4206/AB XXIV. GP

Eingelangt am 17.03.2010
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BM für Wissenschaft und Forschung

Anfragebeantwortung

 

 

 

 

 

                                                           BMWF-10.000/0012-III/FV/2010

 

Frau Präsidentin

des Nationalrates

Mag. Barbara Prammer

Parlament

1017 Wien

 

 

 

Wien, 16. März 2010

 

 

 

 

Die schriftliche parlamentarische Anfrage Nr. 4252/J-NR/2010 betreffend Lawinenexperiment mit Schweinen, die die Abgeordneten Mag. Christiane Brunner, Kolleginnen und Kollegen am 19. Jänner 2010 an meinen Amtsvorgänger richteten, wird wie folgt beantwortet:

 

 

Zu Fragen 1, 2 und 12:

Der Antrag auf Genehmigung des Tierversuches wurde von der Medizinischen Universität Innsbruck am 27. Jänner 2009 beim Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung eingebracht. Leiter des Tierversuches ist Oberarzt Dr. Peter Paal. Die Genehmigung wurde vom
Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung am 13. Februar 2009 erteilt. In weiterer Folge wurde ein Antrag auf Abänderung des Ortes der Durchführung eingebracht und am
22. Dezember 2009 genehmigt. Diese Genehmigung war mit der Auflage verbunden, dass dem Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung der Beginn der Untersuchungen rechtzeitig im Vorhinein bekannt zu geben ist, um aufgrund des begrenzten Versuchszeitraumes eine entsprechende Kontrolle des Tierversuchs zu ermöglichen.

 

Zu Fragen 3, 7 und 8:

Die laufenden Geschäfte der Kommission werden vom Vorsitzenden bzw. von der Vorsitzenden geführt, der dabei vom Sekretariat unterstützt wird, das in seinem Auftrag tätig ist. Eine Ab-stimmung der gesamten Kommission über einzelne Tierversuchsanträge ist in der Regel nicht vorgesehen, es wird aber jeder Antrag von mindestens zwei Expertinnen bzw. Experten begutachtet. Diese Begutachtung erfolgte im Zeitraum zwischen der Antragstellung und der Genehmigung. Im konkreten Fall wurde festgestellt, dass nach der Minimierung der Versuchstierzahl und der Belastung der Tiere die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Genehmigung erfüllt waren.

 

Zu Frage 4:

Jeder Tierversuch wird im Genehmigungsverfahren auf die ethische Vertretbarkeit im Sinne des Tierversuchsgesetzes überprüft. Alle an der Durchführung von Tierversuchen beteiligten Personen tragen eine ethische und wissenschaftliche Verantwortung. Im Genehmigungsverfahren

wurde geprüft, ob diese Voraussetzungen von den Versuchsverantwortlichen respektiert werden und dabei befunden, dass die ethische Verantwortung unter den gegebenen Versuchsumständen wahrgenommen werden kann.

 

Das Kreislauf- und Atmungssystem, sowie die Temperaturregulation des Hausschweins sind den Kreislauf- und Thermoregulationssystemen des Menschen am ähnlichsten. Bei Kleintieren, wie Ratten oder Mäusen, wäre eine mehrfache Blutabnahme aufgrund des geringen Blut-volumens mit einer normalen Kreislauffunktion nicht vereinbar. Natürlich können die in einem Tierversuch gefundenen Daten und Erfahrungen nicht kritiklos und in vollem Umfang auf den Menschen übertragen werden; es besteht aber keine bessere Alternative zur Untersuchung der in diesem Fall behandelten Fragestellung. Im konkreten Versuch wird die Belastung der Tiere durch eine optimale Prämedikation und eine kontinuierliche Narkose in der Präparationsphase und während des gesamten Versuchs auf ein Minimum begrenzt. Die Tiere sterben am Versuchsende stress- und schmerzfrei in tiefer Narkose.

