4236/AB XXIV. GP

Eingelangt am 19.03.2010
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BM für Justiz

Anfragebeantwortung

 

 

DIE  BUNDESMINISTERIN
           FÜR  JUSTIZ

BMJ-Pr7000/0012-Pr 1/2010

 

An die

                                      Frau Präsidentin des Nationalrates

                                                                                                                           W i e n

 

zur Zahl 4257/J-NR/2010

 

Die Abgeordneten zum Nationalrat Mag. Albert Steinhauser, Freundinnen und Freunde haben an mich eine schriftliche Anfrage betreffend „Evaluierung des Sachwalterrechtsänderungsgesetzes 2006“ gerichtet.

Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:

Das Bundesministerium für Justiz hat das Institut für Rechts- und Kriminalsoziologie mit zwei Studien zum Themenkreis Sachwalterschaft beauftragt, und zwar zur „Entwicklung von Kennzahlen für die gerichtliche Sachwalterrechtspraxis als Grundlage für die Abschätzung des Bedarfs an Vereinssachwalterschaft“ und zu den „Auswirkungen des Sachwalterrechts-Änderungsgesetzes 2006 unter Berücksichtigung der neuen Alternativen zur Sachwalterschaft auf die Betroffenen und ihr Umfeld, auf die Praxis der Gerichte und den Bedarf an Sachwalterschaft“.


Beide Studien wurden im März 2009 abgeschlossen und basieren auf der Datenlage bis Ende 2008. Die Fragen 1 bis 10 und 15 können daher nur für die Jahre bis einschließlich 2008 beantwortet werden.

Zu 1 und 3:

Im Jahr 2006 gab es 16.243 Anregungen auf Bestellung eines Sachwalters, im Jahr

2007 waren es 16.472 Anregungen und im Jahr 2008 16.517 Anregungen.

Daten darüber, wie viele dieser Anregungen durch Ämter bzw. Gerichte erfolgt sind, stehen dem Bundesministerium für Justiz nicht zur Verfügung und können mit vertretbarem Verwaltungsaufwand auch nicht erhoben werden.

Zu 2:

Im Jahr 2006 gab es 8.217 Bestellungen von Sachwaltern (§ 268 ABGB), im Jahr 2007 waren es 8.469 Bestellungen und im Jahr 2008 8.281 Bestellungen.

Zu 4:

Zur Häufigkeit der Aufhebung von Sachwalterschaften (Beendigung bestehender Sachwalterschaften wegen Wegfalls der Voraussetzungen gemäß § 278 Abs. 2 ABGB) stehen dem Bundesministerium für Justiz nur für die Jahre 2007 und 2008 gesicherte Daten zur Verfügung. Im Jahr 2007 gab es  517 Aufhebungen, im Jahr 2008 430 Aufhebungen.

Zu 5 bis 7:

Die Aufteilung der in den Jahren 2006 bis 2008 erfolgten Sachwalterbestellungen nach dem Umfang der zu besorgenden Angelegenheiten (§ 268 Abs. 3 ABGB) stellt sich wie folgt dar:

 

2006

2007

2008

Sachwalterschaft für alle Angelegenheiten

4.897

4.788

4.667

Sachwalterschaft für einen Kreis von Angelegenheiten

2.868

3.182

3.080

Sachwalterschaft für einzelne Angelegenheiten

452

499

534

 


Zu 8 bis 10:

Die Aufteilung der in den Jahren 2006 bis 2008 erfolgten Sachwalterbestellungen nach dem Typ des bestellten Sachwalters (§ 279 ABGB) stellt sich wie folgt dar:

 

2006

2007

2008

nahe stehende Person

5.525

5.579

5.171

Angehöriger von Rechtsberufen

2.000

2.157

2.297

Vereinssachwalter

692

733

813

 

Zu 11:

Das Problem bei „Massenvertretungen“ bestand in erster Linie im fehlenden persönlichen Kontakt. Durch das Sachwalterrechts-Änderungsgesetz (SWRÄG) 2006 wurden deshalb verbindliche Höchstzahlen für die Übernahme von Sachwalterschaften durch Rechtsanwälte und Notare geschaffen. Da jedoch eine sofortige Umbestellung zahlreicher Sachwalter zu einem bestimmten Stichtag praktisch nicht durchführbar war, wurde in den Übergangsbestimmungen ein fließender Übergang vorgesehen. Es hat sich mittlerweile gezeigt, dass eine starre Regelung den Bedürfnissen der Praxis nicht gerecht wird, sodass im Jahr 2009 eine Änderung (gesetzliche Vermutung statt starrer Obergrenze) beschlossen wurde. Bei entsprechender Kanzleiinfrastruktur – die es u.a. ermöglicht, auch bei einem größeren Kreis an betreuten Sachwalterschaften die Aufgaben der Personensorge zu erfüllen – können nach der neuen Regelung auch mehr als 25 Sachwalterschaften übernommen werden.

Zu 12:

Clearing im Zusammenhang mit der Anregung von Sachwalterschaften umfasst zwei verschiedene Aufgaben: Einerseits hat der Verein gemäß § 4 Abs. 1 Vereinssachwalter-, Patientenanwalts- und Bewohnervertretergesetz (VSPBG) nach Maßgabe seiner Möglichkeiten nahe stehende Personen oder sonstige Personen oder Stellen, die die Bestellung eines Sachwalters anregen, über das Wesen der Sachwalterschaft und mögliche Alternativen zu informieren (Anregerberatung).

