4994/AB XXIV. GP
Eingelangt am 15.06.2010
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BM für Gesundheit
Anfragebeantwortung

Alois Stöger diplômé
Bundesminister
Frau
Präsidentin des Nationalrates
Maga. Barbara Prammer
Parlament
1017 Wien
Wien, am 15
GZ:BMG-11001/0105-I/5/2010
Sehr geehrte Frau Präsidentin!
Ich beantworte die an mich gerichtete schriftliche parlamentarische Anfrage Nr. 5071/J der Abgeordneten Dr. Karlsböck und weiterer Abgeordneter nach den mir vorliegenden Informationen wie folgt:
Generell ist das meinem Ressort nachgeordnete Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen (BASG) zuständig und hat mir die Daten für diese Anfragebeantwortung zu den Fragen 2 bis 8 mit dem Erhebungsstichtag 30.04.2010 mitgeteilt.
Frage 1:
Das Bundesministerium für Gesundheit hat zur notwendigen Fachinformation über die „Pille danach“ 32.499 Euro verwendet.
Frage 2:
Die im Jahre 2002 gestellten Anträge auf Rezeptfreistellung waren von der Zulassungsbehörde (zunächst Gesundheitsressort und ab 1. Jänner 2006 Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen) gemäß § 2 Abs. 2 Rezeptpflichtgesetz zu prüfen und einer Entscheidung zuzuführen. Im Zuge des diesbezüglichen Verfahrens wurden zusätzlich zum bereits verfügbaren bzw. vom Zulassungsinhaber beigebrachten wissenschaftlichen Erkenntnismaterial auch drei im Wege des Obersten Sanitätsrates und der Rezeptpflichtkommission eingeholte externe Sachverständigengutachten in die Entscheidungsfindung mit einbezogen. Alle in Rede stehenden Gutachten kamen übereinstimmend zum Ergebnis, dass eine Rezeptfreistellung medizinisch vertretbar ist.
Frage 3:
Folgende zwei internationale Studien wurden an unter 18-jährigen Mädchen durchgeführt:
· Die Studie 2006-003387-55, die in UK und Irland durchgeführt wurde, erfasste insgesamt 2044 Teilnehmerinnen im gebährfähigen Alter, einschließlich unter Achtzehnjährige, davon 1800 in der EU und 200 in Irland. " A Prospective, Randomized, Single Blind, Multicenter Study to Compare the Efficacy, Safety and Tolerability of CDB-2914 with Levonorgestrel as Emergency Contraception Within 120 Hours Unprotected Intercourse ” EudraCT number : 2006-003387-55 Protocol code : 2914-004
· Emergency contraception with levonorgestrel in adolescents, Tanchev S. Akush Ginekol 2004; 43 Suppl 3:41-4. The safety profile of Norlevo® in this teenagers group was comparable to that already known. (PRAR 30. March 2009)
Frage 4:
Diesbezügliche klinische Studien an Schwangeren selbst werden und wurden aus ethischen Gründen international nicht durchgeführt.
Im Rahmen der Pharmacovigilanz wurden weltweit Berichte über Schwangerschaften nach Notfallkontrazeption (mit Levonorgestrel) und deren Ausgang gesammelt und den Behörden in regelmäßigen Abständen vorgelegt. Aus den vorliegenden Daten ergaben sich keine Anhaltspunkte die auf eine besondere Gefahr schließen lassen.
In einer retrospektiven observationalen Cohorten Studie (De Santis M. et. al.: Failure of the emergency contraceptive levonorgestrel and the risk of adverse effects in pregnancy and on fetal development; Fertil. Steril. 84: 296.299; 2005) kamen die Autoren zu folgendem Schluss:
Die Tatsache, dass nach Einnahme von Levonorgestrel (1x1,5 mg oder 2x0,75 mg) als Notfallkontrazeption eine Schwangerschaft eintrat, hatte für das Kind keine negativen Auswirkungen. Es traten keine kindlichen Fehlbildungen auf, noch kam es zu präpartalen oder peripartalen Komplikationen. Die Rate an Schwangerschaftsabbrüchen war in der Notfallkontrazeptionsgruppe gleich hoch wie in der Vergleichsgruppe ohne Notfallkontrazeption
Frage 5:
Dazu zitiere ich aus einem der in das gegenständliche Verfahren eingeflossenen Gutachten:
· Die moderne Notfallkontrazeption ist bei korrekter Anwendung eine sichere Methode, eine ungewünschte Schwangerschaft nach ungeschütztem Geschlechtsverkehr zu verhindern und damit die Wahrscheinlichkeit einer späteren Interruptio (Schwangerschaftsabbruch) zu senken.
· Die höchste Wirksamkeit der Notfallkontrazeption ist bei präovulatorischer Einnahme gegeben, wobei in der Praxis auf eine möglichst rasche Einnahme nach stattgefundenem ungeschützten Geschlechtsverkehr zu achten ist.
· Die Verabreichung von Levonorgestrel in einer einmaligen Dosierung von 1,5 mg oder 2x75 mg ist medizinisch unbedenklich.
