5179/AB XXIV. GP
Eingelangt am 05.07.2010
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BM für Unterricht, Kunst und Kultur
Anfragebeantwortung
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Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur
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Frau Präsidentin des Nationalrates Mag. Barbara Prammer Parlament 1017 Wien
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Geschäftszahl: |
BMUKK-10.000/110-III/4a/2010 |
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Wien, 30. Juni 2010
Die schriftliche parlamentarische Anfrage Nr. 5268/J-NR/2010 betreffend die Zahl der verhaltensauffälligen Schüler in Österreich, die die Abg. Edith Mühlberghuber, Kolleginnen und Kollegen am 5. Mai 2010 an mich richteten, wird wie folgt beantwortet:
Zu Frage 1:
Durch den jährlich vorgelegten Tätigkeitsbericht der Schulpsychologie-Bildungsberatung ist schon seit längerem eine Zunahme der Beratungstätigkeit für die Schulpartner durch Schulpsychologinnen und Schulpsychologen im Bereich der Verhaltensauffälligkeiten von Pflichtschülern bekannt.
Zu Fragen 2, 5, 8, 11, 14, 17, 20, 23 und 26:
Auf Basis der gemäß Bildungsdokumentationsgesetz über die Bundesanstalt „Statistik Österreich“ an den einzelnen österreichischen Schulen erhobenen Schülerinnen- und Schülerdaten stellt sich die Zahl der Schülerinnen und Schüler an allgemein bildenden Pflichtschulen nach Bundesländern im derzeit letztverfügbaren Schuljahr 2008/09 entsprechend der angeschlossen Beilage dar. Eine Erfassung von Schülerinnen und Schülern mit der Ausprägung „Verhaltensauffälligkeiten“ (vgl. zur Begrifflichkeit die Beantwortung der Frage 29) sieht das Bildungsdokumentationsgesetz folgend seiner primären Zielsetzung nicht vor.
Zu Fragen 3, 4, 6, 7, 9, 10, 12, 13, 15, 16, 18, 19, 21, 22, 24, 25, 27 und 28:
Eine Analyse auf Basis der Statistiken in den Tätigkeitsberichten der Schulpsychologie-Bildungsberatung zur Beantwortung der Fragen, wie viele der Schülerinnen und Schüler als verhaltensauffällig gelten und wie viele es in den Jahren 2007, 2008 und 2009 waren, ergibt nachstehendes Bild. Die Darstellung folgt der Beratung von einzelnen Schülerinnen und Schülern nach dem Anmeldegrund Verhaltensauffälligkeiten im Bereich der allgemein bildenden Pflichtschulen (VS, HS, SO und PTS):
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+/-/0 |
2009 |
+/-/0 |
2008 |
2007 |
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Österreich |
+37% |
3.130 |
+24% |
2.822 |
2.274 |
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Burgenland |
+32% |
182 |
+17% |
161 |
138 |
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Kärnten |
+307% |
494 |
+86% |
299 |
161 |
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Niederösterreich |
+6% |
731 |
+1% |
698 |
688 |
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Oberösterreich |
0% |
350 |
+13% |
391 |
346 |
|
Salzburg |
+6% |
197 |
0% |
185 |
185 |
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Steiermark |
+237% |
683 |
+213% |
614 |
288 |
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Tirol |
-13% |
202 |
-12% |
204 |
230 |
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Vorarlberg |
+72% |
100 |
+32% |
77 |
58 |
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Wien |
+7% |
193 |
+7% |
193 |
180 |
Veränderungen in Prozent
Basis 2007: Zuwachs bzw. Minderung 2007 auf 2008 und 2007 auf 2009
Zur Interpretation der tabellarischen Darstellung ist auf Folgendes hinzuweisen:
- Die Daten der Schulpsychologie-Bildungsberatung stützen sich auf die Auftraggeber Schulpartner. Insbesondere Eltern und Lehrkräfte sehen in der schulpsychologischen Untersuchung und Beratung eine Hilfestellung bei der gemeinsamen Bewältigung von Verhaltensauffälligkeiten im Schulbereich. Die schulpsychologische Untersuchungs- und Beratungstätigkeit stützt sich dabei wesentlich auf psychologische Diagnostik und daraus zu folgernde Veränderungsvorschläge. In einzelnen Fällen übernehmen die Schulpsychologinnen und Schulpsychologen die unterstützende Begleitung im Veränderungsprozess oder vermitteln externe facheinschlägige Institutionen.
- Diese erhobenen Daten stellen einen Ausschnitt aus dem quantitativen Gesamt-Spektrum der Verhaltensauffälligkeiten im Pflichtschulbereich dar. Oft kommt es zur schulpsychologischen Beratung, wenn schulische Maßnahmen nicht den gewünschten Erfolg gebracht haben. Die oben dargestellten Daten zeigen jedoch grundsätzliche Tendenzen in der quantitativen Entwicklung der Verhaltensauffälligkeit über die Jahre 2007 bis 2009 an.