 

Zu Frage 5:

Genehmigungsverfahren nach dem Tierversuchsgesetz unterliegen als Verwaltungsverfahren den verfassungsrechtlichen Bestimmungen über die Amtsverschwiegenheit.

 

Zu Frage 6:

Diese Frage betrifft keinen Gegenstand der Vollziehung des Bundesministeriums für Wissenschaft und Forschung.

 

Zu Frage 9 :

Alle Mitglieder der Kommission gemäß § 12 TVG müssen fachlich qualifiziert sein und haben insgesamt selbstverständlich auch die Aspekte des Tierschutzes zu vertreten.

 

Zu Fragen 10 und 11:

Bei der Art der Versuchstiere handelte es sich um Schweine. Die Anzahl an Versuchstieren konnte auf Grund der fachkundigen Prüfung des Antrages auf 29 begrenzt werden.

 

Im Stall erhalten die Schweine vor dem Transport ein Beruhigungsmittel. In der Folge werden die Tiere schlafend in einer Transportkiste mit Stroheinlage von einem erfahrenen Arzt zum Studienort gefahren. Anschließend wird am Studienort im Operationssaal eine Vollnarkose mit kontinuierlicher Gabe von Hypnotika und Analgetika während der gesamten Untersuchungsdauer durchgeführt, was durch einen Facharzt für Anästhesie und Intensivmedizin mittels klinischer Untersuchungen und Monitore kontinuierlich überwacht wird. Dadurch wird sichergestellt, dass keines der Versuchstiere Stress und Schmerzen verspürt. Alle Messkatheter werden am narkotisierten Tier mittels Ultraschallsteuerung gelegt. Die Lebensfunktionen werden mittels            klinischer Untersuchungen und Monitore kontinuierlich überwacht, Blutproben können über  spezielle Messkatheter entnommen werden. Die Narkose wird während des Transportes vom Operationssaal zum Ort der Lawinenverschüttung und während der simulierten Lawinenverschüttung mittels kontinuierlicher Gabe von Narkosemitteln aufrechterhalten. Die Narkose kann bei Zeichen von Stress und Schmerz jederzeit angepasst werden. Es werden keine schmerz-haften Eingriffe ohne Betäubung durchgeführt und es wird damit sichergestellt, dass die Tiere während des gesamten Versuchverlaufes nicht leiden.

 

Da es sich um einen Versuch handelt, bei dem die Tiere im Experiment nicht mehr aus der    tiefen Narkose aufwachen, ist nicht davon auszugehen, dass die Tiere Schmerzen oder Leiden erfahren.

 

Zu Frage 13:

Bei dem Versuch geht es nach Begründung durch den Antragsteller darum, Kriterien zu finden, wie bei menschlichen Lawinenopfern eine Bewertung des Zustandes im Hinblick auf Wieder-belebungsmaßnahmen erfolgen kann (Screening).

 

Jährlich werden in Europa und Nordamerika ca. 150 meist junge und gesunde Menschen durch Lawinen getötet. Die Vorgänge, die zu einem Überleben bei Lawinenverschüttung führen, sind bis heute nur unzureichend untersucht. Ca. 5 – 25 % der Lawinenverschütteten sterben durch Verletzung, ca. 50 – 60 % ersticken innerhalb von 35 Minuten. Ein Überleben über 35 Minuten hinaus ist nur bei Vorhandensein einer Atemhöhle (Luftraum vor Nase und Mund bei gleichzeitig nicht verlegten Atemwegen) möglich. Bei einem Humanversuch vor einigen Jahren konnte man schon zeigen, dass das Zusammenspiel von Sauerstoffmangel, Kohlendioxidanreicherung und Unterkühlung wesentlichen Einfluss auf die Überlebenschance nehmen kann. Jedoch konnten die komplexen Zusammenhänge nicht vollständig erforscht werden. Beispielsweise besteht die Hypothese, dass ein Lawinenverschütteter mit einem Herzstillstand länger als bisher gedacht überleben kann, wenn die Unterkühlung sehr rasch eintritt. Zudem wurde untersucht, weshalb ein gesundes Herz bei starker Unterkühlung Herzrhythmusstörungen entwickelt und dann sogar stehen bleiben kann. Die erstmalige gezielte Erforschung jener Umstände, die bei Lawinen-verschüttung zum Tod führen, könnte sowohl für die Prävention als auch für die Therapie bei Lawinenverschüttung genutzt werden. Dies gilt nicht nur für die Alpenregion sondern auch für extraeuropäische Gebirgsregionen, in denen sich jedes Jahr katastrophale Lawinenunfälle mit zahlreichen Todesopfern ereignen.

