5222/AB XXIV. GP
Eingelangt am 07.07.2010
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BM für Verkehr, Innovation und Technologie
Anfragebeantwortung
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An die
Präsidentin des Nationalrats
Mag.a Barbara PRAMMER
Parlament
1017 W i e n
Wien, am . September 2018
Sehr geehrte Frau Präsidentin!
Der Abgeordnete zum Nationalrat Vilimsky und weitere Abgeordnete haben am 7. Mai 2010 unter der Nr. 5293/J an mich eine schriftliche parlamentarische Anfrage betreffend die rechtswidrige Befristung von Lenkberechtigungen gerichtet.
Diese Anfrage beantworte ich wie folgt:
Zu Frage 1:
Ø Wie viele befristete Lenkberechtigungen gibt es derzeit in Österreich?
In Österreich gibt es derzeit rund 60.000 befristete Lenkberechtigungen.
Zu Frage 2:
Ø Aus welchen Gründen wurden diese befristeten Lenkberechtigungen erteilt?
Ca. 45.000 Befristungen entfallen auf die ex lege Befristung der Klassen C und D, die restlichen 15.000 sind sonstige Befristungen aus gesundheitlichen Gründen.
Zu Frage 3:
Ø Wie viele befristete Lenkberechtigungen gab es jeweils in den letzten 10 Jahren in Österreich?
Zahlen der letzten 10 Jahre sind nicht verfügbar, da erst seit 2007 eine gesonderte Speicherung der C/D-Befristungen erfolgt.
2007: C/D: 42.000, sonstige: 15.500
2008: C/D: 52.000, sonstige: 17.000
Selbst bei diesen Zahlen ist zu berücksichtigen, dass die Speicherung der Antragsverfahren von 102 Führerscheinbehörden nicht immer einheitlich erfolgt, wodurch sich gewisse Abweichungen und Unschärfen ergeben können.
Zu Frage 4:
Ø Aus welchen Gründen wurden diese befristeten Lenkberechtigungen jeweils erteilt?
Die C/D Befristungen ergeben sich direkt aus dem Führerscheingesetz (in Umsetzung der EU-Führerscheinrichtlinie), die sonstigen Befristungen beruhen auf gesundheitlichen Gründen.
Zu Frage 5:
Ø Wie viele der befristeten Lenkberechtigungen wurden rein aufgrund eines amtsärztlichen Gutachtens erteilt?
Es ist davon auszugehen, dass allen der oben unter „sonstige“ Befristungen genannten (15.000) Fälle ein amtsärztliches Gutachten zugrunde liegt.
Zu den Fragen 6 und 7:
Ø Wurde den Empfehlungen der Volksanwaltschaft entsprochen und die betroffenen Behörden darauf hingewiesen, in zukünftigen Fällen Vorschläge von Amtsärztinnen und Amtsärzten betreffend Befristungen von Lenkberechtigungen nicht ohne jegliche Prüfung zu übernehmen, sondern darauf zu achten, ob die in der Begründung des Gutachtens dargelegten Erwägungen die vorgeschlagene Befristung auch rechtlich zu tragen vermögen und wenn ja, wann und in welcher Form?
Ø Wenn nein, weshalb ist man dieser Empfehlung der Volksanwaltschaft bislang nicht nachgekommen?
Ja. Den Empfehlungen der Volksanwaltschaft wurde durch Einfügen einer Austauschseite im FSG-Gesamterlass, welche als Beilage angeschlossen ist, entsprochen.
Beilage
BEILAGE
§ 8
zu Abs. 3:
I. Amtsärztliches Gutachten; Befristung der Lenkberechtigung
Zahlreiche Fälle in der Vergangenheit haben gezeigt, dass den behördlich verfügten Befristungen von Lenkberechtigungen amtsärztliche Gutachten zu Grunde gelegen sind, die im Lichte der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes als nicht schlüssig bzw. als unzureichend für die betreffende Befristung anzusehen waren. Dies vor allem - wenn auch nicht ausschließlich - Fälle von Diabetes und Hypertonie betreffend.