Andererseits hat der Verein gemäß § 4 Abs. 2 VSPBG im Vorfeld oder im Rahmen eines Sachwalterbestellungsverfahrens, insbesondere über Ersuchen des Gerichts, nach Maßgabe seiner Möglichkeiten abzuklären, welche Angelegenheiten zu besorgen sind, ob Alternativen zur Sachwalterschaft bestehen und ob nahe stehende Personen als Sachwalter in Frage kommen, und darüber dem Gericht zu berichten (Clearingbericht).

Die Entwicklung der Anzahl der von den Vereinen durchgeführten Sachwalterberatungen und Clearingberichte stellt sich wie folgt dar, wobei sich die Zahlen für 2007 – da das SWRÄG 2006 am 1. Juli 2007 in Kraft getreten ist – nur auf das zweite Halbjahr 2007 beziehen:

 

 

2007 2.HJ

2008

2009

Anregerberatungen

606

3.373

3.949

Clearingberichte

689

3.461

4.266

 

Zu 13:

Nach einer repräsentativen Teilauswertung für das Jahr 2009 stellen sich die Empfehlungen in den an die Gerichte erstatteten Clearingberichten (§ 4 Abs. 2 VSPBG) wie folgt dar:

Einleitung bzw. Fortsetzung des Sachwalterbestellungsverfahrens:            65%
Nichteinleitung bzw. Einstellung des Sachwalterbestellungsverfahrens:      31%
keine Angabe:                                                                                                     4%

In den Fällen, in denen die Einleitung bzw. Fortsetzung des Sachwalterbestellungsverfahrens empfohlen wurde, lauteten die Empfehlungen der Clearingberichte für die Person des zu bestellenden Sachwalters wie folgt:

Angehörige:                    52%
kein Vorschlag:              24%
Vereinssachwalter:       17%
Rechtsberufe:                  7%

Umfassende Daten zu den Ergebnissen der Clearing-Verfahren in den Jahren 2007 bis 2009 stehen dem Bundesministerium für Justiz nicht zur Verfügung und können auch mit vertretbarem Verwaltungsaufwand nicht erhoben werden.

Allgemein ergibt sich aber aus den Untersuchungen des Instituts für Rechts- und Kriminalsoziologie bezogen auf das Jahr 2008 ein evidenter Zusammenhang zwischen der „Clearing-Dichte“ (also dem Anteil des Clearings an der Gesamtzahl der Sachwalterbestellungsverfahren) und dem Verhältnis zwischen der Einstellung der Verfahren und der Bestellung von Sachwaltern: Je intensiver Clearing durchgeführt wurde, desto höher war der Anteil jener Verfahren, die nicht zu einer Sachwalterbestellung geführt haben, sondern eingestellt wurden.

Zu 14:

Insgesamt wurden den Sachwaltervereinen für die Wahrnehmung der Aufgaben der Vereinssachwalterschaft, der Patientenanwaltschaft nach dem Unterbringungsgesetz und der Bewohnervertretung nach dem Heimaufenthaltsgesetz in den Jahren 2006 bis 2009 vom Bundesministerium für Justiz folgende Subventionen (gerundet auf tausend Euro) gewährt:

2006: 20.041.000 Euro

2007: 23.820.000 Euro

2008: 27.882.000 Euro

2009: 29.218.000 Euro

Zu 15:

Hinsichtlich der Vorsorgevollmachten und der Vertretungsbefugnisse nächster Angehöriger stehen dem Bundesministerium für Justiz lediglich Daten über die Eintragungen in dem von der Österreichischen Notariatskammer geführten Österreichischen Zentralen Vertretungsverzeichnis zur Verfügung, und zwar jeweils über die im Zeitraum vom 1. Juli 2007 (Inkrafttreten des SWRÄG 2006) bis 31. Oktober 2008 erfolgten und die zum 31. Dezember 2008 bestehenden (aktiven) Registrierungen. Diese stellen sich wie folgt dar:

 

Neuregistrierungen 1.7.2007 bis 31.10.2008

aktive Registrierungen zum 31.12.2008

Vorsorgevollmacht

5.676

5.155

Vertretungsbefugnis nächster Angehöriger

1.814

1.656

 

Zu 16 bis 18:

Die Studie wurde im Bundesministerium für Justiz im Sommer präsentiert und aus den Ergebnissen wurden erste Ansätze für mögliche Änderungen des Sachwalterrechts gewonnen. Diese Punkte sollen im Rahmen einer breit angelegten Diskussion mit den involvierten Kreisen (Gerichte, Sachwaltervereine, institutionelle Anreger, Wissenschaft etc.) besprochen und präzisiert werden.


Zu 19:

In der Praxis kann – aus unterschiedlichen Gründen – mitunter nicht auf nahe stehende Personen als Sachwalter zurückgegriffen werden (2008 wurde in rund 63% der Fälle eine nahe stehende Person zum Sachwalter bestellt). Die Kapazitäten der Sachwaltervereine sind begrenzt und es ist daher indiziert auch deshalb Vertreter der Rechtsberufe zu Sachwaltern zu bestellen.

Zu 20:

Nein.

. März 2010

 

(Mag. Claudia Bandion-Ortner)