· Die Erfahrungen aus den anderen europäischen und nicht europäischen Ländern, in denen schon seit Jahren Notfallkontrazeption ohne ärztliche Verordnung erhältlich ist, zeigen, dass diese Vorgehensweise unbedenklich ist .
· Es ist eine Tatsache, dass durch die Verschreibungspflicht die rasche und zeitgerechte Verfügbarkeit für viele Frauen nicht gegeben ist.
· Auch die repetitive Anwendung ist medizinisch vertretbar, sollte aber andere Methoden der Verhütung nicht ersetzen.
Frage 6:
Levonorgestrel ist seit Jahrzehnten als Bestandteil von Verhütungsmitteln in medizinischer Verwendung. In vielen Ländern wird die „Pille danach“ rezeptfrei angeboten. Aus den weltweit im Rahmen der Pharmakovigilanz gesammelten Daten ergeben sich keine Hinweise auf schwerwiegende gesundheitliche Folgen weder bei erwachsenen Frauen, noch bei Mädchen unter 18 Jahren nach wiederholter Anwendung.
Frage 7:
Durch die Abgabe der Notfallkontrazeption in der Apotheke, verbunden mit der eingehenden Beratung durch den/die Apotheker/in, bleibt das Sicherheitsnetz gewahrt. Warnhinweise und Vorsichtmaßnahmen sowie auch der Hinweis bei Unklarheiten den/die Arzt/Ärztin zu kontaktieren finden sich auch in der Gebrauchsinformation ausreichend beschrieben.
Einhergehend mit der Rezeptfreistellung habe ich alle Apotheker/innen informiert und auf ihre diesbezügliche Aufklärungs- und Beratungspflicht hingewiesen.
Um Frauen und Mädchen über die richtige Anwendung und mögliche Komplikationen zu informieren wurde von mir eine entsprechende Informationskampagne gestartet.
Frage 8:
In zahlreichen klinischen Studien wurde der Einfluss von Vorab-Bereitstellung von Notfall-Kontrazeption im Vergleich zur Abgabe auf Anfrage oder bei Bedarf in Kliniken bzw. Apotheken mit Beratung in Bezug auf sexuell übertragbare Krankheiten, Sexual- und Verhütungsverhalten untersucht.
Vorab-Bereitstellung hat weder zu vermehrtem Auftreten von sexuell übertragbaren Krankheiten, noch zu erhöhter Frequenz von ungeschütztem Verkehr oder zu Änderungen der Verhütungsmethode geführt. Frauen, die die Notfall-Kontrazeption vorab zur Verfügung gestellt bekamen, benutzten Kondome genauso häufig wie Frauen ohne mögliche Notfall-Kontrazeption. Die Autoren befürworten den einfachen Zugang zu Notfall-Kontrazeption und stellen fest, dass eine Vorab-Bereitstellung keinen negativen Einfluss auf das Sexualverhalten und die sexuelle Gesundheit hat.
Es kann daher nicht behauptet werden, dass es auf Grund der Rezeptfreistellung zu einem erhöhten Auftreten von sexuell übertragbaren Krankheiten kommen wird.
Dazu einige Studien:
· Cochrane Database Syst Rev 2007 Apr 18; Advance provision of emergency contraception for pregnancy prevention; Polis CB, et. al.
· AJPH March 2009; The effect of Access to Emergency Contraceptive Pills on Women´s Use of Highly Effective Contraceptives: Results From a French National Cohort Study; Moreau C, et. al.
· J Pediatr Adolesc Gynecol. 2005 Oct; Advance supply of emergency contraception: a randomized trial in adolescent mothers; Belzer M, et. al
· 14th world congress of Gynecological Endocrinology, March 2010; Emergeny contraception: a real need for a second chance – Epidemiological evidence; Moreau C.
Frage 9:
Ziel der Informationskampagne ist es falsche Informationen, v.a. zur „Gefährlichkeit“ richtigzustellen. Die „Pille danach“ ist, bei richtiger Anwendung, eine sichere Methode um ungewollte Schwangerschaften zu verhindern. Jede Frau, die Informationen zur „Pille danach“ braucht, soll diese schnell und unkompliziert erhalten. Informationen zur „Notfallpille“ sind daher auch durch das, von mir geschaffene Gesundheitsportal www.gesundheit.gv.at jederzeit abrufbar. Eine eigene, von Fachexperten überprüfte Website http://www.notfallpille.at oder https://www.gesundheit.gv.at/Portal.Node/ghp/public/content/Pille_danach.html wurde extra diesem Thema gewidmet. Über diese Webseite kann auch ein kostenloser Informations-Folder heruntergeladen werden.
Die Zugriffszahlen von 01.02.2010 bis 10.06.2010 von insgesamt 3058 Zugriffe auf diese Seite und insgesamt 255 Zugriffe auf den angebotenen Folder zeigen den hohen Informationsbedarf, dem ich mit dieser Kampagne Rechnung getragen habe.