Das Bundesministerium weist mit Nachdruck darauf hin, dass es Aufgabe der erkennenden Behörde ist und sohin in deren Verantwortungsbereich fällt, vor Verfügung einer allfälligen Befristung einer Lenkberechtigung (gleiches gilt auch für Kontrolluntersuchungen), das darauf abzielende amtsärztliche Gutachten auf dessen Schlüssigkeit und Nachvollziehbarkeit hin zu prüfen.
Im Falle des Nichtvorliegens dieser essentiellen Voraussetzungen ist der Amtsarzt zu einer entsprechenden Ergänzung bez. Nachvollziehbarkeit seines Gutachtens zu veranlassen.
Im Folgenden einige aus der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes im Zusammenhang mit der Befristung der Lenkberechtigung erkennbare - insbesondere im Zusammenhang mit Diabetes und Hypertonie stehende - Grundsätze, die es zu beachten gilt:
1. „Die Notwendigkeit von Nachuntersuchungen im Sinne des § 8 Abs. 3 Z. 2 FSG ist dann gegeben, wenn eine Krankheit festgestellt wurde, bei der ihrer Natur nach mit einer zum Verlust oder zur Einschränkung der Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen führenden Verschlechterung gerechnet werden muss. Um eine bloß bedingte Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen in diesem Sinne anzunehmen, bedarf es auf einem ärztlichen Sachverständigengutachten beruhender konkreter Sachverhaltsfeststellungen darüber, dass die gesundheitliche Eignung zwar noch in ausreichendem Maße für eine bestimmte Zeit vorhanden ist, dass aber eine gesundheitliche Beeinträchtigung besteht, nach deren Art in Zukunft mit einer die Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen ausschließenden oder einschränkenden Verschlechterung gerechnet werden muss.“
Daraus folgt: Wird vom Amtsarzt eine Befristung vorgeschlagen, so hat er unter Einbeziehung fachärztlicher Befunde auch für Nichtmediziner verständlich und nachvollziehbar im konkreten Fall darzulegen, warum eine derartige Verschlechterung des Gesundheitszustandes nicht bloß möglich ist, bzw. nicht ausgeschlossen werden kann, sondern warum diese Verschlechterung geradezu zu erwarten ist.
Pauschale Hinweise auf den gegenwärtigen fachlichen Wissensstand reichen - sofern dieser nicht näher dargelegt wird - für eine vom amtsärztlichen Sachverständigen als notwendig erachtete Befristung samt Kontroll- und Nachuntersuchung nicht.
2. „Es besteht keine allgemeine Notorietät dahingehend, dass bei jeder Art der Zuckerkrankheit (auch nicht im Falle eines insulinabhängigen Diabetes mellitus) mit einer Verschlechterung gerechnet werden muss, die die Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen ausschließt oder einschränkt“.
Der amtsärztliche Sachverständige hat sohin darzulegen, ob und warum im konkreten Fall mit einer die Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen ausschließenden Verschlechterung des Gesundheitszustandes des Betroffenen zu rechnen ist.
Dies trifft grundsätzlich auch auf jene Fälle zu, wo es bereits zu Sekundärschäden (diabetesbedingten Spätschäden, etwa an Augen und/oder Nieren) gekommen ist. In derartigen Fällen ist zu prüfen, ob es nicht etwa trotzdem zu einer dauerhaften Stabilisierung der Erkrankung gekommen ist.
Ist die Erkrankung derart zum Stillstand gekommen, dass nach dem (darzulegenden) medizinischen Wissensstand keine weitere Verschlechterung zu befürchten ist, kann von einer Befristung der Lenkberechtigung Abstand genommen werden, ohne eine vorhersehbare Gefährdung der Verkehrssicherheit in Kauf zu nehmen.
Liegen Anhaltspunkte für eine Stabilisierung im oben erwähnten Sinn vor und ist nach Sicht des Amtsarztes eine Befristung dennoch erforderlich, so hat er sich in der Begründung seines Gutachtens auch mit der Frage einer Stabilisierung im Sinne des § 3 Abs. 5 FSG-GV hinreichend auseinander zu setzen.
