4234/AB XXIV. GP

Eingelangt am 19.03.2010
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BM für Justiz

Anfragebeantwortung

 

 

 

DIE  BUNDESMINISTERIN
           FÜR  JUSTIZ

BMJ-Pr7000/0010-Pr 1/2010

 

An die

                                      Frau Präsidentin des Nationalrates

                                                                                                                           W i e n

 

zur Zahl 4253/J-NR/2010

 

Die Abgeordneten zum Nationalrat Mag. Laura Rudas, Genossinnen und Genossen haben an mich eine schriftliche Anfrage betreffend „Skandal-Urteilsbegründung nach Messerattacke: „allgemein begreifliche, heftige Gemütsbewegung““ gerichtet.

Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:

Zu 1 bis 5:

Zunächst halte ich fest, dass ich der im ersten Absatz der Anfrageeinleitung konstatierten Einschätzung, die Annahme einer allgemein begreiflichen, heftigen Gemütsbewegung im Zusammenhang mit dem Scheidungsvorsatz der Ehegattin suggeriere von Seiten der Justiz, dass „auf einen Trennungswillen der Frau eine Gewalttat des Mannes verständlich wäre“, nicht zustimme. Von bestimmten, im Gesetz bezeichneten Sonderfällen (wie etwa Notwehr) abgesehen, kann gegen einen Menschen gerichtete Gewalt niemals und unter keinen Umständen begreiflich sein und toleriert werden. Ob jemandem gegebenenfalls Mord oder Totschlag vorzuwerfen ist, hängt davon ab, ob dieser Täter zum Zeitpunkt der Tat in einer heftigen Gemütsbewegung handelte und diese Gemütsbewegung – nicht die Tat selbst! – allgemein begreiflich ist.

Urteilsbegründungen, die – wie in dem in Absatz 2 der Anfrageeinleitung auszugsweise wiedergegebenen Artikel der Kronenzeitung vom 17. Jänner 2010 kolportiert – auf eine andere Herkunft und ein anderes Wertesystem eines Täters Rücksicht nehmen, sind mir nicht bekannt.

Eine statistische Erfassung von Urteilsbegründungen ist im elektronischen Registersystem der Justiz nicht vorgesehen, weshalb eine Beantwortung der Frage nach der Häufigkeit derartiger Urteilsbegründungen nur durch händische Auswertung aller im Zusammenhang mit Gewaltdelikten ergangenen Urteile erfolgen könnte, was jedoch einen unvertretbaren Verwaltungsaufwand darstellen und überdies dem Anspruch auf Richtigkeit und Vollständigkeit nicht genügen würde.

Das Bundesministerium für Justiz hat – unvorgreiflich der Rechtsauffassung der unabhängigen Gerichte – am 25. Jänner 2010 einen Erlass zu einer Auslegung des Begriffs „allgemein begreifliche heftige Gemütsbewegung“ im Tatbestand des § 76 StGB („Totschlag“) an alle in Strafsachen tätigen Richterinnen und Richter, Staatsanwältinnen und Staatsanwälte, Richteramtsanwärterinnen und Richteramtsanwärter sowie Bezirksanwältinnen und Bezirksanwälte hinausgegeben.

Angesichts des international anerkannten hohen Qualitätsniveaus der österreichischen Richterinnen und Richter sowie Staatsanwältinnen und Staatsanwälte sehe ich derzeit keine Notwendigkeit für weitergehende Maßnahmen.

 

. März 2010

 

 

 

(Mag. Claudia Bandion-Ortner)