4755/AB XXIV. GP

Eingelangt am 12.05.2010
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BM für Justiz

Anfragebeantwortung

 

 

DIE  BUNDESMINISTERIN
           FÜR  JUSTIZ

BMJ-Pr7000/0078-Pr 1/2010

 

An die

                                      Frau Präsidentin des Nationalrates

                                                                                                                           W i e n

 

zur Zahl 4816/J-NR/2010

Die Abgeordneten zum Nationalrat Dr. Johannes Jarolim und GenossInnen haben an mich eine schriftliche Anfrage betreffend „geeignete Reaktionsformen auf sexuellen Missbrauch insbesondere im kirchlichen Bereich“ gerichtet.

Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:

Zu 1:

Grundsätzlich wäre zu dieser Frage zu bemerken, dass - soweit der Zuständigkeitsbereich des BMJ betroffen ist - auch die Diskussionen am Runden Tisch vom 13. April 2010 ergeben haben, dass die Rechtslage auf dem Gebiet des Opferschutzes in Österreich europaweit vorbildlich ist. Verlangt sind Maßnahmen der verstärkten Sensibilisierung und der Förderung von Zivilcourage.

Zur Förderung der Kommunikation und auch zur rechtlichen Beratung wurde für den Sprengel jeder Staatsanwaltschaft die Einrichtung einer Kontaktperson für Fragen im Zusammenhang mit sexuellem Kindesmissbrach vorgesehen.


Zu 2:

Die für den von dieser Anfrage betroffenen Bereich relevante zivilrechtliche Verjährungsregelung des § 1489 zweiter Satz ABGB sieht eine Frist von 30 Jahren ab dem schädigenden Ereignis vor, wenn der Schade aus einer oder mehreren gerichtlich strafbaren Handlungen, die nur vorsätzlich begangen werden können und mit mehr als einjähriger Freiheitsstrafe bedroht sind, entstanden ist. Das trifft insbesondere auf den hier einschlägigen Straftatbestand des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses (§ 212 StGB) zu, der mit Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren bedroht ist. Bei einer bloß strafrechtlichen, nicht aber zivilrechtlichen Verjährung kann daher dennoch eine zivilrechtliche Verurteilung erfolgen.

Für Schadenersatzansprüche von Minderjährigen gegenüber mit der Obsorge betrauten Personen gilt zudem die Bestimmung des § 1495 ABGB. Ist der Täter ein Elternteil und besteht ein aufrechtes Obsorgeverhältnis, so ist der Lauf der Verjährung gehemmt.

Die bestehenden Regelungen werden derzeit für ausreichend erachtet.

Zu 3 bis 6:

§ 1328 ABGB sieht vor, dass derjenige, der jemanden durch eine strafbare Handlung oder sonst durch Hinterlist, Drohung oder Ausnutzung eines Abhängigkeits- oder Autoritätsverhältnisses zur Beiwohnung oder sonst zu geschlechtlichen Handlungen missbraucht, den erlittenen Schaden und den entgangenen Gewinn zu ersetzen sowie eine angemessene Entschädigung für die erlittene Beeinträchtigung zu leisten hat. Durch diese Bestimmung sollen die Willensfreiheit und Selbstbestimmung von Personen bezüglich ihrer Geschlechtssphäre geschützt und auch sexuelle Missbrauchshandlungen an Kindern und Jugendlichen erfasst werden.

Aus der Formulierung „angemessene Entschädigung für die erlittene Beeinträchtigung“ ergibt sich, dass auch ideelle Schäden zu ersetzen sind. Dazu zählen unter anderem Beeinträchtigungen des Opfers, die noch nicht als Beeinträchtigung der psychischen Gesundheit verstanden werden können, wie etwa bloße „Ungemach-“ oder „Unlustgefühle“. Weiterhin anwendbar bleibt die konkurrierende Norm des § 1325 ABGB (Schmerzengeld), wenn die Einwirkung in die psychische Sphäre über bloßes Unbehagen hinausgeht und ein Leidenszustand mit Krankheitswert vorliegt.


Durch diese umfassende, auf die Verletzung der geschlechtlichen Sphäre abstellende Regelung des § 1328 ABGB bietet das Schadenersatzrecht ausreichende rechtliche Möglichkeiten einer Entschädigung.

Zu 7:

Für den hier betroffenen Bereich des sexuellen Missbrauchs im kirchlichen Bereich ist dabei die Frage von Relevanz, ob bzw. inwieweit Schadenersatzansprüche auch gegen bestimmte Organisationen bzw. Institutionen geltend gemacht werden können.

Der Oberste Gerichtshof war bereits in der Rechtssache 3 Ob 120/06b mit Schadenersatzansprüchen einer ehemaligen Schülerin im Gymnasium eines Konvents konfrontiert, die sowohl gegenüber der Täterin, einer Ordensschwester und Lehrerin im Gymnasium des Konvents, als auch gegenüber dem Konvent selbst geltend gemacht wurden. Er stellte in seiner Entscheidung vom 13. September 2006 klar, dass die Bestimmung des § 1489 zweiter Satz ABGB (30-jährige Verjährungsfrist) nur dem Täter gegenüber, nicht aber gegenüber Personen, die ohne eigenes Verschulden oder kraft minderen Verschuldens mithaften, anzuwenden sei. Für diese - so auch für juristische Personen in Bezug auf ihre Funktionäre oder Erfüllungsgehilfen - gelte daher die dreijährige Verjährungsfrist. Die vom Berufungsgericht aufgeworfene Frage, ob hier die Erfüllungsgehilfenhaftung des § 1313a ABGB zum Tragen komme, wurde vom Obersten Gerichtshof unbeantwortet gelassen.

Wie im Regierungsprogramm vorgesehen wird die Diskussion über eine Reform des Schadenersatzrechts fortgeführt werden.

Zu 8 und 9:

Die Beantwortung dieser Fragen fällt nicht in den Zuständigkeitsbereich des Bundesministeriums für Justiz, sondern betrifft innere Angelegenheiten der katholischen Kirche, der alleine die Entscheidung über freiwillige Zahlungen und deren Handhabung obliegt.

. Mai 2010

(Mag. Claudia Bandion-Ortner)