4444/AB XXIV. GP

Eingelangt am 09.04.2010
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

BM für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft

Anfragebeantwortung

 

 

 

 

 

NIKOLAUS BERLAKOVICH

Bundesminister

 

 

 

 

 

An die                                                                                                Zl. LE.4.2.4/0022 -I 3/2010

Frau Präsidentin

des Nationalrates

Mag.a Barbara Prammer

Parlament

1017 Wien                                                                                        Wien, am 6. APR. 2010

 

 

Gegenstand:   Schriftl. parl. Anfr. d. Abg. z. NR Wolfgang Katzian, Kolleginnen und

Kollegen vom 11. Februar 2010, Nr. 4506/J, betreffend Umsetzung der

Wasserrahmenrichtlinie insbesondere die Erlassung des Nationalen

Gewässerbewirtschaftungsplanes und deren Implikationen auf die

energiepolitischen, klimapolitischen und verkehrspolitischen

Zielsetzungen Österreichs

 

Auf die schriftliche parlamentarische Anfrage der Abgeordneten Wolfgang Katzian, Kolleginnen und Kollegen vom 11. Februar 2010, Nr. 4506/J, teile ich Folgendes mit:

 

Zu den Fragen 1 und 2:

 

Die chemischen Umweltziele für Schadstoffe sind in der Qualitätszielverordnung Chemie – Oberflächengewässer geregelt (BGBl. II Nr. 96/2006 idF BGBl. II Nr. 267/2007). Die typ­bezogen biologischen, allgemein-chemisch-physikalischen und hydromorphologischen Umweltziele inklusive der Festlegungen der Wasserkörperbewertung werden in der Qualitäts­zielverordnung Ökologie geregelt, die parallel zum Entwurf des Nationalen Gewässer­bewirtschaftungsplanes (NGP) in Begutachtung war und abgestimmt mit diesem in Kraft tritt. Bei der Erstellung des Entwurfs des NGP lagen die wesentlichen Elemente der zukünftigen QZVO Ökologie bereits vor. Die meisten der z.B. in § 13 der QZVO festgelegten hydromor­phologischen Bedingungen wurden bereits im Rahmen der Ist-Bestandsanalyse angewandt. Über die entwickelten Bewertungsmethoden für die biologischen Elemente wurde seitens des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft (BMLFUW) bereits vor der Erstellung des NGP-Entwurfs öffentlich informiert. Da die Maßnahmenplanung zur stufenweisen Zielerreichung im NGP und die Festlegung der Umweltqualitätsnormen in der Verordnung in einem engen sachlichen Zusammenhang stehen, konnten mit dieser Vorgangsweise Doppelgleisigkeiten vermieden und die zu lösenden Fragestellungen im Bereich Gewässerökologie umfassend diskutiert und gelöst werden.

 

Zu Frage 3:

 

Zielzustand/Sanierungsziel ist der gute Zustand bzw. bei künstlichen oder erheblich veränderten Wasserkörpern das gute Potential. Daneben besteht im WRG der Grundsatz, dass durch Maßnahmen zum Schutz der Gewässer eine Verschlechterung des jeweiligen Zustandes, d.h. auch des sehr guten Zustandes verhindert werden soll.

 

Die kosteneffizienten Sanierungsmaßnahmen ergeben sich aus der jeweiligen Belastungs­situation, die derart zu verringern ist, dass sowohl die chemischen Schadstoffe als auch die  biologischen Komponenten einen guten Zustand anzeigen. Eine Darstellung der möglichen Maßnahmen und ihre Wirkung/Wirksamkeit ist in den Maßnahmenkatalogen dargelegt. Die Qualitätszielverordnung Ökologie enthält zur Orientierung bei den hydromorphologischen Parametern Richtwerte für die Prognose, wann die biologischen Elemente mit hoher Sicherheit  in einem guten Zustand sind. Um keine überschießenden Sanierungen auszulösen, wurde im NGP bei der Restwassersanierung sowie bei der Verbesserung der Gewässerstrukturen eine schrittweise Vorgangsweise vorgesehen. Maßnahmen für die erste Planungsperiode sind insbesondere Fischaufstiegshilfen, eine ausreichende Restwasserdotation für die Fisch­passierbarkeit sowie lokale Strukturierungsmaßnahmen im Gewässer. Letzteres auf freiwilliger Basis.

