5076/AB XXIV. GP
Eingelangt am 23.06.2010
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BM für Gesundheit
Anfragebeantwortung

Alois Stöger diplômé
Bundesminister
Frau
Präsidentin des Nationalrates
Maga. Barbara Prammer
Parlament
1017 Wien
GZ: BMG-11001/0129-I/5/2010
Wien, am 22. Juni 2010
Sehr geehrte Frau Präsidentin!
Ich beantworte die an mich gerichtete schriftliche parlamentarische
Anfrage Nr. 5190/J der Abgeordneten Mag. Johann Maier und GenossInnen nach den mir vorliegenden Informationen wie folgt:
Fragen 1 und 2:
Auf dem Europäischen Markt wird derzeit eine Transglutaminase-Zubereitung angeboten, die durch Fermentation von Stärke und weiteren Substraten mit dem nicht gentechnisch veränderten Mikroorganismus Streptoverticillium mobaraense gewonnen wird. Diese und ähnliche Enzymzubereitungen können grundsätzlich auch z.B. zur Restrukturierung bei Rohschinken, Schweinefleisch und Fisch verwendet werden. Ihr Einsatz kann anhand der makroskopischen und mikroskopischen Beschaffenheit bei Rohschinken erkannt werden. Ein analytischer Nachweis ist nicht möglich.
Im Rahmen einer Schwerpunktaktion „Klebefleisch“ wird derzeit die Situation der Anwendung in Österreich erhoben.
Frage 3:
Gemäß der neuen Enzymverordnung (EG) Nr. 1332/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über Lebensmittelenzyme gelten Lebensmittelenzyme, die zu technologischen Zwecken eingesetzt werden, als Zutat und sind - vergleichbar mit den Lebensmittelzusatzstoffen - in der Zutatenliste zusammengesetzter Lebensmittel zu kennzeichnen. Es ist ein Klassenname gefolgt von der spezifischen Bezeichnung des Enzyms in der Zutatenliste anzugeben. Aus der Sicht meines Ressorts haben derartige Fleischzubereitungen („Klebefleisch“) und Fischerzeugnisse in der Sachbezeichnung bzw. in der Zutatenliste daher entsprechende Informationen für die Verbraucher/innen zu enthalten.
Fragen 4, 5 und 6:
Gemäß der neuen Enzymverordnung (EG) Nr. 1332/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über Lebensmittelenzyme müssen künftig Lebensmittelenzyme, die zu technologischen Zwecken eingesetzt werden, EU-weit zugelassen werden.
Dies gilt auch für bereits auf dem Markt existierende Produkte. Die Frist für die Vorlage von Anträgen für die Zulassung der bereits verwendeten Lebensmittelenzyme beträgt 24 Monate ab dem Zeitpunkt der Anwendbarkeit der gemäß der Verordnung über ein einheitliches Zulassungsverfahren für Lebensmittelzusatzstoffe, -enzyme und –aromen (VO (EG) Nr. 1331/2008) zu erlassenden Durchführungsbestimmungen (voraussichtlich Dezember 2012).
Das Zulassungsverfahren umfasst alle Lebensmittelenzyme, auch jene, die als Verarbeitungshilfsstoffe verwendet werden. Es dürfen nur solche Lebensmittelenzyme eingesetzt werden, die in ihrer Verwendung sicher sind, es muss eine technologische Notwendigkeit für ihre Verwendung geben, und die Verbraucherinnen und Verbraucher dürfen durch den Einsatz nicht irregeführt werden. Die entsprechende Risikobewertung ist von der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) durchzuführen. Bei der gesundheitlichen Bewertung stehen die Dosierung, die Herkunft (Fremdeiweiß) sowie mögliche Nahrungsmittelunverträglichkeiten im Mittelpunkt der Betrachtungen.
Neben dem gesundheitlichen Aspekt werden in den nationalen und europäischen Facharbeitsgruppen intensiv der Aspekt des Verbraucher/innennutzens, die Dimension des Missbrauchspotentials, die Grenzen der Anwendung sowie der Status als Verarbeitungshilfsstoff diskutiert. In diesen Diskussionen setzte ich mich grundsätzlich für den Schutz der Verbraucher/innen vor Täuschung ein.
Ich befürworte Zulassungsverbote von Enzymen, deren Sicherheit fraglich ist. Österreich hat sich seit Beginn der Verhandlungen zum sogenannten „Zusatzstoffpaket“ („FIAP – Food Improvement Agents Package“) für ein Zulassungssystem für Enzyme analog jenem für Zusatzstoffe ausgesprochen. Die neue Enzymverordnung bringt nun erstmals auch ein solches Zulassungsverfahren. Das ist aus meiner Sicht ein Erfolg für die europäischen Verbraucherinnen und Verbraucher und erhöht das Vertrauen in die europäische Lebensmittelproduktion. Derzeit ist kein derartiges Zulassungsverfahren anhängig.
Eine Verwendung von als sicher bewerteten Enzymen z.B. auch zur Restrukturierung bei Schinken- oder Fischprodukten ist aus meiner Sicht akzeptabel, sofern Verbraucher/innen nicht getäuscht werden. Ich vertrete hier den Standpunkt, dass nur eine klare und wahrheitsgemäße Kennzeichnung, die auch die Art der Herstellung umfasst, den Konsumentinnen und Konsumenten eine informierte Kaufentscheidung ermöglichen kann.
Eine klare Kennzeichnung einerseits und die Forcierung von Qualitäts- und Gütesiegelprogrammen andererseits können aus meiner Sicht im Sinne bewusster Kaufentscheidungen der Konsumentinnen und Konsumenten auch dazu beitragen, dass der Preiskampf im Lebensmittelhandel langfristig nicht zu Lasten der Qualität der Erzeugnisse geht. Aus diesem Grund setze ich mich auch für ein neues Gütezeichengesetz ein, das staatliche Gütezeichen für Qualitätsprodukte ermöglicht und diese entsprechend absichert.
Ich möchte hier nicht unerwähnt lassen, dass das Europäische Parlament unlängst einen Vorschlag der Kommission, Schweine- und Rinderthrombin (kann als „Fleischkleber“ eingesetzt werden) auf die Liste der zugelassenen Zusatzstoffe zu setzen, abgelehnt hat. Es handelte sich hierbei nicht um eine Abstimmung im Zusammenhang mit dem neuen Zulassungsverfahren für Enzyme. Der Hersteller hatte eine Zulassung als Zusatzstoff beantragt. Eine ganze Reihe von Zusatzstoffen wurde dem Parlament zur Annahme vorgelegt. Für alle lag eine positive Bewertung durch die EFSA vor, ebenso wie eine Zustimmung der Mitgliedsstaaten. Für Thrombin wäre ein Einsatz nur bei verpackten Produkten vorgesehen gewesen, ebenso wie eine Kennzeichnung dieser Produkte – darauf hatte unter anderem auch Österreich bestanden. Das Europaparlament hat sich mit knapper Mehrheit (eine Stimme) gegen den gesamten Vorschlag zur Erweiterung der zugelassenen Zusatzstoffe ausgesprochen. Eine Ablehnung einzelner Zusatzstoffe durch das Parlament ist nicht möglich – es kann nur den gesamten Vorschlag annehmen oder ablehnen. Diese Abstimmung ist die erste dieser Art im Europaparlament, die Änderungen der Liste der zugelassenen Zusatzstoffe erfolgte bisher im Mitentscheidungsverfahren und wird nunmehr, wie bei technischen Anpassungen üblich, gemäß dem Regelungsverfahren mit Kontrolle durchgeführt. Die Abstimmung ist daher in gewisser Weise auch als eine Demonstration des Parlaments zu sehen, dass man vom Ablehnungsrecht durchaus auch Gebrauch macht.