4599/AB XXIV. GP

Eingelangt am 23.04.2010
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BM für Justiz

Anfragebeantwortung

 

 

 

DIE  BUNDESMINISTERIN
           FÜR  JUSTIZ

BMJ-Pr7000/0051-Pr 1/2010

 

An die

                                      Frau Präsidentin des Nationalrates

                                                                                                                           W i e n

 

zur Zahl 4556/J-NR/2010

 

Die Abgeordneten zum Nationalrat Mag. Johann Maier und GenossInnen haben an mich eine schriftliche Anfrage betreffend „Betrug und Wirtschaftskriminalität in Österreichs Unternehmen“ gerichtet.

Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:

Zu 1:

Die Erscheinungsformen der Wirtschaftskriminalität sind vielfältig, die Bandbreite an einschlägigen Delikten enorm, zumal davon nicht nur die klassischen Wirtschaftsdelikte des Kernstrafrechtes wie Untreue, Betrug und Korruption umfasst sind, sondern auch Tatbestände des Nebenstrafrechts (insbesondere Immaterialgüterstrafrecht, Marken- und Produktpiraterie, Patent- und Musterstrafrecht oder unlauterer Wettbewerb). Ferner relevant sind gesellschaftsrechtliche Bestimmungen wie der Verstoß gegen Informationspflichten in Kapitalgesellschaften oder Anlegerschutzbestimmungen, Insiderstrafrecht, Finanzstrafrecht, Lebensmittel­strafrecht, Strafbestimmungen im Weingesetz sowie Umweltdelikte. Eine systematische und umfassende Auflistung der in den letzten Jahren  bzw. im Vorjahr bekannt gewordenen Fälle von Wirtschaftskriminalität ist mit vertretbarem Verwaltungsaufwand im Rahmen einer Anfragebeantwortung nicht zu bewerkstelligen.

Zu 2 und 5:

Das Bundesministerium für Justiz hat eine Arbeitsgruppe zur Reform der Inhaberaktie eingesetzt. Ziel ist die Verbesserung der Transparenz bei Aktiengesellschaften mit Inhaberaktien, wodurch die Aktionäre auch im Rahmen allfälliger strafbehördlicher Ermittlungsmaßnahmen leichter festgestellt werden können.

Eine weitere Arbeitsgruppe befasst sich mit der Entwicklung eines „Curriculums Wirtschaftsstrafrecht“, um ein maßgeschneidertes Aus- und damit auch Fortbildungsangebot zu bieten.

Angesichts der anstehenden Wirtschaftsgroßverfahren hat der Bundesminister für Finanzen Vizekanzler Dr. Pröll auf mein nachdrückliches Ersuchen zugestimmt, dem Justizressort finanzielle Ressourcen für insgesamt 70 zusätzliche Planstellen zur Verfügung zu stellen. In einem ersten Schritt konnten den Oberlandesgerichten und Oberstaatsanwaltschaften bereits insgesamt 15 – derzeit auf interministeriellen Planstellenbindungen basierende – zusätzliche Aufnahmemöglichkeiten für zwölf Staatsanwält/innen und drei Richter/innen zugewiesen werden.

Hinsichtlich der Systemisierung bei den einzelnen Dienststellen wurde eine Schwerpunktbildung im Bereich Wirtschaftssachen vorgenommen:

StA Wien                                                                                                 +6

Korruptions-StA                                                                                      +1

StA Graz (gebunden für StA Klagenfurt)                                              +1

StA Wels                                                                                                  +1

StA Salzburg                                                                                           +1

StA Innsbruck (gebunden für StA Klagenfurt)                                      +1

StA Innsbruck (gebunden für Zuteilung Generalprokuratur) +1

 

Handelsgericht Wien                                                                              +1

OLG-Sprengel Wien (Sprengelrichter)                                                +1

OLG-Sprengel Graz (Sprengelrichter)                                                 +1


Weiters wurden mit den Verantwortlichen des Bundeskanzleramtes, der Österreichischen Post AG und der Telekom Austria AG Gespräche geführt, um analog zum Modell mit dem Bundesministerium für Inneres insgesamt 35 Beamt/innen der Ämter gemäß Poststrukturgesetz in den Bereich des Bundesministerium für Justiz dienstzuzuteilen und in späterer Folge versetzen zu können. Die ersten Dienstzuteilungen erfolgen bereits Mitte April 2010 und sollen in erster Linie den mit Wirtschaftsverfahren derzeit besonders belasteten Landesgerichten und Staatsanwaltschaften (wie z.B. in Wien, aber auch in Klagenfurt) zu Gute kommen.

Die Umsetzung der nächsten Schritte – und zwar die Aufnahme weiterer 20 Akademiker/innen (mehrheitlich Staatsanwält/innen, aber auch Richter/innen) sowie die Umsetzung der im Zusammenhang mit dem „Runden Tisch“ im Bundeskanzleramt am 9. April 2010 zugestandenen weiteren Anhebung der Anzahl der Justizplanstellen um +81 - soll im Rahmen einer vom Nationalrat zu beschließenden Novelle des aktuellen Bundesfinanzgesetzes erfolgen.

Als weitere Reaktion auf die zunehmende Anzahl von wirtschaftsstrafrechtlichen Großverfahren soll ein 13-tägiger interdisziplinärer Fortbildungslehrgang „Wirtschaftsstrafrecht für Praktiker mit Praktikern“ für acht mit Wirtschafts- und Finanzstrafsachen befasste StaatsanwältInnen im Sprengel der Oberstaatsanwaltschaft Linz von April bis Dezember 2010 stattfinden.

Und nicht zuletzt sind gesetzliche Änderungen im Rahmen der Empfehlungen der FATF sowie eine Überarbeitung des Bilanzstrafrechtes (Zusammenfassung der in mehreren gesellschaftsrechtlichen Gesetzen enthaltenen Tatbestände in einen einzigen Straftatbestand) beabsichtigt.

Zu 3:

Das Bundesministerium für Justiz bietet keine Service- und Beratungsleistungen für Unternehmen an.

Zu 4:

Die strafrechtlichen Vorkehrungen, die sich insbesondere auf die Berücksichtigungswürdigkeit von und die Verpflichtung zu Ermittlungen nach anonymen Anzeigen beziehen, erscheinen derzeit ausreichend. Die diesbezügliche Lage ist jedoch stetig zu beobachten. Für allfällige dienst- oder arbeitsrechtliche Regelungen wäre das Bundeskanzleramt bzw. das Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz zuständig.


Zu 6:

Derzeit wird überlegt, Sonderabteilungen an den Staatsanwaltschaften am Sitz der vier Oberstaatsanwaltschaften zu schaffen, denen für den Sprengel der jeweiligen Oberstaatsanwaltschaft die Zuständigkeit für das Verfahren wegen bestimmter Wirtschaftsstrafsachen übertragen werden soll (Wirtschaftskompetenzzentren). Dadurch soll im Zusammenhang mit einem besonderen Ausbildungszweig (Curriculum Wirtschaftsstrafsachen) und nach ausländischen Vorbildern (Deutschland, Frankreich) dieser Bereich der Finanzkriminalität von besonders gut und speziell ausgebildeten Staatsanwältinnen und Staatsanwälten in Zusammenarbeit mit Fachkräften bearbeitet werden.

Zu 7:

Ich teile die zitierten Äußerungen in dieser Form nicht.

 

April 2010

 

 

(Mag. Claudia Bandion-Ortner)