 

Zu den Fragen 4 und 5:

 

Bei der Sanierung des Restwassers sieht der NGP eine stufenweise Vorgangsweise vor. In einem ersten Schritt ist das Restwasser zur Herstellung der Fischdurchgängigkeit zu erhöhen, in einem zweiten Schritt ist der gute ökologische Zustand der biologischen  Elemente bzw. das gute ökologische Potential herzustellen. Dies ist ein wesentlicher Schritt zu einer Umsetzung der WRRL mit Augenmaß. Nach derzeitiger Rechtslage sind diese Sanierungs­schritte in Einzelverfahren gem. § 21a WRG abzuwickeln.

Um die erforderlichen Maßnahmen auch mit einem angemessenen Aufwand für die Behörden abwickeln zu können, wird im NGP vorgeschlagen, mit einer Verordnung des Landeshaupt­mannes den/die Wasserberechtigte(n) zur Vorlage eines Projektes zur stufenweisen Rest­wassersanierung bis zu einem bestimmten Zeitpunkt zu verpflichten. Dabei sollte unter gewissen Voraussetzungen auch die Möglichkeit vorgesehen werden, über Antrag des Wasser­berechtigten die Sanierungsfrist zu verlängern. Dazu ist eine Änderung des Wasser­rechtsgesetzes erforderlich.

 

Zu den Fragen 6 und 7:

 

Ziel der Erstellung des NGP-Entwurfs war eine bestmögliche Abstimmung der verschiedenen Interessen im Einklang mit den öffentlichen Interessen des Wasserrechtsgesetzes (§ 105 WRG). Der NGP enthält Maßnahmen, um die unterschiedlichen Ansprüche an die Gewässer nach Möglichkeit befriedigen zu können.

 

Zu Frage 8:

 

Im Rahmen der Strategischen Umweltprüfung, die parallel zur Begutachtung des NGP-Entwurfs durchgeführt wurde, wurde ein Umweltbericht erstellt, in dem alle Auswirkungen des NGP auf andere Ziele untersucht und bewertet wurden.

 

Zu den Fragen 9, 10 und 14:

 

Der NGP hat zur Aufgabe, den guten chemischen Zustand und den guten ökologischen Zustand/das gute ökologische Potential bis 2015 zu erreichen und den jeweiligen Istzustand  zu schützen. Die Anwendung der Bestimmungen über eine stufenweise Zielerreichung, die unter Einhaltung bestimmter, im WRG geregelter, restriktiver Voraussetzungen möglich ist, wurde im Rahmen des NGP genutzt um die für den Gewässerschutz erforderlichen aber auch für die betroffenen Wassernutzer bewältigbaren zielführenden Maßnahmenkombinationen planerisch vorzugeben. 

 

Als Grundlage für die Anwendung der Ausnahmebestimmungen und heavely modified water bodies (HMWB) Ausweisungen wurden Auswirkungen auf die Nutzung (z. B. Produktionseinbußen) erhoben, Kosten für die einzelnen erforderlichen Sanierungs­maßnahmen kalkuliert und sonstige Auswirkungen betrachtet.

Im Zuge von neuen Projekten/Eingriffen, bei denen mit einer Verschlechterung des Gewässer­zustandes zu rechnen ist, ist im Rahmen des Bewilligungsverfahrens ua. eine Abwägung öffentlicher Interessen und die Prüfung möglicher besserer Umweltoptionen (§ 104 a) durch­zuführen. Die Definition der „Wasserkraftnutzung“ als grundsätzliches übergeordnetes öffent­liches Interesse ist keine Zielsetzung der Wasserrahmenrichtlinie, die die ökologisch nachhaltige Nutzung der (knappen) Ressource Wasser zum Gegenstand hat. Im Kapitel „Schutz ökologisch wertvoller Gewässerstrecken unter zusätzlicher Nutzung der Wasserkraft“ sind ein planerischer Ansatz und Maßnahmen enthalten, die die Behörden bei der Anwendung des § 104 a bei neuen Wasserkraftprojekten unterstützen sollen.

