4285/AB XXIV. GP
Eingelangt am 26.03.2010
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BM für Unterricht, Kunst und Kultur
Anfragebeantwortung
Bundesministerium
für
Unterricht, Kunst und Kultur
Frau Geschäftszahl: BMUKK-10.000/0026-III/4a/2010
Präsidentin des Nationalrates
Mag. Barbara Prammer
Parlament
1017 Wien
Wien, 24. März 2010
Die schriftliche parlamentarische Anfrage Nr. 4384/J-NR/2010 betreffend Finanzierung von ganztägigen Schulformen, die die Abg. Dr. Walter Rosenkranz, Kolleginnen und Kollegen am 29. Jänner 2010 an mich richteten, wird wie folgt beantwortet:
Zu Fragen 1 bis 4:
Das aktuelle Regierungsübereinkommen enthält ein klares Bekenntnis zum Ausbau von ganztägigen Schulangeboten. Der bedarfsgerechte Ausbau ganztägiger Schulformen und Ganztagsbetreuungsangebote unterstützt die ganzheitliche Entwicklung der Schülerinnen und Schüler und ist aufgrund der Erwartungen der Eltern an das öffentliche Schulwesen sowie gesellschaftlicher Veränderungen notwendig. Ein sinnvoll abgestimmtes Angebot von Lernen, Wiederholen und Üben, sowie freizeitpädagogische Akzente und der Ausbau der Angebote von Kunst, Kultur und Sport stellen im Rahmen des Ausbaus sicher, dass den Kindern mehr Zeit und Raum gewidmet wird.
Bereits in den vergangenen zwei Jahren wurden mit dem Start der „Tagesbetreuung NEU“ an 81 Schulstandorten, der Erstellung eines Leitfadens für gelungene Tagesbetreuung, der Einführung eines Qualitätssiegels und der Mittagsbetreuung erste Schritte im Sinne eines bedarfsgerechten Ausbaus ganztägiger Schulangebote gesetzt.
Der Bedarf nach mehr ganztägigen Schulangeboten wurde durch eine im Herbst 2009 mit den Elternvereinen durchgeführte Elternbefragung bestätigt. Die Ergebnisse dieser Studie sprechen eine eindeutige Sprache: Der Weg des Ausbaus qualitativ hochwertiger ganztägiger Schulangebote muss konsequent fortgesetzt werden. Es wird erwartet, dass das öffentliche Schulwesen in Richtung ganztägiger Schulangebote ausgebaut wird.
Die wichtigsten Ergebnisse der Umfrage im Überblick:
- Rund 120.000 Kinder nehmen bereits heute ein ganztägiges Schulangebot (inklusive Hort) in Anspruch. Diese Angaben entsprechen dem heute bestehenden Angebot von Tagesbetreuung an Schulen und Hortplätzen.
- Bei einem qualitativ hochwertigen Angebot läge der Bedarf der Eltern laut IFES-Berechnungen allerdings bei zumindest 350.000 Plätzen.
- Dieses qualitativ hochwertige Angebot muss nach Meinung der Eltern ein ausgewogenes Mittagessen, Lernhilfe und Förderangebote, das Erledigen von Hausaufgaben, Kreativ-Kurse sowie Sport- und Freizeitangebote umfassen.
Die Bundesregierung bekennt sich zu dem Ziel, den Bedarf nach ganztägigen Schulangeboten zu erfüllen. Im Rahmen des Ausbaus von ganztägigen Schulangeboten muss vor allem auf die Wünsche und Bedürfnisse der Kinder und Eltern eingegangen werden und Konzepte mit Tagesbetreuung vor und nach dem Unterricht, sowie verschränkte Konzepte bedarfsgerecht für die verschiedenen Regionen erarbeitet werden. Speziell die Unterschiede von Städten und dem ländlichen Raum müssen berücksichtigt werden.
Um dieses gesellschaftspolitisch und pädagogisch wichtige Anliegen voranzutreiben, bedarf es der Zusammenarbeit aller Beteiligten. Ziel muss es sein, differenzierte, vielfältige und auf die regionalen Bedürfnisse abgestimmte Angebote zu erarbeiten, die einem hohen Qualitätsanspruch genügen, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf unterstützen. Die Eltern sollen die Wahlfreiheit haben, zwischen halbtägigen Angeboten und unterschiedlichen Formen attraktiver ganztägiger Angebote wählen zu können.
