521/AB XXIV. GP
Eingelangt am 17.02.2009
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind
möglich.
BM für Justiz
Anfragebeantwortung

DIE BUNDESMINISTERIN
FÜR
JUSTIZ
BMJ-Pr7000/0230-Pr 1/2008
An die
Frau Präsidentin des Nationalrates
W i e n
zur Zahl 506/J-NR/2008
Die Abgeordneten zum Nationalrat Mag. Johann Maier und GenossInnen haben an mich eine schriftliche Anfrage betreffend „Organhandel und organisierte Kriminalität (Menschenhandel) – Falcone Report - Konsequenzen“ gerichtet.
Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:
Zu 1 bis 7 und 10 bis 17:
Im Zeitraum Dezember 2001 bis Dezember 2002 wurde im Rahmen des Falcone-Programms der Europäischen Union eine Studie zum Thema „Organhandel“ erstellt. Mithilfe von Fragebögen und Beiträgen nationaler Experten wurde schließlich ein Bericht verfasst, der einen umfassenden Überblick über das Phänomen des „Organhandels“ in verfassungsrechtlicher, strafrechtlicher, zivilrechtlicher und politischer Hinsicht liefern sollte und dabei auch die entsprechende Gesetzgebung, Rechtsprechung und Praxis der (damals noch) fünfzehn Mitgliedstaaten der EU darstellte. Der Bericht zur österreichischen Gesetzeslage wurde seinerzeit von Univ.-Ass. Dr. Robert Kert verfasst.
Anlässlich des Projektabschlusses fand im November 2002 in Thessaloniki/Griechenland eine zweitägige Konferenz statt, in der die Horizontalberichte von nationalen Experten präsentiert und diskutiert wurden; auf Grundlage dieser Diskussion ist in weiterer Folge ein Bündel von Vorschlägen und Empfehlungen an die Europäische Kommission ausgearbeitet worden.
Der endgültige Gesamtbericht wurde dem Bundesministerium für Justiz nicht übermittelt; es wurde lediglich den Teilnehmern der Konferenz eine CD-ROM mit Gesamt- und Länderberichten zur Verfügung gestellt.
Oberste Prämisse der Empfehlungen der Experten war es, zu transportieren, dass Organhandel ein ernst zu nehmendes Thema ist und es daher unerlässlich ist, in Zukunft auch besonderes Augenmerk auf dessen Bekämpfung zu legen. Zusammengefasst lauteten die Empfehlungen der Expertenrunde, dass eine europaweite gesetzliche Grundlage zur Bekämpfung des Organhandels geschaffen werden müsse, die eine umfassende und einheitliche Definition und Bestrafung dieses Phänomens einschließt. Zudem sollten diese Bestimmungen unabhängig vom Tatort – also auch wenn dieser außerhalb der EU-Grenzen liegt – bestraft werden können.
Diese Empfehlungen waren in weiterer Folge ausschlaggebend, dass auf Initiative der Hellenischen Republik umfangreiche Verhandlungen zur Schaffung eines Rahmenbeschlusses zur Verhütung und Bekämpfung des Handels mit menschlichen Organen und Geweben geführt wurden. Diese Gespräche sind jedoch bisher ergebnislos geblieben.
Ich möchte aber ausdrücklich betonen, dass der Falcone-Bericht in Bezug auf die österreichische Rechtslage nicht mehr aktuell ist.
Mit dem Strafrechtsänderungsgesetz 2004, das am 1. Mai 2004 in Kraft getreten ist, wurden umfassende Änderungen auch im Bereich des Menschenhandels vorgenommen. In Umsetzung des VN-Protokolls zur Verhütung, Bekämpfung und Bestrafung des Menschenhandels, wurde mit § 104a StGB nicht nur die sexuelle Ausbeutung und die Ausbeutung der Arbeitskraft, sondern auch der Organhandel ausdrücklich als Menschenhandel definiert und unter Strafe gestellt.
Demnach sind jene, die minderjährige oder volljährige Personen – hier ist jedoch der Einsatz unlauterer Mittel gegen die Person zur Erfüllung des Tatbestandes notwendig - mit dem Vorsatz anwerben, beherbergen oder sonst aufnehmen, befördern oder einem anderen anbieten oder weitergeben, dass sie durch Organentnahme ausgebeutet werden sollen, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren zu bestrafen. Liegen besondere qualifizierende Umstände vor, wie etwa der Einsatz von Gewalt oder die Tatbegehung im Rahmen einer kriminellen Vereinigung, erhöht sich die Strafe entsprechend (im letzteren Fall ist der Täter mit Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren zu bestrafen) .
Gemäß § 64 Abs. 1 StGB gilt diese Bestimmung unabhängig von den Strafgesetzen des Tatorts auch für jene Straftaten, die im Ausland begangen wurden.
