gesundheitsministerin Dr. Kdolsky zum Thema "Medikamentenfälschungen und Arzneimittel-sicherheit" am 22. Oktober 2007 wurde die Bedeutung des Kampfes gegen die Produktpiraterie unterstrichen und darauf hingewiesen, dass der Kampf gegen Medikamentenfälschungen ein wichtiger Beitrag für die Gesundheit der Österreicherinnen und Österreicher ist.

 

Am 8. Mai 2008 wurden in der Säulenhalle des Parlaments vom österreichischen Zoll aufgegriffene und beschlagnahmte gefälschte Waren präsentiert, unter anderem gefälschte Arzneimittel, Textilien, Handys, Kugelschreiber, Uhren, Gürtel, CDs, DVDs sowie das Muster eines gefälschten Mini-Motorrads. Damit wurden das Ausmaß und die Folgen der Produkt-piraterie sowie das Sicherheitsrisiko gefälschter Produkte dargestellt.


Am 8. Juni 2009 haben die Staatssekretäre Dr. Lopatka und Mag. Schieder den Produkt-pirateriebericht 2008 präsentiert und dies zum Anlass genommen, die Bevölkerung neuerlich zu sensibilisieren.

 

Zu 18. bis 20.:

Eine Zusammenarbeit mit anderen Bundesministerien zur Verhinderung des Verkaufs von gefälschten Medikamenten besteht nicht, weil dies nicht den gesetzlichen Aufgabenbereich der Zollverwaltung berührt (siehe dazu auch die Beantwortung der Fragen 4. bis 10.)

 

Das Bundesministerium für Finanzen arbeitet aber im Rahmen der AMEG (Austrian Medicines Enforcement Group) mit. Es handelt sich um eine Arbeitsgruppe, in der alle im Bereich der Erhebung und Bekämpfung von Vergehen im Arzneimittelsektor tätigen Institutionen vertreten sind, ihre Erfahrungen austauschen und Aktivitäten koordinieren. Neben dem Bundesministerium für Finanzen gehören dieser Arbeitsgruppe auch Vertreter des Bundes-ministeriums für Gesundheit, des Bundesministeriums für Justiz, des Bundeskriminalamtes und des Österreichischen Anti-Doping-Comités an.

 

Zu 21.:

Die Zollverwaltung ist das zentrale Vollzugsorgan, wenn es um die Vollziehung der geistigen Eigentumsrechte im Verkehr mit Drittländern geht. Entsprechend den Vorgaben der
EG-Produktpiraterie-Verordnung 2004 hat sie bei der Ein- oder Ausfuhr von Waren tätig zu werden und diese Waren zurückzubehalten, wenn ein Piraterieverdacht besteht. Wie die Aufgriffserfolge zeigen, nimmt die österreichische Zollverwaltung diese Aufgabe sehr ernst und leistet so einen ganz wesentlichen Beitrag zum Schutz der Bevölkerung vor gefälschten Medikamenten und anderen gefälschten Waren.

 

 

Mit freundlichen Grüßen