4439/AB XXIV. GP

Eingelangt am 08.04.2010
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BM für Justiz

Anfragebeantwortung

 

 

 

DIE  BUNDESMINISTERIN
           FÜR  JUSTIZ

BMJ-Pr7000/0037-Pr 1/2010

 

An die

                                      Frau Präsidentin des Nationalrates

                                                                                                                           W i e n

 

zur Zahl 4505/J-NR/2010

 

Die Abgeordneten zum Nationalrat Dr. Johannes Jarolim, Genossinnen und Genossen haben an mich eine schriftliche Anfrage betreffend „Rechtlich unverzichtbare Verfolgung nun erwiesener Korruptionsvorwürfe gegen Alfons Mensdorff-Pouilly durch die österreichischen Behörden“ gerichtet.

Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:


Zu 1 und 1a:

Die Republik Österreich hat anlässlich der Ratifikation des Schengener Durchführungsübereinkommens (SDÜ) folgende Erklärung abgegeben (vgl BGBl III 1997/90):

Die Republik Österreich erklärt, in folgenden Fällen nicht durch Artikel 54 des Schengener Übereinkommens vom 19. Juni 1990 gebunden zu sein:

1. wenn die Tat, die dem ausländischen Urteil zugrunde lag, ganz oder teilweise in ihrem Hoheitsgebiet begangen wurde: im letzteren Fall gilt diese Ausnahme jedoch nicht, wenn diese Tat teilweise im Hoheitsgebiet der Vertragspartei begangen wurde, in dem das Urteil ergangen ist;

2. wenn die Tat, die dem ausländischen Urteil zugrunde lag, einen der folgenden Straftatbestände erfüllt hat:

a) Auskundschaftung eines Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisses zugunsten des Auslands (§ 124 StGB);

b) Hochverrat und Vorbereitungen eines Hochverrats (§§ 242 und 244 StGB);

c) staatsfeindliche Verbindungen (§ 246 StGB);

d) Herabwürdigung des Staates oder seiner Symbole (§ 248 StGB);

e) Angriffe auf oberste Staatsorgane (§§ 249–251 StGB);

f) Landesverrat (§§ 252–258 StGB);

g) strafbare Handlungen gegen das Bundesheer (§§ 259–260 StGB);

h) strafbare Handlungen, die jemand gegen einen Beamten der Republik Österreich (§ 74 Z 4

StGB) während oder wegen der Vollziehung seiner Aufgaben begeht:

i) Straftaten nach dem Außenhandelsgesetz und

j) Straftaten nach dem Kriegsmaterialgesetz;

Zu 2:

Die Kompetenzen nach Art. 57 Abs. 3 SDÜ obliegen dem Bundesministerium für Justiz.

Zu 3 bis 3b, 7 und 9:

Das Bundesministerium für Justiz hat nach den erforderlichen Abklärungen der Staatsanwaltschaft Wien mit Schreiben vom 22. Februar 2010 eine solche Auskunft nach Art 57 SDÜ vom Britischen Home Office begehrt. Eine Antwort ist noch nicht eingelangt, das Bundesministerium für Justiz rechnet mit einer Antwort im April 2010.

Die Fragen 7 und 9 können daher derzeit nicht beantwortet werden.

Zu 4:

Der Inhalt der zwischen BAE systems plc. (BAE) und dem US-amerikanischem Department of Justice getroffenen Vereinbarung ist der Staatsanwaltschaft Wien bekannt, nicht hingegen jener der Vereinbarung zwischen BAE systems plc. und dem britischen Serious Fraud Office. Die weiteren Detailantworten beziehen sich daher lediglich auf die Vereinbarung mit dem amerikanischen Justizministerium.


Zu 4a:

Ich ersuche um Verständnis, dass ich über den Inhalt von Vereinbarungen, an denen die österreichische Justiz nicht beteiligt war und die in einem engen Zusammenhang mit dem derzeit anhängigen Ermittlungsverfahren gegen A.M.-P. stehen, keine Details bekannt geben kann.

Zu 4b und c:

Nein.

Zu 4d:

Die Beantwortung dieser Frage entfällt im Hinblick auf die Beantwortung der Frage 4 in Bezug auf die Vereinbarung mit dem amerikanischen Justizministerium.

Was die Vereinbarung mit dem britischen Serious Fraud Office betrifft, so bestehen nach den mir vorliegenden Informationen derzeit noch rechtliche Hindernisse für die genannte Behörde, der Staatsanwaltschaft Wien die entsprechenden Auskünfte zu erteilen. Wann eine solche Auskunftserteilung möglich sein wird, kann noch nicht gesagt werden.

Zu 5 und 5a.:

Ja. Es handelt sich dabei um Informationen zur Rechtsgrundlage der Verfahrensbeendigung in Großbritannien sowie zum Inhalt der Verdachtslage gegen A.M.-P.

Zu 5b:

Auch bei der Beantwortung dieser Frage ersuche ich um Verständnis, dass es mir nicht möglich ist, Details bekannt zu geben, die in engem Zusammenhang mit dem laufenden Ermittlungsverfahren in Österreich stehen.

Zu 5c:

Nein.

Zu 6 bis 6b:

Jede Einstellung eines Strafverfahrens erfolgt aufgrund von Verfahrensvorschriften.

Die gegenständliche Einstellung erfolgte aufgrund britischer Verfahrensvorschriften durch den Direktor des Serious Fraud Office. Ein Gericht war daran nicht beteiligt.


Zu 6c und d:

Nein.

Zu 6e:

Die Beantwortung dieser Frage entfällt mit Blick auf die Beantwortung der Fragen 6 bis 6b.

Zu 7a:

Die Beantwortung entfällt mit Blick auf die Beantwortung der Frage 7.