 

Zu Frage 14: 

Auch bei weitestgehendem Einsatz von Methoden zum Ersatz und zur Verminderung von    Tierversuchen durch Verbesserung alternativer Untersuchungsmethoden (3 R: replacement,   reduction and refinement) gibt es, auch um Menschenleben zu retten, für manche Frage-stellungen keinen Ersatz zum Tierversuch.

 

Der Antragsteller hat für diesen Fall nachvollziehbar dargelegt, dass es sich bei dem Versuch um einen hochkomplexen, pathophysiologischen Regelprozess handelt, der den Gesamt-organismus betrifft. Die behandelte Fragestellung ist nicht mit alternativen Untersuchungs-methoden an Patienten in der Notfallmedizin durchführbar. Die Erforschung der lebens-bedrohenden Unterkühlung am Mensch wäre ohne Gefährdung des Lebens nicht möglich. Eine Untersuchung an einzelnen Organen oder Zellkulturen wäre ebenfalls nicht zielführend und    klinisch nicht relevant, da nur unter Betrachtung des gesamten Organismus aussagekräftige   Ergebnisse gewonnen werden können. Daher gab es hier keine Alternative zum Tierversuch.

 

Zu Frage 15:

Für den Versuch besteht eine aufrechte, rechtsgültige Genehmigung, die jedoch widerrufen werden müsste, wenn die Voraussetzungen für die Genehmigung nachträglich wegfallen oder wenn die Ergebnisse eines gleichen Ver­suches gemäß § 3 Abs. 3 TVG tatsächlich und rechtlich zugäng­lich werden und an deren Richtigkeit und Aus­sagekraft keine berechtigten Zweifel beste­hen. 

 

Zu Fragen 16 und 18:

Es gibt seit 2006 eine Geschäftsordnung der Kommission für Tierversuchsangelegenheiten des Bundesministeriums für Wissenschaft und Forschung, in der Geschäftsordnung sind auch     Bestimmungen bezüglich Befangenheit enthalten.

 

Zu Frage 17

Vorsitzender der Kommission ist Univ.-Prof. Dr. Josef Troxler, sein Stellvertreter ist Oberrat     Dr. Hans Frey.

 

Zu Frage 19:

Nach Auskunft des Versuchsleiters wird die Studie in Kooperation zwischen der Medizinischen Universität Innsbruck und der Europäischen Akademie Bozen/Südtirol durchgeführt, wobei die instrumentelle Ausrüstung zur Vorbereitung der Versuchstiere von der Medizinischen Universität Innsbruck bereit gestellt wird und die Kosten für den Tierversuch und den Aufenthalt der       Studienteilnehmer am Versuchsort von der Europäischen Akademie getragen werden. Die    Studienteilnehmer erhalten für die Durchführung der Studie kein Honorar.

 

Zu Frage 20:

Nach Auskunft des Versuchsleiters wurden nach Studienabbruch 13 Schweine dem Innsbrucker Tierschutzverein überstellt, die restlichen Tiere verblieben beim Züchter.

 

Die Bundesministerin:

 

 

Dr. Beatrix Karl e.h.