Im Hinblick auf die unterschiedlichen Verantwortlichkeiten (Pflichtschulen bzw. Unterstufe der allgemein bildenden höheren Schulen) wurde daher eine Arbeitsgruppe aus Praktikerinnen und Praktikern, Vertreterinnen und Vertretern der neun Landesschulräte und jeweils einer/einem Vertreterin/Vertreter des Städtebundes bzw. des Gemeindebundes eingerichtet. Auch die Interessenvertretung der Eltern und Lehrkräfte werden in die Gespräche eingebunden. Landeshauptleute, Städtebund und Gemeindebund wurden bereits über dieses Vorhaben informiert. Diese Personengruppe soll bis zum Sommer 2010 Grundlagen für einen Masterplan entwerfen, der auf Basis bereits bestehender Initiativen und Erfahrungen die Rahmenbedingungen und erforderlichen Maßnahmen für ganztägige Schulangebote (Nachmittagsbetreuung und Ganztagsschulen) konkretisiert.
Zu Fragen 5 und 6:
Der in den Lehrplänen der Volksschule, der Hauptschule, der Sonderschule, der Polytechnischen Schule und der allgemein bildenden höheren Schule (Unterstufe) verankerte Betreuungsplan sieht derzeit eine Trennung in „gegenstandsbezogene“ und „individuelle“ Lernzeit vor. Das im Betreuungsplan genannte Stundenausmaß kann im Sinne einer Flexibilität bei der Planung und Gestaltung der Tagesbetreuung durch die Schule nach den regionalen Bedürfnissen schulautonom verändert werden (zu Gunsten/Ungunsten einer der beiden Lernzeiten).
Die Schülerinnen und Schüler sollen
- durch gezielte individuelle Förderung, durch partnerschaftliche Lernformen sowie durch die Vermittlung von Lerntechniken in ihrer Lernbereitschaft und Lernmotivation gefördert werden,
- mehr Gelegenheit für soziales und interkulturelles Lernen erhalten und die Kontakte untereinander intensivieren können – über die Zugehörigkeit zu Gesellschaftsschichten, Religionen, Kulturen uä. hinweg.
Das Modell „Tagesbetreuung NEU“, das derzeit an mehreren Schulen in Österreich pilotiert wird, sieht keine Trennung von gegenstandsbezogener und individueller Lernzeit vor. In der „Lernzeit NEU“ ist der Ertrag der Unterrichtsarbeit zu sichern und durch entsprechende Übungen, die auf die individuellen Bedürfnisse der Schülerin bzw. des Schülers ausgerichtet sind, zu festigen. Hierbei ist ein Wechsel der Methoden angebracht. Weiters haben die Schülerinnen und Schüler in der Lernzeit Gelegenheit, ihre Hausübungen zu erledigen, sich auf Leistungsfeststellungen vorzubereiten und dabei zweckmäßige und zeitökonomische Verfahrensweisen des selbstständigen Lernens kennen zu lernen. Die Unterstützung durch die Lehrerin bzw. den Lehrer darf nur so weit gehen, dass die Erledigung der gestellten Aufgabe selbstständige Leistung der Schülerin bzw. des Schülers bleibt. Neue Lehrstoffe dürfen nicht erarbeitet werden. Bei schriftlichen Arbeiten ist der vollständigen sowie möglichst richtigen und eigenständigen Ausarbeitung Augenmerk zu schenken.
Zu Fragen 7 und 8:
Die Betreuungspläne der vorstehend genannten Schularten kennen neben den erwähnten Lernzeiten nur mehr den Begriff „Freizeit“. Um den Interessen der Schülerinnen und Schüler zu begegnen und deren Interesse für kreative, sportliche und naturwissenschaftliche Aktivitäten zu unterstützen, werden den Schülerinnen und Schülern im Modell „Tagesbetreuung NEU“ musisch/kreative, bewegungsorientierte und naturwissenschaftlich/informatorische Angebote gemacht, die ein von der Lehrkraft vorbereitetes Angebot an die Schülerinnen und Schüler darstellen, aus dem sie wählen können. Um die Organisation zu erleichtern und die Wahlfreiheit zu erhöhen, kann auch eine wochenweise Blockung der Einheiten vorgenommen werden. Aus diesen drei Bereichen sind den Schülerinnen und Schülern jedenfalls zwei Disziplinen anzubieten, wobei ein Wechsel im Semester möglich ist.
Die intensive Auseinandersetzung und der aktive Umgang mit kulturellen Ausdrucksformen (z.B. in Kunst, Musik, Tanz, Theater, mit Film, Medien, Literatur, Rhythmik, Spiel) beeinflussen die kognitive, emotionale, motorische und soziale Entwicklung von Schülerinnen und Schülern (nachhaltig) positiv, stiften eine kulturelle Identität und führen auf diesem Gebiet zu einem deutlichen Kompetenzgewinn. Ausgehend von den Vorkenntnissen der Schülerinnen und Schüler sind deren musischen, kreativen und künstlerischen Fertigkeiten, Fähigkeiten und individuellen Interessen weitgehend zu beachten.