- Wie die Tabelle zeigt hat sich die Anzahl der Inanspruchnahme schulpsychologischer Untersuchungs- und Beratungstätigkeiten mit dem Anmeldegrund „Verhaltensauffälligkeiten“ in Österreich kontinuierlich von 2007 bis 2009 erhöht.
In sieben Bundesländern ist die Anzahl der Anmeldungen zu einer schulpsychologischen Beratung mit dem Anmeldegrund „Verhaltensauffälligkeiten“ im Pflichtschulbereich von 2007 bis 2009 in unterschiedlichem Ausmaß (Prozent) angestiegen.
Hohe prozentuelle Anstiege liegen in Kärnten, Steiermark und Vorarlberg vor. Eher geringe prozentuelle Anstiege weisen die Bundesländer Niederösterreich, Salzburg und Wien auf.
In Tirol sinken die Anmeldezahlen zur schulpsychologischen Beratung seit 2008 leicht. In Oberösterreich bleiben die Anmeldezahlen 2007 und 2009 nahezu gleich.
- Im Überblick ist grundsätzlich eine zunehmende Tendenz bei der Fragestellung „Verhaltensauffälligkeiten“ an die Schulpsychologie-Bildungsberatung über die Jahre 2007, 2008 und 2009 im Pflichtschulbereich festzustellen.
Zu Frage 29:
Vorweg sind zum Begriff „Verhaltensauffälligkeiten“ Überlegungen im definitorischen Zusammenhang anzustellen: Die häufigsten Verhaltensauffälligkeiten bzw. Verhaltensstörungen bei Kindern sind zum Beispiel Verhaltensweisen, mit denen Sie sich selbst schädigen. z.B. durch Haare ausreißen, Schnittwunden zufügen, Suchtmittelmissbrauch oder Essstörungen. Aber auch aggressives Verhalten, Vandalismus, Diebstähle, schüchternes und ängstlichen Verhalten oder häufiges Lügen sind Verhaltensauffälligkeiten. Gemeint sind Kinder und Jugendliche, die in ihrem Verhalten in unerwünschter Weise von Erwartungsnormen der Gesellschaft abweichen, insbesondere solche, die Verwahrlosungserscheinungen, psychosoziale Störungen oder delinquentes Verhalten zeigen.
Die Definition von problematischen Verhalten fällt schwer, da es fließende Übergänge zum Normbereich von Verhalten gibt. Leitner (2007) schlägt in diesem Zusammenhang vor: „Problemverhalten lässt sich als Verhalten beschreiben:
- das auf den sich verhaltenden Menschen selbst und/oder seine Umwelt und Mitwelt über einen längeren Zeitraum belastend und verunsichernd wirkt,
- das in der Auswahl und Intensität nicht der Situation angepasst erscheint,
- das Entwicklungsmöglichkeiten behindert, anstatt sie zu fördern.“
In Entsprechung mit der Studie „Verhaltensauffälligkeiten bei Grundschulkindern - Eine elektronische Publikation einer epidemiologischen Studie“ (Berg, Detlef; Tisdale, Tim: Bamberg (2005) Quelle URL: http://www.opus-bayern.de/uni-bamberg/volltexte/2005/42/) können als Störungsbilder im Schulbereich bzw. als Faktorenstruktur gemäß der Bamberger Liste von Verhaltensauffälligkeiten für Lehrerinnen und Lehrer identifiziert werden:
- Faktor I – Externalisierende, aktiv „störende“ Verhaltensauffälligkeiten (Aggressives Verhalten, Beschädigen eigener und fremder Sachen, Fordern von Aufmerksamkeit, Motorische Unruhe, Ungehorsam, Wutausbrüche, in einigen Klassenstufen kommen noch Stimmungslabilität, Überempfindlichkeit und Täuschen hinzu)
- Faktor II – Leistungsprobleme (Leistungsstörungen, Mangelnde Leistungsmotivation, Ungenauigkeit, Unkonzentriertheit)
- Faktor III – Internalisierende Verhaltensauffälligkeiten (Ängstlichkeit, Depressive Verstimmung, Psychosomatische Störung, Mangelndes Selbstvertrauen)
Zu Frage 30:
Die Initiative „Weiße Feder – Gemeinsam für Fairness und gegen Gewalt“ des Bundesministeriums für Unterricht, Kunst und Kultur steckt sich die Ziele, zu sensibilisieren, soziale Kompetenzen von Lehrerinnen und Lehrern sowie von Schülerinnen und Schülern zu stärken sowie Verantwortlichkeit und Zivilcourage zu fördern. Folgende thematische Schwerpunkte für den Zeitraum 2009 - 2013 im Rahmen der Initiative „Weiße Feder – Gemeinsam für Fairness und gegen Gewalt“ wurden festgelegt:
- Professionalisierung der Lehrerinnen und Lehrer – Förderung der Sozialkompetenz:
Es ist in einem ersten Schritt gelungen, dass die Stärkung der sozialen Kompetenz der Lehrerinnen und Lehrer im Qualifikationsprofil für die Curricula zu verankern. Die intensiven Anstrengungen zur Fortbildung der Lehrerinnen und Lehrer im Erkennen von und im Umgang mit schwierigen Situationen und Schülerinnen oder Schülern in allen Schularten stellen einen bedeutsamen Schritt in der Gewaltprävention dar. Im Vergleich zum Schuljahr 2006/07 haben sich die Lehrkräftefortbildungsveranstaltungen zu Gewalt und Konflikt mehr als verdoppelt.
