4453/AB XXIV. GP
Eingelangt am 09.04.2010
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BM für Gesundheit
Anfragebeantwortung

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Frau Präsidentin des Nationalrates Maga. Barbara Prammer Parlament 1017 Wien |
Alois Stöger diplômé Bundesminister
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GZ: BMG-11001/0044-I/5/2010
Wien, am 9. April 2010
Sehr geehrte Frau Präsidentin!
Ich beantworte die an mich gerichtete schriftliche parlamentarische
Anfrage Nr. 4509/J der Abgeordneten Mag. Johann Maier und Genossinnen nach den mir vorliegenden Informationen wie folgt:
Frage 1:
Müller et al. (2010): Soft Drink and Juice Consumption and Risk of Pancreatic Cancer: The Singapore Chinese Health Study. Cancer Epidemiol Biomarkers Prev; 19(2); 447‑55.
Die Studienautoren halten fest, dass bei regelmäßigem Konsum von mehr als 2 Softdrinks (sugar-sweetened carbonated beverages) pro Woche durch chinesische Männer und Frauen ein Anstieg des Risikos, an Pankreaskrebs zu erkranken, feststellbar war. Bei Fruchtsäften konnte kein Zusammenhang festgestellt werden. Die Autoren weisen jedoch darauf hin, dass Einschränkungen durch die geringe Anzahl der Fälle an Pankreaskrebs in dieser Studie gegeben sind. Außerdem war es nicht möglich, wiederholte Untersuchungen des Ernährungsverhaltens, insbesondere im Hinblick auf Änderungen des Konsums von Softdrinks nach einer Diagnose von Diabetes nach dem Basisinterview, durchzuführen. Zusammenfassend wird von den Studienautoren festgehalten, dass der Konsum von Softdrinks eine Rolle bei der Entwicklung von Pankreaskrebs spielen könnte („In conclusion, the present study adds to the evidence that soft drink consumption may play a role in the development of pancreatic cancer.“). Auf die Notwendigkeit einer großen prospektiven epidemiologischen Studie wird ebenfalls hingewiesen.
Weitere Studien zum Thema:
Ying Bao et al. (2008): Added sugar and sugar-sweetened foods and beverages and the risk of pancreatic cancer in the National Institutes of Health–AARP Diet and Health Study. Am J Clin Nutr 2008; 88: 431– 40.
Die Autoren kommen nach einer in den USA an 487.922 Personen im Alter von 50 – 71 Jahren durchgeführten Studie zu dem Schluss, dass die Ergebnisse die Hypothese, dass der Konsum von zugesetztem Zucker bzw. zuckergesüßter Speisen und Getränke das Risiko von Pankreaskrebs erhöht, nicht unterstützen („Our results do not support the hypothesis that consumption of added sugar or of sugar-sweetened foods and beverages is associated with overall risk of pancreatic cancer.”)
Chan et al. (2009): Sweets, sweetened beverages, and risk of pancreatic cancer in a large population-based case–control study. Cancer Causes Control. 2009; 20: 835‑846.
Die Autoren führen an, dass bei Männern spezifische Süßwaren zu einem erhöhten Risiko führen, nicht jedoch bei Frauen. Ein erhöhtes Risiko für Pankreaskrebs über den Konsum von gesüßten Getränken war in dieser Studie nicht feststellbar. Zusammenfassend wird festgehalten, dass die Ergebnisse nur eingeschränkt die Hypothese unterstützen, dass Süßwaren und Zucker das Risiko von Pankreaskrebs erhöhen („These results provide limited support for the hypothesis that sweets or sugars increase pancreatic cancer risk.“).
Larsson et al. (2006): Consumption of sugar and sugar-sweetened foods and the risk of pancreatic cancer in a prospective study. Am J Clin Nutr 2006; 84: 1171– 6.
Die schwedischen Autoren kommen zu dem Schluss, dass ein hoher Konsum von Zucker und zuckergesüßten Lebensmitteln mit einem höheren Risiko für Pankreaskrebs verbunden sein könnte („High consumption of sugar and high-sugar foods may be associated with a greater risk of pancreatic cancer.”). Die Autoren weisen ebenfalls aufgrund der geringen Anzahl an Krebsfällen auf die Notwendigkeit weiterer Studien hin.
DGE-Info 08/2008 – Forschung, Klinik, Praxis
(http://www.dge.de/modules.php?name=News&file=article&sid=870 )
In dieser Information werden die möglichen Assoziationen der Larsson-Studie (siehe oben) angeführt:
Mögliche Ursache für die Assoziationen: Rasch absorbierbare Kohlenhydrate, die zu steil ansteigenden Blutglucose- und Insulin-Konzentrationen führen. Die hohe Insulinkonzentration, der die exokrinen Pankreaszellen dann ausgesetzt sind, fördert wahrscheinlich in Zusammenhang mit insulinähnlichen Wachstumsfaktoren deren Proliferation. Hyperglykämie wiederum kann den oxidativen Stress steigern, auf den die Inselzellen mit ihrem geringeren Gehalt an Antioxidantien empfindlich reagieren.