Durch Bewegung und Sport werden nicht nur die körperliche Entwicklung der Schülerinnen und Schüler gefördert, sondern auch ihre Lern- und Gedächtnisleistungen. Regelmäßige Sportaktivität verbessert die psychosoziale Gesundheit und die Lebensqualität Jugendlicher in signifikanter Weise. Bewegung und Sport in der Gruppe leisten einen wichtigen Beitrag zur Entwicklung eines ausgeprägten Sozialverhaltens bei den Schülerinnen und Schülern. Anhand dieser Leitlinien sollen Schülerinnen und Schüler zu einem gesunden Umgang mit Sport angeregt werden.
Im naturwissenschaftlich/informatorischen Bereich steht der Lernprozess im Vordergrund. Die Schülerinnen und Schüler haben die Möglichkeit zum selbstständigen und eigenverantwortlichen Forschen und Entdecken und können so ihren individuellen Zugang zu naturwissenschaftlichen Arbeitsmethoden und Denkweisen finden. Die Schülerinnen und Schüler sollen sich in einer Art Laborbetrieb – ihrem Alter und ihren Interessen gemäß und in Auswahl – Fragestellungen zu den Themenbereichen Wasser, Luft, Boden, Wärme, Farbe, Licht, Bewegung, Tragen und Stützen, Raum, Zeit, Formen, Hören, Fühlen, Riechen und Schmecken widmen und (gegebenenfalls) die Ergebnisse präsentieren können.
Im Bereich Freizeit sollen die Schülerinnen und Schüler angehalten werden, ihre verfügbare Zeit sinnvoll und ihren individuellen Fähigkeiten, Fertigkeiten und Neigungen gemäß zu verbringen. Ein attraktives Freizeitprogramm sollte möglichst viele unterschiedliche Bereiche umfassen und kann auch in Kooperation mit einer außerschulischen Organisation wie zB. (Sport-)Verein, Musikschule etc. angeboten werden.
Zu Fragen 9 und 10:
Die in der Beantwortung der Fragen 1 bis 4 beschriebene Arbeitsgruppe aus allen beteiligten Interessenskreisen wird neben den inhaltlichen Fragestellungen auch jene Parameter erarbeiten, die eine Abschätzung des zukünftigen Mengengerüsts und die sich daraus ableitenden Folgewirkungen auf die öffentlichen Finanzen erlauben. Bevor diese Parameter feststehen, lässt sich daher eine seriöse Abschätzung nicht bewerkstelligen. Auch ist darauf hinzuweisen, dass ganztägige Schulformen im Bereich der Volks-, der Haupt-, der Sonderschulen, der Polytechnischen Schulen und der Unterstufe der allgemein bildenden höheren Schulen bestehen. Die Festlegung der Standorte von ganztägigen Schulformen obliegt im Bundesschulbereich (Unterstufe der allgemein bildenden höheren Schule) unter Bedachtnahme auf gesetzlich definierte Prämissen den Landesschulräten bzw. dem Stadtschulrat für Wien. Im Pflichtschulbereich erfolgt die Festlegung der Standorte ganztägiger Schulformen unter Bedachtnahme auf grundsatzgesetzlich definierte Prämissen nach Maßgabe landesgesetzlicher Vorschriften (Art. 14 Abs. 3 lit. b B-VG). Ausgehend von der Kompetenzverteilung erfolgt die Finanzierung der ganztägigen Schulformen derzeit, und auch in Zukunft, aus den Budgetansätzen der jeweiligen Schultypen. Das sind bei den allgemein bildenden höheren Schulen die Personal- und Sachausgabenansätze und bei den allgemein bildenden Pflichtschulen der Ansatz zur Refundierung der Personalkosten für Landeslehrkräfte gemäß § 4 FAG.
Zu Frage 11:
Für die Betreuung der Kinder in der Freizeit (einschließlich Verpflegung) besteht die gesetzliche Ermächtigung zur Einhebung eines (höchstens kostendeckenden) Beitrages bei den Unterhaltspflichtigen. Die Höhe dieses Beitrages richtet sich für Bundesschulen gemäß den Vorschriften der Verordnung über Beiträge für Schülerheime und ganztägige Schulformen, BGBl. Nr. 428/1994, und für die Pflichtschulen gemäß den jeweiligen landesgesetzlichen Vorschriften. Hinsichtlich des Verpflegungsbeitrages an Bundesschulen sieht § 8 der genannten Verordnung vor, dass dieser höchstens kostendeckende Beitrag von der jeweiligen Schulleitung entsprechend der jeweiligen Gegebenheiten am Standort festzusetzen ist und die Kosten der Verpflegung einschließlich der Verabreichung zu umfassen hat.
Zu Frage 12:
Nein.
Zu Frage 13:
Nein, die Erziehungsberechtigten sollen auch weiterhin die Wahlfreiheit zwischen halbtägigen Angeboten und unterschiedlichen Formen qualitätsvoller ganztägiger Angebote haben.
Die Bundesministerin:
Dr. Claudia Schmied eh.