4936/AB XXIV. GP

Eingelangt am 02.06.2010
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BM für Finanzen

Anfragebeantwortung

 

Frau Präsidentin

des Nationalrates

Mag. Barbara Prammer                                                           Wien, am     Juni 2010

Parlament

1017 Wien                                                                GZ: BMF-310205/0088-I/4/2010

 

 

 

 

Sehr geehrte Frau Präsidentin!

 

 

Auf die schriftliche parlamentarische Anfrage Nr. 5066/J vom 16. April 2010 der Abgeordneten Dipl.-Ing. Gerhard Deimek, Kolleginnen und Kollegen beehre ich mich Folgendes mitzuteilen:

 

Zu 1. und 2.:

Die Auswirkung der Gruppenbesteuerung kann nur sehr grob geschätzt werden, weil sich aus den vorhandenen Daten nicht die fiktive Körperschaftsteuer nach Rechtslage 2004 – also vor Einführung der Gruppenbesteuerung – ermitteln lässt. Es kann grundsätzlich nur das Mehraufkommen ermittelt werden, das anfallen würde, wenn die Gruppenbesteuerung ersatzlos gestrichen würde (d.h. ohne Wiedereinführung der Organschaft) und wenn die sonstigen steuerlichen Möglichkeiten im Zusammenhang mit Beteiligungen, die innerhalb von Gruppen nicht bestehen (wie etwa Teilwertabschreibungen), abgeschafft würden. Abgesehen davon können etliche Gruppen wegen noch nicht abgeschlossener Veranlagung und
EDV-Erfassungsproblemen nicht in die Auswertung einbezogen werden. Aus der Hoch­rechnung der Auswertung der Veranlagungsdaten 2005 ergibt sich unter den oben genannten Annahmen (separate Besteuerung aller Körperschaften) ein Ausfall an Körper­schaftsteuer von grob 450 Millionen Euro. Diese Schätzung lässt jedoch unberücksichtigt, dass es sich um keine endgültigen Steuerausfälle handelt, und sie lässt auch unberücksichtigt, dass eine Abschaffung der Gruppenbesteuerung ohne Wiedereinführung der Organschaft sowie eine generelle Abschaffung von Teilwertabschreibungen steuerlich nicht sachgerecht und daher in der Praxis nicht realistisch wäre.

 

Beim Großteil des Ausfalls handelt es sich lediglich um eine zeitliche Verschiebung: Gruppen ermöglichen eine raschere Berücksichtigung von Verlusten, die sonst als Abzüge von Verlustvorträgen bei der jeweiligen Gesellschaft später steuerlich wirksam geworden wären. Daraus ergibt sich ein bloßer Stundungseffekt, den aber auch schon die alte Organschaft kannte. Bei Auslandsverlusten ist eine Nachversteuerung vorgesehen, sobald die Verluste in späteren Gewinnjahren im Ausland verwertet werden können oder das ausländische Gruppenmitglied aus der Gruppe ausscheidet. Um die Nachversteuerung sicherzustellen, wurden bereits verschiedene Maßnahmen gesetzt (z.B. wurde ein „wirtschaftliches Ausscheiden“ ausländischer Beteiligungen im Budgetbegleitgesetz 2009 vorgesehen, um eine Umgehung der Nachversteuerung durch wirtschaftliches Aushöhlen ausländischer Gruppenmitglieder zu verhindern).

 

Zu 3. und 4.:

Das Datenmaterial wurde vom Bundesministerium für Finanzen aus den Veranlagungen der Gruppen erhoben. Studien anderer Institute liegen nicht im Wirkungsbereich des Bundes-ministeriums für Finanzen; daher kann darüber keine Auskunft gegeben werden.

 

Zu 5.:

Die Grundlagen derartiger Schätzungen entziehen sich der Kenntnis des Bundesministeriums für Finanzen.

 

Zu 6.:

Im Rahmen der Gruppenbesteuerung kann die Berücksichtigung der Verluste ausländischer Gruppenmitglieder nicht isoliert betrachtet werden; vielmehr bildet diese mit der Nach-versteuerung der zugerechneten Auslandsverluste, wenn diese im Ausland verwertet werden können oder das ausländische Gruppenmitglied aus der Gruppe ausscheidet, ein geschlossenes System. Es kommt daher in der Regel nicht zu einer endgültigen Berücksichtigung von Auslandsverlusten.

 

Um sicherzustellen, dass es auch tatsächlich zu einer Nachversteuerung kommt, wurden – wie bereits erwähnt – verschiedene Maßnahmen gesetzt, wie etwa die Einführung der Nachversteuerung auch bei „wirtschaftlichem Ausscheiden“ ausländischer Gruppenmitglieder im Budgetbegleitgesetz 2009, die ein wirtschaftliches Aushöhlen ausländischer Gruppen-mitglieder unter Umgehung der Nachversteuerung verhindert. Auch der jüngst veröffentlichte KStR-Wartungserlass 2010 sieht Maßnahmen im Zusammenhang mit Strategien der Steuerpflichtigen zur Vermeidung der Nachversteuerung vor.

 

Zudem darf nicht übersehen werden, dass Teilwertabschreibungen auf Beteiligungen innerhalb einer Gruppe nicht steuerwirksam werden, außerhalb einer Gruppe aber steuerlich auf sieben Jahre verteilt abzugsfähig sind. Würden sich die Osttöchter der Banken nicht in einer Gruppe befinden, wäre in manchen Fällen wohl eine Teilwertabschreibung auf die Beteiligung möglich, die ihrerseits wieder steuerwirksam wäre.

 

Zu 7. bis 9.:

Das französische Modell der Gruppenbesteuerung sieht vor, dass nicht nur Verluste nach Frankreich transferiert werden, sondern auch die Gewinne ausländischer Tochtergesell-schaften in Frankreich besteuert werden. Dieses Konzept ähnelt den dänischen und den italienischen Gruppenbesteuerungssystemen, die auch die zwangsweise Einbeziehung aller (ausländischen) Konzerngesellschaften vorsehen.

 

Bei solchen Gruppenbesteuerungssystemen kommt es stets zu einer Hochschleusung auf das inländische, im gegebenen Fall hohe französische Steuerniveau. Diese Modelle werden daher als unattraktiv erachtet; dementsprechend wird vielfach auf eine Inanspruchnahme des französischen Gruppenbesteuerungsregimes verzichtet (siehe dazu mit weiteren Nachweisen Kessler, Gruppenbesteuerungssysteme im internationalen Vergleich, in Wiesner/Kirchmayr
/Mayr [Hrsg.] Gruppenbesteuerung [2009] 491 [496]).

 

Überdies stellt sich die Frage, ob ein solches Modell mit dem österreichischen Netz an Doppelbesteuerungsabkommen, das weitgehend die Anwendung der Befreiungsmethode vorsieht, vereinbar wäre, zumal im französischen Modell in Hinblick auf die ausländischen Gruppenmitglieder immer die Anrechnungsmethode angewendet würde. Vor diesem
Hintergrund erscheint die Aufgabe des attraktiven, erfolgreichen österreichischen Gruppen-besteuerungssystems zugunsten des als unattraktiv wahrgenommenen französischen Modells nicht empfehlenswert.

 

Mit freundlichen Grüßen

 

Josef Pröll eh.