- Ausbau des Unterstützungssystems für die Schulen: Schulpsychologinnen und Schulpsychologen sowie Pilotprojekte der Schulsozialarbeit:
Um dem steigenden Beratungsbedürfnis besser entsprechen zu können, wurde die Arbeit der Schulpsychologie in allen Schularten verstärkt: Nach einer Erhöhung der Ressourcen um 20% können österreichweit Schülerinnen und Schüler, Lehrkräfte sowie Eltern mit einer Unterstützung von rund 180 schulpsychologischen Expertinnen und Experten rechnen.
2010 starten Pilotprojekte zur Schulsozialarbeit an 3 bis 4 Pflichtschulen pro Bundesland. Neue, gut mit den bestehenden schulischen und außerschulischen Unterstützungseinrichtungen koordinierte Modelle werden entwickelt und erprobt. Besondere Aufmerksamkeit wird den Phänomen Schulverweigerung und Schulabsentismus gewidmet.
- Verhaltensvereinbarungen an jeder Schule:
Zwei Drittel der Schulen haben Verhaltensvereinbarungen geschlossen. Zu 75% wurden die Verhaltensvereinbarungen - und das ist ein wichtiges Ziel - von allen drei Schulpartnern getragen. Als Schwerpunkte der „Vereinbarungen wurden die Einhaltung vereinbarter Pflichten“ (88%) und „gewaltfreie Konfliktlösung“ (63%) genannt. Gutes Gesprächsklima, das Einbeziehen aller Schulpartner und Identifikation werden als förderliche Faktoren bei der Entwicklung von Verhaltensvereinbarungen benannt.
- Jährliches Vernetzungsforum aller Partnerinnen und Partner:
Das Vernetzungsforum aller Partnerinnen und Partner (Ministerien, Kinder- und Jugendanwaltschaft, Jugendämter, Eltern, Lehrergewerkschaft, Universitäten, Pädagogische Hochschulen) wird zum dritten Mal am 25. November 2010 durchgeführt.
- Ausbau von Programmen zur Gewaltprävention:
Faustlos (6 - 10 Jahre) und WISK (10 -16 Jahre):
Faustlos ist ein Curriculum zur Förderung sozial- emotionaler Kompetenz und zur Gewaltprävention für 6- bis 10-Jährige. Rund 1.200 Faustloskoffer wurden bisher österreichischen Volksschulen durch die Schulaufsicht in Kooperation mit der Schulpsychologie übergeben.
Das Programm WISK stärkt die soziale und interkulturelle Kompetenz von Schülerinnen und Schülern. Das WISK-Programm bindet eine möglichst große Gruppe von Personen an der Schule ein. Dadurch soll der Grundsatz „Gemeinsam gegen Gewalt“ in der Schule verankert werden.
Die Bundesministerin:
Dr. Claudia Schmied eh.
Beilage
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Zahl der Schüler/innen nach Schultypen und Bundesländern, Schuljahr 2008/09 |
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Schultyp |
Österreich |
Burgenland |
Kärnten |
Niederösterr. |
Oberösterr. |
Salzburg |
Steiermark |
Tirol |
Vorarlberg |
Wien |
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Allgemein bildende Pflichtschulen gesamt |
604.017 |
18.227 |
39.773 |
117.589 |
116.408 |
42.396 |
80.647 |
57.531 |
32.168 |
99.278 |
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Volksschulen |
332.210 |
10.132 |
21.708 |
63.739 |
60.779 |
22.699 |
44.679 |
29.166 |
17.091 |
62.217 |
|
Hauptschulen |
237.989 |
7.327 |
16.365 |
46.204 |
49.555 |
17.274 |
32.855 |
24.746 |
12.570 |
31.093 |
|
Sonderschulen und Sonderschulklassen |
13.170 |
273 |
748 |
3.869 |
1.440 |
987 |
565 |
1.267 |
1.080 |
2.941 |
|
Polytechnische Schulen |
20.648 |
495 |
952 |
3.777 |
4.634 |
1.436 |
2.548 |
2.352 |
1.427 |
3.027 |
Quelle: Statistik Austria - Bildungsdokumentation