Nöthlings et al. (2007): Dietary glycemic load, added sugars, and carbohydrates as risk factors for pancreatic cancer: the Multiethnic Cohort Study. Am J Clin Nutr 2007; 86: 1495–501.
Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass hoher Fructose- und Saccharose-Konsum eine Rolle für Pankreaskrebs spielen könnte. Übergewicht und Fettsucht in Zusammenhang mit Insulinresistenz scheinen ebenfalls von Bedeutung zu sein („High fructose and sucrose intakes may play a role in pancreatic cancer etiology. Conditions such as overweight or obesity in which a degree of insulin resistance may be present may also be important.”)
Schernhammer et al. (2005): Sugar-Sweetened Soft Drink Consumption and Risk of Pancreatic Cancer in Two Prospective Cohorts. Cancer Epidemiol Biomarkers Prev 2005; 14(9): 2098–105.
In dieser Studie wurde festgestellt, dass hoher Softdrink-Konsum bei Männern zu keinem erhöhten Risiko von Pankreaskrebs führt. Bei Frauen war eine Erhöhung feststellbar, die jedoch mit erhöhtem body mass index (BMI) oder geringer körperlicher Aktivität assoziiert war. Die Studienautoren weisen auf die Unterstützung der Hypothese hin, dass abweichender Glukose-Metabolismus und Status der relativen Hyperinsulinämie das Risiko von Pankreaskrebs erhöht („Although soft drink consumption did not influence pancreatic cancer risk among men, consumption of sugar-sweetened soft drinks may be associated with a modest but significant increase in risk among women who have an underlying degree of insulin resistance.”)
Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass keine eindeutige Aussage im Hinblick auf die Erhöhung des Risikos von Pankreaskrebs aus den Studien ableitbar ist.
Frage 2:
Pankreaskrebs kann auf mehrere Ursachen zurückgeführt werden. Eine Hauptursache ist Rauchen, wie die nachfolgende Studie belegt:
Lowenfels A.B., Maisonneuve P. (2004): Epidemiology and Prevention of Pancreatic Cancer. Jpn J Clin Oncol 2004; 34(5): 238–244.
Die Autoren weisen darauf hin, dass Rauchen der Hauptrisikofaktor für Pankreaskrebs ist („Smoking is the major known risk factor for pancreatic cancer, accounting for ~25–30% of all cases.”). Das Ernährungsverhalten spielt ebenfalls eine Rolle, durch reduzierte Kalorienaufnahme und Vermeidung von Übergewicht kann das Risiko reduziert werden (“Dietary factors are less important for pancreatic cancer than for other digestive tract tumors, but consumption of a diet with adequate quantities of fruits and vegetables, plus control of calories either by dietary measures or by exercise will help to prevent this lethal tumor.”).
Ein weiterer Faktor neben Alter und Übergewicht ist die Hyperinsulinämie. Bei übergewichtigen Personen sind der Insulin-like growth factor 1 (IGF1), Insulin und Leptin erhöht. Insulinresistenz, d.h. vermindertes Ansprechen der Zellen auf das Hormon Insulin, wird durch erhöhte Produktion an Insulin durch die Bauchspeicheldrüse kompensiert.
Gemäß World Cancer Research Fund 2007 Report erhöht Hyperinsulinämie das Risiko für Dickdarm- und Gebärmutterschleimhautkrebs bzw. möglicherweise von Pankreas- und Nierenkrebs. Das Risiko für Pankreaskrebs wird durch Fettleibigkeit (Adipositas), insbesondere durch einen hohen Bauchfettanteil erhöht. Bezüglich einzelner Lebensmittel bzw. Lebensmittelgruppen war seitens der WHO keine Aussage möglich.
Es wäre somit denkmöglich, dass ein erhöhtes Risiko für Pankreaskrebs auf Insulin zurückzuführen ist, dies ist jedoch immer in Zusammenhang mit anderen relevanten Faktoren wie Übergewicht, mangelnder Bewegung bzw. Diabetes mellitus 2 zu sehen.
Rauchen sowie andere Ursachen spielen als Risikofaktoren bei dieser Krebsart ebenfalls eine wesentliche Rolle.
Frage 3:
Ein hoher Konsum von zuckerhaltigen Getränken wird im Rahmen einer ernährungsphysiologisch sinnvollen und bedarfsdeckenden Kostform als nicht optimal angesehen. Da die meisten derartigen Getränke einen hohen Anteil an Zucker aufweisen, sind sie sehr kalorienhältig.