 

Zu Frage 11:

 

Die verpflichtende Abgabe von Restwasser ist keine Neuerung des NGP sondern hat spätestens seit der WRG-Novelle 1990 aufgrund der geltenden Bestimmungen zu den öffent­lichen Interessen zu erfolgen.

Neu vorgegeben durch die WRRL ist die  Sanierungsverpflichtung bis 2015 bei bestehenden Anlagen. Mit der stufenweisen Zielerreichung und der Prioritätenreihung nutzt der NGP die in der WRRL vorgesehenen Möglichkeiten zur Fristerstreckung, um die Auswirkungen auf die Energiewirtschaft möglichst zu minimieren. Die klima- und energiepolitischen Zielvorgaben der Bundesregierung werden dadurch allenfalls in einem sehr geringen Ausmaß beeinträchtigt.

 

Zu den Fragen 12 und 13:

 

Der NGP betont den hohen Stellenwert der Wasserkraft für die österreichische Strom­produktion. Er widerspricht nicht den Zielen der Energiestrategie sondern unterstützt diese im Hinblick auf eine Sicherstellung eines ökologisch verträglichen Wasserkraftausbaus.

 

Zu den Fragen 15 bis 18 und 20:

 

Die Produktionsverluste, die sich durch die Sanierung der bestehenden Restwasserprobleme ergeben, betragen bis 2015 max. 1 %, langfristig (bis 2027) insgesamt bis zu 3 % der derzeitigen Wasserkraftproduktion. Diese langfristigen Produktionseinbußen wurden aber in derselben Höhe bereits durch die WRG-Novelle 1990 ausgelöst und nicht erst durch die WRRL, die eine Nutzung und Bewirtschaftung der Gewässer unter Einhaltung des Prinzips der Nachhaltigkeit sicherstellen soll.

Die Berechnung basiert auf der von der Elektrizitätswirtschaft gemeinsam mit dem BMLFUW finanzierten Studie der TU Graz „Energiewirtschaftliche und ökonomische Bewertung potenzieller Auswirkungen der Umsetzung der EU-Wasserrahmenrichtlinie auf die Wasser­kraft“ (Stigler et al., 2005) unter Berücksichtigung der im Entwurf der Qualitätszielverordnung Ökologie vorgesehenen Restwasser-Richtwerte zur Erreichung des guten ökologischen Zustandes.

 

Zu Frage 19:

 

In der Energiestrategie, die die Erreichung des 34 % Zieles bis 2020 sicherstellen soll, wurde nicht von zusätzlichen 7 TWh bis 2020 als realistisch umsetzbare Größe ausgegangen. Wasserkraft ist eine bedeutende erneuerbare Energiequelle, es wird aber in jedem Fall Anstrengungen bei den anderen erneuerbaren Energien (z.B. Biomasse) bedürfen, da bis 2020 laut Energiestrategie zusätzlich ca. 100 PJ (= 28 TWh) gegenüber dem Vergleichsjahr 2005 erforderlich sind. Das wurde bei der Energiestrategie berücksichtigt.

 

Zu Frage 21:

 

Klimaschutz ist ein Teilbereich des Umweltschutzes. Um positive Auswirkungen in einem Umweltmedium zu erreichen, dürfen die negativen Auswirkungen nicht auf ein anderes Umweltmedium verschoben werden. Die Wasserkraft ist unter Berücksichtigung des jeweiligen Standortes und der Art der Nutzung mit ihren Gesamtauswirkungen auf die Umwelt (Gewässerschutz/Wasserwirtschaft, Naturschutz) und soziale Verträglichkeit zu bewerten. Die diesbezüglich bestehenden Gesetzesvorgaben auf EU- bzw. nationaler Ebene sind jedenfalls einzuhalten.

 

Zu Frage 22:

 

Das gute ökologische Potential (GÖP) ist in der WRRL im Anhang V definiert und durch einen EU (CIS)-Leitfaden näher erläutert. Auf Basis dieser beiden Dokumente wurde vom BMLFUW ein Leitfaden erstellt, der die Ableitung und Festlegung des GÖP für jeden als HMWB ausgewiesenen Wasserkörper unterstützt. Die Beurteilung des ökologischen Potenzials für den NGP erfolgte anhand des Kriteriums, ob im Bezug auf die hydromorphologischen Bedingungen alle Maßnahmen zur Annäherung an den guten ökologischen Zustand getroffen wurden, die nicht zu einer negativen signifikanten Auswirkung auf Nutzungen führen. Das gute ökologische Potenzial ist dann erreicht, wenn alle diese Maßnahmen gesetzt werden, außer jenen, die in Summe nur gering zur Verbesserung beitragen.