Zu 7b:

Eine Rechtsmittelbefugnis der österreichischen Behörden in diesem Zusammenhang besteht nicht.

Zu 8 bis 8b:

Nach den bisher vorliegenden Informationen lösen die Entscheidungen der britischen Justizbehörden keine Sperrwirkungen nach Art. 54 SDÜ für das im Inland gegen den Beschuldigten geführte Verfahren aus.

Zu 10:

Nein.

Zu 11:

Nein.

Zu 12 und 14:

Das Ermittlungsverfahren hat den Verdacht der Begehung der Vergehen der falschen Beweisaussage vor Gericht und der Bestechung nach § 288 Abs 1 und 3, § 307 Abs 1 StGB bzw. der Verbrechen des schweren Betruges und der Geldwäscherei nach den §§ 146, 147 Abs 3 und 165 Abs 1 und 3 StGB zum Gegenstand.

Im Übrigen ersuche ich um Verständnis, dass ich Fragen, die sich auf ein laufendes Ermittlungsverfahren beziehen, das gemäß § 12 StPO nicht öffentlich ist, nicht beantworten kann, weil dadurch einerseits Rechte von Verfahrensbeteiligten verletzt und andererseits der Ermittlungserfolg gefährdet werden könnten. Dies gilt auch dann, wenn über ein solches Ermittlungsverfahren Medienberichte erschienen sind.


Zu 13 und 13a:

Ja. Aus den bereits genannten Gründen ersuche ich jedoch um Verständnis, dass ich keine näheren Auskünfte dazu geben kann. Jedenfalls besteht zwischen den betroffenen ausländischen Behörden und Österreich ein Informationsaustausch.

Zu 15 und 15a:

Neben A.M.-P. wird auch noch gegen andere Personen ermittelt, die ich aus den bereits dargelegten Gründen nicht nennen kann. Österreichische Amtsträger und Amtsträgerinnen sind nicht darunter.

Zu 15b:

Die Einleitung eines Verfahrens nach § 304 StGB war nach den bisherigen Beweisergebnissen nicht indiziert.

Zu 16:

Derzeit ist ein Staatsanwalt in dieser Causa tätig.

Zu 16a:

Ja.

Zu 16b:

Nein.

Zu 16c:

Dies ist derzeit nicht beabsichtigt. Mit Strafverfolgungsbehörden anderer Staaten wird kooperiert.

Zu 17:

Nach § 2 StPO ist die Staatsanwaltschaft im Rahmen ihrer Aufgaben verpflichtet, jeden ihr zur Kenntnis gelangten konkreten Verdacht einer Straftat, die nicht bloß auf Verlangen einer hiezu berechtigten Person zu verfolgen ist, in einem Ermittlungsverfahren vom Amts wegen aufzuklären. In jenen Fällen, in denen konkrete Anfangsverdachtslagen zur Anzeige gebracht werden und solche bestehen, sind folglich auch Ermittlungen anzustellen. Eine „systematische Durchforstung“ der in der Anfrage genannten Vorgänge durch die Staatsanwaltschaft, um überhaupt erst zu einem allfälligen Anfangsverdacht zu gelangen, ist gesetzlich nicht vorgesehen. Soweit sich bei Prüfungen durch andere Einrichtungen, wie insbesondere durch den Rechnungshof, der Verdacht strafrechtlich relevanter Sachverhalte ergeben, gelangen diese ohnehin regelmäßig zur Anzeige bei der Staatsanwaltschaft.

Zu 18:

Ich bin davon überzeugt, dass die Strafverfolgungsbehörden ihrer Verpflichtung nachkommen, die für die strafrechtliche Beurteilung dieser Causa notwendige Entscheidungsgrundlage umfassend aufzubereiten, sodass eine sachgerechte Entscheidung möglich ist.

Zu 19:

Es wird kein Verfahren gegen (ehemalige) österreichische Amtsträgerinnen bzw. Amtsträger oder Mitglieder vormaliger Bundesregierungen bzw. mit diesen in Verbindung stehenden Organisationen geführt.

Die Frage, ob es in einem Strafverfahren zu einer Anklage kommt, bemisst sich gemäß § 210 Abs 1 StPO danach, ob eine Verurteilung naheliegt und kein Grund für die Einstellung des Verfahrens oder den Rücktritt von der Verfolgung (Diversion) vorliegt. Gegebenenfalls ist daher erst bei vorliegender Anklagereife von Fall zu Fall zu beurteilen, inwieweit generalpräventive Erwägungen einer diversionellen Erledigung entgegenstehen und daher dieser Fall mittels Anklage einer gerichtlichen Entscheidung zuzuführen ist. Solche Überlegungen können jedoch erst nach Abschluss des Ermittlungsverfahrens auf Basis einer Einzelfallprüfung angestellt werden.

Zu 20:

Nach dem mir vorliegenden Bericht der Staatsanwaltschaft Wien gibt es keine derartigen Hinweise.

Zu 21:

Nach den mir vorliegenden Informationen ist eine Verantwortung nach dem Verbandsverantwortlichkeitsgesetz nicht gegeben.

Zu 22 bis 23:

Soweit die in den Fragen angesprochenen Finanztransaktionen bzw. Einnahmen aus Geschäften mit konkreten Verdachtsmomenten in Zusammenhang stehen, wurden sie überprüft. Hinweise auf die in Frage 22a genannten Finanztransaktionen ergaben sich nicht. Im Übrigen können weitere Details im Hinblick darauf, dass es sich um ein offenes Ermittlungsverfahren handelt, nicht bekannt gegeben werden.

 

 

. April 2010

 

 

(Mag. Claudia Bandion-Ortner)