Als mögliche Hauptdeterminanten für Übergewicht und Adipositas ist von einem überhöhten Konsum von Softdrinks und anderen zuckerhaltigen Getränken abzuraten. Dies ist vor allem besonders bedenklich, wenn man Adipositas- und Übergewichtsprävalenzzahlen in Österreich genauer betrachtet. In allen Altersgruppen ist ein signifikanter Trend zu steigendem Übergewicht und Adipositas in der Bevölkerung zu verzeichnen. Unter den 18- bis 65-jährigen ist bereits jede/jeder zweite zu dick. Die Situation ist zunehmend auch bei Kindern problematisch, denn auch dort sind bereits 18% der Mädchen und 21% der Buben eindeutig übergewichtig. Hochgradiges Übergewicht im Kindesalter stellt nicht nur einen Risikofaktor für Adipositas im Erwachsenenalter dar, sondern legt auch den Grundstein für spätere Stoff-wechsel-, Herz-Kreislauf- und Skeletterkrankungen.
Entsprechend der vom Bundesministerium für Gesundheit veröffentlichten Ernährungspyramide sollte der Konsum von verdünnten Fruchtsäften, ungesüßten Tees und Mineral- und Leitungswasser bevorzugt werden. Zuckerhaltige Getränke sollten laut Ernährungspyramide selten konsumiert werden und eher als Genussmittel, wie Süßigkeiten, fettige und salzige Snacks, Fast Food angesehen werden.
Fragen 4 und 5:
Softdrinks und zuckerhaltige Getränke stehen seit längerer Zeit im Fokus der Gesundheitsdiskussionen.
Aufgrund der hohen Aufnahme an rasch absorbierten Kohlenhydraten kommt es zur Entstehung von Hyperglykämie und Hyperinsulinämie. Auch für Adipositas und Übergewicht, beides Erkrankungen, die als Folge eines Ungleichgewichts an Energiezufuhr und Energieverbrauch entstehen, sind zuckerhaltige Getränke wie Softdrinks eine der möglichen Ursachen.
Adipositas und Übergewicht gelten als Hauptrisikofaktoren für die Entstehung von ernährungsassoziierten Erkrankungen wie Diabetes Mellitus, Hypertonie, kardiovaskuläre Erkrankungen, Schlaganfall und verschiedene Stoffwechselerkrankungen.
Im Rahmen des Nationalen Aktionsplans Ernährung sind vor allem die Minimierung von Krankheitsrisiken, die Reduktion von ernährungsassoziierten Erkrankungen sowie die Verbesserung des Gesundheitszustandes und die Verringerung der Kosten im Gesundheitswesen als ernährungsbezogene präventive Ziele genannt.
Zielsetzungen sind unter anderem die Optimierung der Flüssigkeitszufuhr und die Senkung der Aufnahme von zusätzlichem Zucker. Gerade in Anbetracht der zunehmenden Anzahl an Übergewichtigen und Adipösen ist von einem erhöhten Konsum von zuckerhaltigen Speisen und Getränken aufgrund der hohen Kaloriendichte abzuraten.
Wie bereits ausgeführt, richtet der nationale Aktionsplan Ernährung seinen Fokus unter anderem auf die Senkung der Häufigkeit von ernährungsassoziierten Erkrankungen. Dabei werden sowohl die Schaffung von Rahmenbedingungen, Maßnahmensetzung und Forschung, Monitoring und Evaluierung von integrierten Maßnahmen im Sinne eines health in all policies-Ansatzes als Aufgaben genannt.
Vor allem nach den Daten des österreichischen Ernährungsberichts, bei denen eine zu hohe Aufnahme von Fett und Salz bei den Erwachsenen und ein erhöhter Zuckerkonsum bei den österreichischen Jugendlichen und Kindern ermittelt wurde, sind als wesentliche Ziele vor allem die Reduktion des Energie- und Salzgehaltes und die Modifikation der Fett- und Kohlenhydratzufuhr zu nennen.
Durch Verhaltens- und Verhältnisänderung unter Zuhilfenahme von kongruenten, koordinierten und evidenzbasierten Leitlinien, die in der Praxis leicht umzusetzen sind, wird in Zukunft die gesündere Wahl die leichtere sein, womit - allein im
Bereich Übergewicht/Fettleibigkeit - im Gesundheitswesen bedeutende Einsparungen ermöglicht werden könnten. Auch die Förderung der adäquaten Lebensmittelauswahl ist ein bedeutender Schritt in der ernährungsbezogenen Prävention.
Die Grundlage dazu bildet die neue Ernährungspyramide, denn nur durch einfach erkennbare gesunde Lebensmittel und leicht verständliche und umsetzbare Leitlinien ist die Ernährung in die Richtung „Make the healthy choice the easier choice“ zu lenken. Zusammenfassend möchte ich betonen, dass eine Optimierung der Ernährungssituation jedes Einzelnen die Senkung der Häufigkeiten von Inzidenz- und Prävalenzfällen bei Übergewicht und Adipositas, sowohl bei Erwachsenen als auch bei Kindern, und damit eine Reduktion von ernährungsassoziierten Krankheiten und - in letzter Folge - eine Senkung der Gesundheitslast mit sich bringen kann.