4922/AB XXIV. GP
Eingelangt am 26.05.2010
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Bundeskanzler
Anfragebeantwortung
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An die Präsidentin des Nationalrats Maga Barbara PRAMMER Parlament 1017 W i e n |
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GZ: BKA-353.110/0081-I/4/2010 |
Wien, am 19. Mai 2010 |
Sehr geehrte Frau Präsidentin!
Die Abgeordneten zum Nationalrat Mag. Stadler, Kolleginnen und Kollegen haben am 25. März 2010 unter der Nr. 4991/J an mich eine schriftliche parlamentarische Anfrage betreffend verfassungswidrige Novelle zum Wiener Landessicherheitsgesetz gerichtet.
Diese Anfrage beantworte ich wie folgt:
Zu Frage 1:
Ø Welche Stellungnahme hat der Verfassungsdienst des Bundeskanzleramts im Rahmen des Begutachtungsverfahrens zum vorliegenden Entwurf einer Novelle zum Wiener Landes-Sicherheitsgesetz abgegeben? Wenn keine, warum nicht?
Ein Begutachtungsverfahren, in das das Bundeskanzleramt einbezogen gewesen wäre, hat bei dem gegenständlichen Gesetzesvorhaben nicht stattgefunden; daher wurde auch vom Bundeskanzleramt-Verfassungsdienst keine Stellungnahme zu einem solchen Begutachtungsentwurf abgegeben.
Zu den Fragen 2 und 3:
Ø Wie verhält sich die genannte Wegweisebeschreibung Ihrer Ansicht nach im Spannungsverhältnis zu den verfassungsmäßig gewährleisteten Grundrechten wie insbesondere dem Recht auf Freizügigkeit der Person, der Versammlungsfreiheit, der Meinungsfreiheit aber auch der Glaubens- und Gewissensfreiheit?
Ø Welche Maßnahmen werden Sie daher setzen, um zu verhindern, dass mit dieser offensichtlich verfassungswidrigen Novelle Grundrechte unzulässigerweise eingeschränkt werden?
Es ist im Rahmen des Interpellationsrechtes nach Art. 52 B-VG nicht Aufgabe des Bundeskanzlers, Rechtsakte, die im selbständigen Wirkungsbereich der Länder gesetzt werden, oder diesen vorausgehende Entwürfe rechtlich zu beurteilen. Allerdings gehört die Einhaltung der Bundesverfassung zu den Bundesinteressen, die im Rahmen der Handhabung des Einspruchsrechts der Bundesregierung nach Art. 98 Abs. 2 B-VG von Bedeutung sind.
Im konkreten Fall war davon auszugehen, dass verfassungsgesetzlich gewährleistete Rechte, insbesondere die in Frage 2 genannten Rechte auf Freizügigkeit der Person, Versammlungsfreiheit, Meinungsfreiheit sowie Glaubens- und Gewissensfreiheit durch die Regelungen über ein Wegweisungsrecht der Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes nicht in verfassungswidriger Weise beeinträchtigt werden.
Zum einen ist die Gewährleistung insbesondere der genannten Grundrechte keine schrankenlose, sondern ist deren Beschränkung nach den maßgeblichen Regelungen des Staatsgrundgesetzes über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger sowie der Europäischen Menschenrechtskonvention und deren Zusatzprotokollen aus bestimmten Gründen zulässig, etwa nach den jeweiligen Bestimmungen der zitierten Menschenrechtsinstrumente (Art. 9 Abs. 2, 10 Abs. 2 und 11 Abs. 2 EMRK, Art. 2 Abs. 3 4. ZProtEMRK) im Interesse der öffentliche Sicherheit und aus anderen näher umschriebenen öffentlichen Interessen oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer.
Zum anderen sind die im gegenständlichen Landesgesetz enthaltenen Ermächtigungen – wenn auch mittels unbestimmter Gesetzesbegriffe wie „unzumutbar“, „belästigen“ und „behindern“ – so umschrieben, dass sie jedenfalls einer verfassungskonformen Vollziehung zugänglich sind.
Ich habe daher im Verfahren nach Art. 97 und 98 B‑VG beantragt, die Bundesregierung wolle der Kundmachung des in Rede stehenden Gesetzesbeschlusses gemäß Art. 98 Abs. 3 B‑VG zustimmen und gleichzeitig die Zustimmung zu der im Gesetzesbeschluss vorgesehenen Mitwirkung von Bundesorganen gemäß Art. 97 Abs. 2 B‑VG erteilen; die Bundesregierung hat am 18. Mai 2010 in diesem Sinne einen Beschluss gefasst.
Mit freundlichen Grüßen