Dafür wurde unterstützend das Hintergrunddokument Leitfaden zur Bewertung erheblich veränderter Gewässer herangezogen. Dieses enthält Informationen in qualitativer Form bezüglich der Wirkung bzw. des Verbesserungspotentials einzelner Maßnahmen und verschiedener Kombinationen von Maßnahmen.


Zu den Fragen 23 bis 25:

 

Voraussetzung ist, dass der Wasserkörper die Vorgaben der WRRL zur Ausweisung als „erheblich veränderter Wasserkörper“ erfüllt. Für derartige Wasserkörper gilt dann nicht der gute ökologische Zustand als Umweltziel sonder das gute ökologische Potential. Dieses liegt „unterhalb“ des guten ökologischen Zustandes.

 

Da das „Machbare“ vom Ausmaß und Art der Belastung und Belastungskombination im betroffenen Wasserkörper abhängig ist, kann das gute ökologische Potential nicht durch eine allgemeingültige Einzelzahl beschrieben werden. Es ist im Wesentlichen, wie oben angeführt, jener biologische Zustand, der sich einstellt, wenn alle Maßnahmen zur gewässer­typorientierten, zielgerichteten Verbesserung der (hydro- und morphologischen) Situation gesetzt werden, die keine signifikante Einschränkung von Nutzungen bedeuten.

 

Zu Frage 26:

 

Die Wasserkörpereinteilung wurde gemäß den Vorgaben/Kriterien der WRRL und unter Berücksichtigung des relevanten EU (CIS)-Leitfadens durchgeführt. Ziel ist es für die Planung einheitliche und bedeutende Abschnitte eines Gewässers abzugrenzen. Naturnahe, sehr gute Abschnitte von mehr als 1 km wurden als bedeutend eingestuft. 

 

Zu Frage 27:

 

Eine Bewilligung im öffentlichen Interesse kann als unzulässig angesehen werden, wenn ein Vorhaben zur Ausnutzung der motorischen Kraft eines Gewässers einer möglichst vollständigen Ausnutzung der Wasserkraft nicht entspricht. Dies bedeutet nicht, dass die Wasserkraftnutzung ein den anderen öffentlichen Interessen übergeordnetes öffentliches Interesse darstellt (siehe auch Beantwortung 9-10, 14). Umgekehrt wurde bei der Erstellung des NGP darauf geachtet, dass eine Umsetzung der Vorgaben der WRRL mit Augenmaß erfolgt, was z.B. durch die Priorisierung im NGP auf größere Gewässer und die schrittweise Restwasseranpassung im großen Umfang geschehen ist.

Zu den Fragen 28 und 29:

 

Dies ist bei Wasserkörpern in „gutem Zustand“ dann möglich, wenn die Art der Ausführung der Wasserkraftanlage keine Verschlechterung des guten Zustandes bewirkt. Bei Wasserkörpern schlechter als „gut“ dann, wenn die Art der Ausführung der Wasserkraftanlage nicht eine Verschlechterung des Zustandes bewirkt oder die Zielerreichung verhindert.


Zu den Fragen 30 und 31:

 

Das höchste ökologische Potential ist keine Anforderung an „Neubauprojekte“. Die WRRL steht  einem weiteren nachhaltigen Ausbau der Wasserkraft nicht entgegen.

 

Zu den Fragen 32 bis 34:

 

Der Rahmen für allfällige Regionalprogramme der Länder ist durch den Nationalen Gewässerbewirtschaftungsplan - der nach einer intensiven Öffentlichkeitsbeteiligung und einem intensiven Bund-Länder-Dialog erstellt wurde - vorgegeben. Dieser enthält auch Vorgaben/Grundsätze für zu prüfende Interessen bei Regionalprogrammplanungen.

 

Der Bundesminister: