5092/AB XXIV. GP

Eingelangt am 23.06.2010
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BM für Verkehr, Innovation und Technologie

Anfragebeantwortung

GZ. BMVIT-9.500/0006-I/PR3/2010    

DVR:0000175

 
 

 


An die

Präsidentin des Nationalrats

Mag.a  Barbara PRAMMER

Parlament

1017    W i e n

 

Wien, am     . Juni 2010

Sehr geehrte Frau Präsidentin!

 

Die Abgeordneten zum Nationalrat Bucher, Kolleginnen und Kollegen haben am 23. April 2010 unter der Nr. 5129/J an mich eine schriftliche parlamentarische Anfrage betreffend tagelanges Vulkanasche-Chaos im Luftverkehr gerichtet.

 

Diese Anfrage beantworte ich wie folgt:

 

Zu Frage 1:

Ø  Wann verfügte die Austro Control GmbH erstmals über Informationen über eine mögliche Bedrohung des österreichischen Luftraumes durch die Vulkanasche-Wolke aus Island?

 

Ab 14.4.2010 wurde aufgrund der vorherrschenden nordwestlichen Großwetterlagen die Beobachtung der Vulkanaschewolke durch die meteorologische Abteilung der Austro Control GmbH (ACG) intensiviert. Mit 16.4.2010 zeichnete sich durch die Auswirkungen der Vulkanaschewolke eine Bedrohung für die Sicherheit der Luftfahrzeuge im innerstaatlichen Luftraum ab.

 

Zu den Fragen 2 bis 4, 12 und 13:

Ø  Welche konkreten Maßnahmen wurden seitens der österreichischen Flugsicherheitsbehörden und Ihrem Ressort bis zur Sperre des österreichischen Luftraumes jeweils wann genau gesetzt?

Ø  Welche Erkenntnisse über die Gefahren für den Flugverkehr lagen aufgrund dieser innerstaatlichen Maßnahmen jeweils zu welchem Zeitpunkt vor?

Ø  Welche Informationen aus dem Ausland und aus der EU lagen den österreichischen Behörden jeweils ab wann zur Beurteilung des Risikos vor?

Ø  Ist es richtig, dass die Entscheidung über die Luftraumsperre in Österreich ohne eigene Erkenntnisse allein auf Basis einer britischen Computersimulation und vor allem ohne konkretes Wissen über die Aschewolke erfolgte?

Ø  Halten Sie es angesichts eines Vorlaufs von mehreren Tagen bis zu einer Gefährdung österreichischen Luftraums und der klarerweise dramatischen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Auswirkungen einer Luftraumsperre für vertretbar, auf einer derart „dünnen“ Grundlage zu entscheiden?

 

 

Oberste Handlungsmaxime des BMVIT sowie der ACG ist die Gewährleistung der Sicherheit des österreichischen Luftverkehrs sowie der Schutz der Passagiere, der Besatzungen und der österreichischen Bevölkerung. Entsprechend sind Maßnahmen zu setzen, sobald Gründe vorliegen, die eine uneingeschränkte Gewährleistung dieser Sicherheitsstandards in Zweifel ziehen.

Am 15.4.2010 wurde in Absprache mit meinem Ressort ein permanenter Krisenstab in der ACG für den Fall erforderlicher Maßnahmen eingesetzt. Dieser beinhaltete auch die Etablierung einer Kommunikationsschiene, um entsprechende Informationen an die betroffene Luftverkehrswirtschaft und die Öffentlichkeit rasch weiterzuleiten.

Die Basis für die weitere Vorgehensweise bildete der volcanic ash contigency plan EUR region (ICAO EUR DOC 019) basierend auf Empfehlungen des Volcanic Ash Advisory Center London, die abgestimmte Vorgangsweise mit den umliegenden Flugsicherungen in den Nachbarstaaten und der EUROCONTROL.

 

Zu den Fragen 5 bis 10, 16, 17 und 21:

Ø  Welche konkreten Entscheidungen betreffend den Flugverkehr in Österreich wurden von den österreichischen Flugsicherheitsbehörden jeweils zu welchem Zeitpunkt zwischen dem Entstehen der ersten Aschewolken am 13. April und der Aufhebung der Sperren im österreichischen Luftraum getroffen?

Ø  Welche Erkenntnisse über den Gehalt der Aschewolke, das Risiko für einzelne Flugzeugtypen und die Wahrscheinlichkeit einer Betroffenheit des österreichischen Luftraums lagen den Flugsicherheitsbehörden bei Erlassung der Luftraumsperre vor?

Ø  Welche Behörden und Betroffene von der Luftraumsperre wurden vor der Verhängung der Sperre einbezogen bzw. gehört?

Ø  Wurden insbesondere die Fluglinien und Flughäfen gehört?

Ø  Wurde ein Krisenstab eingerichtet? Wenn ja, wann wurde er eingesetzt und wann hat er unter Beteiligung welcher Personen getagt?

Ø  Welche Entscheidungen hat der Krisenstab jeweils getroffen?

Ø  Welche Gründe gab es, den Fluglinien AUA und FLYNIKI die Durchführung von Überstellungsflügen erst verspätet zu erlauben?

Ø  Welche Informationen haben zur Entscheidung geführt, die österreichischen Flughäfen für Starts und Landungen wieder zu öffnen?

Ø  Werden Sie sich für die Gewährung einer finanziellen Hilfe für die betroffenen Wirtschaftsbereiche einsetzen?


Freitag – 16.4.2010

Erste Informationen über mögliche Kontaminierungen des österreichischen Luftraums durch die vom isländischen Vulkan Eyjafjälla emittierte Vulkanasche-Wolke erfolgten am Freitag Früh durch das Volcanic Ash Advisory Centres (VAAC) in London.

 

Sofort wurden die entsprechenden Krisenstäbe einberufen, um die Situation eingehend zu analysieren und die nächsten Schritte zu beraten. TeilnehmerInnen der Krisensitzungen waren neben VertreterInnen der Obersten Österreichischen Zivilluftfahrtbehörde/ BMVIT und der Austro Control GmbH (ACG) auch die VertreterInnen der Flughäfen sowie der Airlines.

 

Neben den bereits geschlossenen Lufträumen im Norden Europas wurden die Lufträume von Tschechien, Slowakei und der Schweiz im Laufe des Tages ebenso geschlossen wie ein Großteil des deutschen Luftraumes inklusive Frankfurt. Der süddeutsche Luftraum mit München folgte am Abend und in weiterer Folge die Lufträume von Norditalien, Slowenien, Kroatien, Ungarn, die Ukraine, Estland, Lettland sowie Weißrussland.

 

Nach eingehender Überprüfung der Lage und in enger Abstimmung mit den Flughäfen und den Airlines wurde die Entscheidung getroffen, den Luftraum schrittweise zu schließen.

 

Um 16:43 Uhr wurden mittels NOTAM (Notice to Airmen) diese Informationen in der luftfahrtüblichen Weise publiziert.

 

Mit 18:00 Uhr wurde im Sinne der höchstmöglichen Sicherheit für Flugzeuge und Passagiere der österreichische Luftraum zukzessive gesperrt. Maschinen, die sich zu diesem Zeitpunkt im österreichischen Luftraum befanden, wurden von der österreichischen Flugsicherung zur Landung aufgefordert. In weitere Folge wurden die österreichischen Flughäfen für Starts und Landungen gesperrt (18:45 Uhr Wien und Linz, um 19:00 Uhr Salzburg und Innsbruck sowie um 22:00 Uhr Graz und Klagenfurt).

Samstag – 17.4.2010

In laufenden Krisensitzungen wurde die aktuelle Lage aufgrund neuer Daten evaluiert und neu bewertet. Darauf basierend wurde die Luftraumsperre verlängert.

 

Eine Maschine der Ural Air, die in Wien aus Sicherheitsgründen landen musste, wurde von den Experten der ACG darauf hin eingehend im Hinblick auf mögliche, durch Vulkanasche verursachte, Schäden untersucht.


Sonntag – 18.4.2010

Angesichts dieser Untersuchungsergebnisse und zahlreicher Überstellungsflüge im benachbarten Ausland hat die ACG auch inländische Überstellungsflüge (ohne Passagiere) gestattet.

 

Montag – 19.4.2010

Aufgrund der genannten Untersuchungsergebnisse, aufgrund von Messergebnissen des meteorlogischen Institutes am Sonnblick und aufgrund eines Testfluges mit einem technisch entsprechend ausgestatteten Hubschrauber von Zell am See nach Wien wurde entschieden, ab Montag früh 05.00 Uhr die österreichischen Flughäfen für Starts und Landungen wieder zu öffnen.

 

Vulkanasche ist für Flugzeuge äußerst gefährlich. Die Asche ist für den Piloten am Wetterradar nicht erkennbar. Triebwerke können dadurch erheblich beeinträchtigt werden, wenn aufgrund der Verunreinigung nicht genügend Luft in die Triebwerke gelangt. Das kann in letzter Konsequenz bis zu einem Triebwerksausfall führen. Ebenso kann die Asche die Geschwindigkeitsmesssonden an der Außenhaut des Flugzeuges verkleben. Bei zu geringer Geschwindigkeit kommt es zum Strömungsabriss, bei zu hoher kann das Flugzeug beschädigt werden.

 

EU-Sonderverkehrsministerrat am 19. April 2010

Im Rahmen des von der spanischen Präsidentschaft einberufenen Sonderministerrates, der als Videokonferenz abgehalten wurde, haben sich die MinisterInnen auf eine verstärkt koordinierte Reaktion auf diese Krisensituation verständigt. Der Sicherheitsgedanke wurde hierbei ausdrücklich unterstrichen.

 

EU-Sonderverkehrsministerrat am 04. Mai 2010

Ich habe mich am EU-Sonderverkehrsministerrat am 04. Mai 2010, welcher sich ausschließlich mit den Auswirkungen der Vulkanasche im europäischen Luftraum beschäftigte, dafür eingesetzt, dass künftig ein einheitliches Konzept zu verfolgen wäre, um Risiken besser einschätzen zu können. Auf vier Maßnahmen habe ich im Besonderen hingewiesen:

 

1. Risikobewertung: Ich habe die Gründung einer Arbeitsgruppe von Experten der Eurocontrol, der EASA, der Mitgliedstaaten, der ICAO und der Industrie unterstützt. Letztlich sollte Europa im nächsten Krisenfall über die geeigneten Messinstrumente und Flugzeuge verfügen können – zudem sollten in Zusammenarbeit mit den Triebwerksherstellern verbindliche Partikelkonzentrations-Grenzwerte für Vulkanasche entwickelt werden.

 

2. Fluggastrechte: Ich habe mich dafür eingesetzt, dass die Passagierrechte voll eingehalten werden und dass darauf geachtet werden muss, dass die wirtschaftlichen Nachteile, die in dieser Krisensituation eingetreten sind, nicht zu Lasten der Passagiere als „schwächste Glieder“ in der Transportkette gehen. Außerdem könnte eine Nichtanwendung der Vorschriften durch einige Marktteilnehmer zu Wettbewerbsverzerrungen führen. Zusätzlich darf es keine Verschlechterung der Position des Fluggastpassagiers bei künftigen Änderungen der EU-Fluggastrechte-Verordnung geben.

 

3. Einheitlicher Europäischer Luftraum (SES II): Ich habe mich für eine Beschleunigung von SES II ausgesprochen, um damit auch künftig eine verbesserte Koordination im Krisenfall zu gewährleisten. Die Funktion des Netzwerkmanagements stellt hierfür eine geeignete Grundlage dar. Eine abgestimmte und einheitliche Vorgehensweise im Bereich der europäischen Luftfahrt und der Flugsicherung ist vor dem Hintergrund der aktuellen Ereignisse unabdingbar.

 

4. Staatliche Beihilfen: Ich habe, wie einige andere Mitgliedstaaten, Bedenken gegenüber einer Gewährung staatlicher Beihilfen zur Abdeckung von Verlusten der von der gegenwärtigen Krisensituation betroffenen Unternehmen geäußert. Eine derartige Maßnahme birgt die Gefahr von Wettbewerbsverzerrungen in sich und würde eine Vielzahl von Fragen und Konfliktpotentialen aufwerfen.

Der Rat konnte sich abschließend auf gemeinsame Schlussfolgerungen einigen.

 

Zu Frage 11:

Ø  Inwieweit waren Sie als Verkehrsministerin in die Entscheidungsfindung eingebunden? An welchen Sitzungen haben Sie selbst teilgenommen bzw. welche Gespräche haben Sie zum Thema der Luftraumsperre jeweils wann und mit welchem Ergebnis geführt?

 

Als verantwortliche Ressortministerin hielt ich sowohl mit der Geschäftsführung der ACG als auch mit den involvierten Mitarbeiter/innen meines Hauses laufend Kontakt und war entsprechend in die Entscheidungsfindung eingebunden.

 

Zu den Fragen 14 und 15:

Ø  Welche Argumente haben gegen Gutachten über die Beschaffenheit der Aschewolke und ihre potentielle Gefährlichkeit für Flugzeuge noch vor Verhängung der Luftraumsperre gesprochen?

Ø  Aus welchem Grund wurden nicht wenigstens rasch nach Verhängung der Luftraumsperre mit Messflügen im In- oder Ausland eine bessere Beurteilung der Lage ermöglicht?

 

 

Nachdem in Österreich keine Luftfahrzeuge mit den erforderlichen Messinstrumenten ausgerüstet waren, waren zum damaligen Zeitpunkt auch keine Messflüge möglich.

 

Zu Frage 18:

Ø  Ist es richtig, dass Österreich nach derzeitigem Wissensstand wetterbedingt eigentlich von der Rauchwolke nie betroffen war?


Die Messergebnisse vom Observatorium am Sonnblick bestätigten eine erhöhte Konzentration von Aschestaubpartikeln. Es wurde eine deutliche Konzentration der Teilchenzahl besonders für Teilchen über 5µm gemessen.

 

Zu den Fragen 19 bis 20:

Ø  Gehen Sie davon aus, dass die wirtschaftlich schwer getroffenen Luftfahrtunternehmen angesichts dieser Hindergründe der Luftraumsperre Schadenersatzforderungen erheben werden oder liegen Ihnen derartige Forderungen bereits vor? Wenn ja, in welcher Höhe bewegen sich die Forderungen?

Ø  Welche Informationen über die Höhe der entstandenen Schäden liegen Ihnen bisher vor?

 

 Derzeit sind keine Schadensersatzforderungen an uns herangetragen worden.

 

Zu den Fragen 22 bis 24:

Ø  Welche Vorkehrungen wurden getroffen, damit Fluggäste durch die Luftraumsperre möglichst wenig Nachteile erleiden?

Ø  Wie wurde insbesondere eine geordnete Information der Fluggäste sichergestellt, um mehrfache Flughafenfahrten und zusätzliche Kosten zu vermeiden?

Ø  Wird eine direkte Information der betroffenen Fluggäste über ihre Rechte und Pflichten im Zusammenhang mit dem Luftraumsperren erfolgen? Wenn nein, warum nicht?

 

 

Rechte der Passagiere

Auf der Homepage meines Ressorts findet man umfangreiche Informationen über die Rechte der Passagiere bei Nichtbeförderung, annullierten oder verspäteten Flügen. Darüber hinaus finden laufend Koordinierungssitzungen der jeweiligen nationalen Durchsetzungsstellen statt, die eine einheitliche europäische Vorgangsweise für die Passagiere sicher stellen sollen. Überdies sei angemerkt, dass ab dem 15. April 2010 in Absprache mit meinem Ressort ein permanenter Krisenstab in der Austro Control GmbH für den Fall erforderlicher Maßnahmen eingesetzt wurde. Dieser beinhaltete auch die Etablierung einer Kommunikationsschiene, um entsprechende Informationen an die betroffene Luftverkehrswirtschaft und die Öffentlichkeit rasch weiterzuleiten. Daneben gibt es einen regelmäßigen und permanenten Informationsaustausch zwischen allen beteiligten Einrichtungen und Organisationen zur Optimierung der Kommunikation und Zusammenarbeit.

Die Rechtsgrundlage für die Bearbeitung dieser Anfragen stellt die Verordnung (EG) Nr. 261/2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen dar. Aufgrund dieser Verordnung wurde eigens im BMVIT eine Stelle eingerichtet, welche über ein eigenes „Beschwerdetelefon“ und eine eigene „Beschwerde-E-Mailadresse“ verfügt. Alle Anfragen werden sowohl telefonisch als auch schriftlich entgegengenommen und bearbeitet. Als Hilfestellung hat das BMVIT überdies eine Empfehlung zur Vorgangsweise für Passagiere im Internet unter http://www.bmvit.gv.at/verkehr/luftfahrt/flugreisende/vulkan.html herausgegeben.


Abfederungsmaßnahmen durch die ÖBB

Aufgrund der am 16.4.2010 angekündigten Sperre des Luftraumes über Österreich und einer möglichen damit verbundenen Zunahme von Bahnreisenden setzte das Unternehmen ÖBB um 13 Uhr den ersten Krisenstab ein.

Im Vordergrund der Bemühungen der ÖBB stand die sichere und möglichst unkomplizierte Beförderung der gestrandeten Passagiere.

Von 16.4. bis 19.4.2010 wurden durchschnittlich rund 10.000 zusätzliche Sitzplätze pro Tag in Zügen der ÖBB zur Verfügung gestellt. Das entspricht mehr als 30 % der üblichen Sitzplatzkapazität. Darüber hinaus wurden Direktverbindungen zwischen dem Flughafen Schwechat und dem Westbahnhof eingerichtet.

Das am Westbahnhof eingesetzte Personal wurde verdreifacht und der Westbahnhof blieb durchgehend geöffnet.

Für die nächsten drei Tage (20.-22.4.) stand das zusätzliche Zugangebot mit teilweise noch größeren Kapazitäten zur Verfügung.