Sowohl das österreichische Strafrecht als auch die Vereinten Nationen (VN-Protokoll zur Verhütung, Bekämpfung und Bestrafung des Menschenhandels) und der Europarat (Konvention des Europarates zur Bekämpfung des Menschenhandels, in Kraft seit 1. Februar 2008) sehen Organhandel als eine Form des Menschenhandels an.
Durch diese (Straf-)Bestimmungen hat Österreich die genannten internationalen Rechtsakte vollständig umgesetzt; ein allfälliger Reformbedarf seitens des Bundesministeriums für Justiz ist daher nicht gegeben.
Abgesehen davon, dass Österreich bereits in Umsetzung des VN-Protokolls zur Verhütung, Bekämpfung und Bestrafung des Menschenhandels und entsprechend der Konvention des Europarates zur Bekämpfung des Menschenhandels über eine Regelung zur Bekämpfung des Organhandels verfügt, bin ich selbstverständlich der Ansicht, dass eine europaweite Regelung erstrebenswert wäre. Durch die bereits erwähnten internationalen Instrumente wurde Organhandel aber bereits als Problem erfasst und eine einheitliche Definition gewährleistet.
Zu 8 und 9:
Im Zeitraum von 2004 bis 2008 sind nach den mir vorliegenden Berichten in Österreich weder Fälle von illegalem Organhandel noch Beweise für einen Zusammenhang zwischen dem Handel mit menschlichen Organen und der organisierten Kriminalität bekannt geworden.
Zu 18:
Zunächst ist anzumerken, dass das Führen von Statistiken über die von den Sicherheitsbehörden im Zusammenhang mit dem Delikt nach § 104a StGB geführten Ermittlungen in den Zuständigkeitsbereich des Bundesministeriums für Inneres fällt (polizeiliche Kriminalstatistik).
Gemäß einer Auswertung aus der Verfahrensautomation Justiz sind im Jahr 2004 9 Strafverfahren, 2005 13 Verfahren, 2006 22 Verfahren, 2007 28 Verfahren und 2008 24 Verfahren bei den Staatsanwaltschaften angefallen.
Der Vollständigkeit halber ist zudem darauf zu verweisen, dass bei dem durch die Anfrage angestrebten Vergleich der Anfalls- und Erledigungszahlen der Jahre 2005 bis 2008 mit den Zahlen für das Jahr 2004 aus der Voranfrage (AB 2094/XXII.GP) zu berücksichtigen ist, dass der Straftatbestand des Menschenhandels nach § 104a StGB (BGBl. I 15/2004) seit 1. Mai 2004 in Kraft steht.
Zu 19 und 20:
Auch hier ist zunächst darauf zu verweisen, dass Statistiken zu polizeilichen Anzeigen in den Zuständigkeitsbereich des Bundesministeriums für Inneres fallen. Aus dem vom Bundesministerium für Inneres mit dem jährlichen Sicherheitsbericht veröffentlichten Kriminalitätsbericht ergibt sich für die Jahre 2005 und 2006 folgende Statistik über die angezeigten Fälle und die ermittelten Tatverdächtigen im Bereich des Deliktes nach § 104a StGB.
|
polizeiliche Anzeigenstatistik - angezeigte Fälle |
|
|
|
§ 104a StGB |
2005 |
2006 |
|
|
92 |
7 |
|
polizeiliche Anzeigenstatistik - ermittelte Tatverdächtige |
|
|
|
§ 104a StGB |
2005 |
2006 |
|
|
16 |
9 |
Der Kriminalitätsbericht für das Jahr 2007 liegt dem Bundesministerium für Justiz derzeit noch nicht vor. Auch Anzeigezahlen für das Jahr 2008 sind für das Bundesministerium für Justiz nicht verfügbar.
Zahlen über Anzeigen im Zusammenhang mit dem Verdacht des Vorliegens einer Auslandstat nach § 64 Abs. 1 Z 4 StGB stehen dem Bundesministerium für Justiz gleichfalls nicht zur Verfügung.
Zu 21:
Aus der Verfahrensautomation Justiz ergeben sich für die gerichtlichen Erledigungen nachstehende Zahlen für die nach § 104a StGB geführten Verfahren:
|
|
2005 |
2006 |
2007 |
2008 |
|
§ 104a StGB |
|
|
|
|
|
Verfahrenserledigungen gesamt |
10 |
9 |
41 |
18 |
|
davon: Verurteilungen |
1 |
1 |
7 |
2 |
|
davon: Freisprüche |
0 |
0 |
8 |
2 |
|
davon: Einstellungen |
5 |
3 |
12 |
0 |
Zu 22 bis 26:
Diese Fragen fallen nicht in den Vollzugsbereich des Bundesministeriums für Justiz. Informationen dazu liegen dem Bundesministerium für Justiz nicht vor.
. Februar 2009
(Mag. Claudia Bandion-Ortner)