Bemerkt wird, dass, wenn es trotz bestätigter guter Blutzuckereinstellung und guter Therapie-compliance zu diabetischen Spätsyndromen gekommen ist, eine Befristung der Lenkberechtigung gerechtfertigt sein kann.
3. Die bloße Aussage in einer fachärztlichen Stellungnahme, dass Kontrolluntersuchungen notwendig sind, reicht noch nicht für die Annahme aus, dass derartige Untersuchungen auch im Hinblick auf die Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen erforderlich sind. Kontrolluntersuchungen aus dem Aspekte der Gesundheitsvorsorge sind nämlich aus medizinischer Sicht bei Vorliegen eines bestimmten Leidens oder unter Umständen auch bei völlig gesunden Personen deshalb empfehlenswert, um einer möglichen Verschlechterung oder möglichen Komplikationen rein aus gesundheitsmedizinischen Aspekten, vorzubeugen.
Aus führerscheinrechtlicher Sicht sind derartige Kontrolluntersuchungen und die damit verbundenen Befristungen aber nur dann anzuordnen, wenn auf Grund des konkreten Gesundheitszustandes einer Person geradezu angenommen werden muss, dass in absehbarer Zeit eine solche Verschlechterung eintreten wird, die die Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen überhaupt in Frage stellt.
4. Im Zusammenhang mit einer bereits einmal wegen einer fortschreitenden Erkrankung erfolgten
Befristung der Lenkberechtigung wird bemerkt, dass diese Befristung nicht auch künftighin erforderlich sein muss.
Hat sich nämlich die seinerzeit Anlass zur Befristung gegeben habende Erkrankung zwischenzeitig stabilisiert, d.h. ist die Erkrankung derart zum Stillstand gekommen, dass nach dem medizinischen Wissensstand keine weitere Verschlechterung zu befürchten ist, so ist bei weiterer Erteilung der Lenkberechtigung von der diesbezüglichen Einschränkung abzusehen. In derartigen Fällen hat also der Amtssachverständige ebenfalls nachvollziehbare Aussagen darüber zu treffen, ob und warum die ursprünglich prognostizierte Gefahr noch immer gegeben ist oder ob eine dauerhafte Stabilisierung eingetreten ist.
5. Im Zusammenhang mit Hypertonie wird darauf hingewiesen, dass einmalige Entgleisungen des Blutdrucks (z.B. ausgelöst durch Aufregung bei der amtsärztlichen Untersuchung) - bei nachgewiesenem regelmäßig normalen Blutdruck - keine Blutdruckanomalien im Sinne des
§ 10 Abs. 3 FSG-GV sind und daher eine Befristung oder Einschränkung der Lenkberechtigung nicht rechtfertigen.
Die obenstehenden Ausführungen, welche keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben, basieren auf nachstehenden Erkenntnissen des Verwaltungsgerichtshofes:
Zlen: 2002/11/066; 2000/11/0337; 2003/11/0066; 2003/11/0315; 2001/11/0174; 99/11/0254.
Wie diesen höchstgerichtlichen Entscheidungen zu entnehmen ist, kommt es einerseits immer auf den im konkreten Fall gegebenen Sachverhalt und andererseits auf die Schlüssigkeit und Nachvollziehbarkeit des vom amtsärztlichen Sachverständigen erstellten Gutachtens an.
Es wird den mit dem Vollzug des Führerscheingesetzes befassten Sachbearbeitern empfohlen, in diese Verwaltungs-Gerichtshoferkenntnisse Einsicht zu nehmen und zur künftigen Hintanhaltung ungerechtfertigter Befristungen von Lenkberechtigungen ihren Wissensstand auch durch Einsichtnahme in das Rechtsinformationssystem zu aktualisieren.
Darüber hinaus sind auch die amtsärztlichen Sachverständigen mit den vom Verwaltungsgerichtshof in dessen Rechtsprechung hinlänglich dargelegten Anforderungen für ein schlüssiges und nachvollziehbares Gutachten vertraut zu machen und anzuweisen, diese bei der Erstellung ihrer Gutachten entsprechend zu berücksichtigen.